Erste Fortsetzung

Die Rüpelkomödie lag am Ende auch dem Rederyker näher als die humanistische Pointensuche. Als Kaiser Karl im Jahre 1549 den Prinzen Philipp in die Niederlande zog, damit er sich den künftigen Untertanen vorstelle, gaben sich die Brabanter Bouffons viele Mühe, dem dunklen Gesicht des Spaniers ein Lächeln abzugewinnen. Brüssel schlug alle Mitbewerber. In dem Zug, der vor dem Prinzen vorbeizog, wurde eine einzigartige Orgel mitgefahren. In ihre Pfeifen hatte man Kater gesperrt, deren Schwänze mit den Tasten verbunden wurden. Sooft der Organist, ein Kerl im Bärenfell, eine Taste schlug, wurde der Schwanz eines Tieres gezerrt, das nun mit dem jämmerlichsten Miauen antwortete. Eine verdächtig stilisierende Überlieferung behauptet, die seltene Vokalmusik habe über die Elemente der chromatischen Tonleiter verfügt. Die kleine Historie spricht Bücher. Sie zeigt am drastischen Beispiel, wie grobkörniger Reize dies humanistisch polierte Bürgertum bedurfte, um von Herzen vergnügt zu sein. Die gegebene Form der Unterhaltung war zuletzt doch der strotzende Unsinn der Narrengilde. Ungern genug mag der Magistrat von Gent im Jahre 1525 den Faschingsgenossen verboten haben, mit toten Katzen zu werfen. Diese Städter waren im Innersten Bauern geblieben. Wir sehen das seltene Schauspiel, dass ein überwiegend gewerbliches und kommerzielles Land eine plebejische Gesundheit bewahrt. Nicht aus müder Sentimentalität, sondern aus urkräftiger Wahlverwandtschaft suchte der lachende Niederländer dieses Jahrhunderts das offene Land.

Brabant ist sandig und eben. Ohne Hemmnis gleitet der Blick über weite Flächen, deren Ackerfurchen in gestreckter Perspektive einem gemeinsamen Ziel zufliehen. Erlen und Windmühlen messen den Weg zum Horizont, der immer in leichtem Dunst verschwimmt. Von je war der Bauer dieses Bodens ein Geschöpf von zähem Fleiß. Hartnäckige Arbeit zwang schon vor Jahrhunderten jener widerspenstigen Erde die unwahrscheinlichsten Leistungen ab. Dort war der Bauer früh eine wirtschaftliche Persönlichkeit. Noch im Mittelalter trat er aus der Leibeigenschaft in das geldwirtschaftliche Verhältnis des Zensiten über, der auf eigenem Boden oder doch als freier Pächter haust und dem Feudalen kontraktlich gemessene Zinsen zahlt. Er wurde auch auf diese Art sattsam ausgepresst, aber er blieb der Neid der deutschen und der französischen Standesgenossen. Er liebte es, sein Selbstgefühl in klobigen Gelagen zu äußern. Mit der unfähigen Pedanterie nur verbietender Gesetzgebung suchte Karl Hochzeitsfeste und Kirmessen von allen Seiten einzudämmen. Er begrenzte die Zahl der Teilnehmer, verbot das Tragen edler Stoffe und endlich gar den Genuss des weißen Brotes. Zornig warf aber Bruegel dem Schulmeister eine frischere Parole zu. ,,Laet die boeren haer kermis houwen!" Er behielt recht. Fleißige Beobachter haben zwar mit Herzenswärme festgestellt, dass Bruegels Bauern nur Schwarzbrot essen, nie seidene Bäusche tragen und die Zahl der Festgenossen immer in artigen Grenzen halten. Aber der Italiener weiß, dass die bäuerlichen Feste blühten. Guicciardini versichert, dass sich kein vlämischer Bauer besann, „dreißig, ja vierzig Meilen zu laufen, um bei einem Schmaus mitzumachen". Die Wahrheit lag in der Mitte. Der Bauer schaffte hart; seine soziale und politische Geltung war sehr fragwürdig; aber er hielt darauf, sich oft und gründlich zu vergnügen.


Karl V. war ein kluger Fürst. Aber seine skeptische Überlegenheit sah nicht über den Horizont einer opportunistischen ragione di stato hinaus. Er war der politische Mathematiker, den das Zeitalter Machiavellis liebte. Der faule Hidalgostaat war auf die Niederlande angewiesen. Karl erkannte den Zusammenhang. Mit ahnendem Auge sah er aber auch den Moment kommen, wo die wirtschaftliche Kraft den politischen Abfall nach sich ziehen würde. Er meinte diesen Moment zu bannen, als er die bunte Vielfältigkeit der Niederlande reglementierte. Er hat dem Nachrichter unbedenklich fünfzigtausend niederländische Protestanten ausgeliefert. Aber er machte das mit einer gewissen Bonhomie; er wusste jederzeit den jovialen Landsmann herauszukehren — selbst wenn er die Jovialität verbot. Der Politik des Sohnes fehlte die Kunst der Übergänge. Sie war unvermittelt kastilianisch. Nie verband ein Fürst größere Autorität und Macht mit ähnlicher Trübheit des politischen und menschlichen Urteils. Die Herzogin von Parma wusste die Delirien des Absolutismus noch zu verhüllen. Und doch erlebte ihr Regiment den Bildersturm, die Verbrüderung eines ruinierten Adels mit der Geschäftspolitik der Handelsbourgeoisie, das Bündnis beider mit dem Protestantismus, dem viele fremde Händler und die Massen der einheimischen Unterschicht anhingen, und die Koalition der drei Potenzen mit den Zielen des niederländischen Hochadels, die sich im Kopf Oraniens zum klaren Plan der Befreiung der Provinzen sammelten. Aber wenn Granvella den zielbewussten Intrigen Wilhelms zum Opfer fiel, so Margarete dem heißen Trotz des Bruders, der ein Wunder politischer Weisheit zu vollbringen meinte, als er Alba in die kaum beruhigten Provinzen sandte und mit diesem Namen die Städte um Tausende entvölkerte. Alba nennt die heitere Nation „der beleidigten Majestät im höchsten Maße schuldig". Ein Spanier, der des Verbrechens der Notzucht schuldig ist, präsidiert einem Gerichtshof, der den Glanz der Majestät und der römischen Religion rehabilitieren soll. Der Herzog betet und konfisziert. Das Rad, der Scheiterhaufen, der Galgen wird zum Symbol der Zeit. Fröhliche Länder versinken in Gram und Asche. Antwerpen ist in wenigen Jahren gebrochen, und der ganze Südwesten fällt in die nächtliche Ruhe des Todes hinab, dem der Dominikaner harte Gebete nachsendet.

Wenn heute die Sonne über dem Platz der Tuchhalle von Ypern leuchtet, der die Menschen einlädt, sich in geschäftigen Massen zur Arbeit und zum Fest zu versammeln, dann schleichen müde Greise über das plumpe Pflaster, und selbst die Strahlen des lauteren Mittags fangen sich in einem ungreifbaren Netz dauernder Dämmerungen.

7. Teufel Federzeichnung des 16. Jahrhunderts. München, graphische Sammlung.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Bauern-Bruegel
04 Der hinterlistige Vogelfänger. Kupferstich nach Bruegel von Hieronymus Cock

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05 Große Alpenlandschaft. Kupferstich nach Bruegel von Hieronymus Cock

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06 Hasenjagd. Bruegel 1566

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07 Teufel, Bruegel 16. Jahrhundert

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