Abschnitt 3

Die Bewohner des Fürstenthums unterscheiden sich schon seit langen Jahren, ohne daß sich nachweisen ließe seit wann, in die Braunen und Bunten 7) , Namen, die von der Kleidung hergenommen sind. Letztere richten sich im Allgemeinen nach der Tracht der niedern Stände in den benachbarten Städten; die Handwerker, die eingewanderten Tagelöhner u. s. w. gehören dazu, und sie würden, als ein fremdes Element, hier nicht einmal zu erwähnen sein, wenn nicht ganze Dorfschaften, namentlich Ziethen, Mechow und Lankow, zu ihnen gehörten. (Auffallend ist es, daß gerade diese Dörfer Tafelgüter des Domprobstes waren.) Eine noch jetzt bestehende Trennung fand seit Menschengedenken zwischen ihnen und den Braunen statt; Ehen zwischen beiden gehören im Allgemeinen zu den seltneren Fällen und führen fast immer einen Wechsel der Kleidung herbei; der Bauer selbst heirathet fast nie eine Bunte.

Die Braunen, die Eingebornen, sind ein sehr kräftiger Menschenschlag, der sich aber erst in den Zwanzigen vollkommen auszubilden pflegt, von mittlerer Größe, selten unter 5 Fuß 3 Zoll, selten über 6 Fuß groß, breitschultrig, fast nie bäuchig, von wohlgebildeten Gliedern und ansprechender Gesichtsbildung, mit dunkelblondem oder lichtbraunem Haar und blauen Augen, von frischer Gesichtsfarbe, mit schönen, weißen Zähnen. Ihre Lebensweise bietet wohl eigentlich nichts Eigenthümliches dar; daß aber der Ratzeburger viel ißt und im Ganzen gut ißt, zumal viel Fleisch, ist bekannt genug, daher kann er denn auch sehr stark arbeiten, und in der Ernte, wo die Arbeit zum Fest wird, kommen fremde Arbeiter nie mit ihm aus; er übereilt sich nie, aber er ermüdet erst spät, und Ausdauer in jeder Hinsicht, welche wohl oft Hartnäckigkeit genannt werden kann, gehört zum Charakter des Volkes, das sich übrigens durch Treue und Rechtlichkeit und Wohltätigkeit vortheilhaft auszeichnet, fest an dem einmal Bestehenden hält und sich zum Aneignen fremder Ansichten ungern entschließen kann.


Die Wohnungen sind mehr zweckmäßig als bequem eingerichtet; sie sind allerdings bedeutend größer, als man sie gewöhnlich in Meklenburg antrifft, aber für den Bewohner selbst bleibt, da sie zugleich zur Scheure und zum Viehgebäude dienen, doch nur ein geringer Theil des Raumes übrig. Die älteren Häuser sind von Eichenholz gebaut, die Wände sind ausgeflochten und inwendig und auswärts mit Strohlehm beworfen (gekleemt). In der Mitte ist die große Dreschdiele, mit Lehm ausgeschlagen, an den Seiten derselben sind die Ställe für Pferde und Kühe; neben der großen Hauptthür, in die ein Wagen mit Korn hineinfahren kann, sind zwei Schuppen (Vorschup) für die Schafe und Schweine. Am Giebelende ist die Stube (Döns') angehängt, so daß sie drei freie Wände hat und mit der vierten am Hause steht. Die Decke besteht aus darüber gelegten Brettern. Ein großer Ofen, in dem man das Essen zu erwärmen pflegt, nimmt fast die Hälfte der Stube ein, deren Geräthe aus Bänken an den drei Seiten, einem großen eichenen Tisch, einigen selbstverfertigten Lehnstühlen, welche bei Festlichkeiten mit ledernen Kissen belegt werden, besteht. An der Wand stehen auf einer „Bort“ die zinnernen Schüsseln und Kannen (die gewöhnlichen Hochzeitsgeschenke) und irdene oder weiße Teller; eine andere, mit einem Vorhang von blauer Leinwand versehen, trägt die Milch; über der Thür findet man Bibel, Gesangbuch, Postille; die hölzernen Löffel stecken an der Wand; von der Decke hängt ein hölzerner Haken mit Zähnen zum Verlängern und Verkürzen herunter, um die Lampe zu tragen. Nur wenige und kleine Kammern sind im Hause. Der Heerd ist offen und frei oder mit einem mächtigen Geländer eingefaßt, der Boden vor ihm mit Kieselsteinen gedämmt, über ihm ein mächtiger „Schwibbogen“, von dem der Kesselhaken herunter hängt. Der Schornstein fehlt, der Rauch durchzieht das ganze Haus und hat alles Holz schwarzbraun gefärbt, und räuchert den Speck und die Schinken, die unter der Decke „im Wiem“ hangen, vortrefflich. So die alten Häuser; die neueren haben im Ganzen denselben Typus behalten, aber sie sind in allen ihren Theilen viel stattlicher geworden und bequemer eingerichtet: die Wände sind ausgemauert, die Vorschuppen weggeblieben, die Stube ist geräumig und mit Windelböden belegt, alles trägt, bei ländlicher Einfachheit, das Gepräge des Wohlstandes; und während sich früher nur noch ein schuppenähnliches Backhaus, das einige Wohnungen zum Vermiethen enthielt, in der Nähe des Hauses oder in dem mit riesigen Obstbäumen bepflanzten, fast gar nicht bestellten Garten befand, hat die verbesserte Ackercultur fast bei jeder Bauerstelle Scheuren nothwendig gemacht, denn das Haus kann nicht mehr, wie früher, das geworbene Korn fassen.

Seit den frühesten Zeiten fand im ehemaligen Bisthum eine gesonderte Administration statt; während die jetzigen Vogteien Schönberg und Stove zu den Tafelgütern des Bischofs gehörten, besaß die Capitulartafel die Vogteien Schlagsdorf und Rugensdorf. Nach der Säcularisation zerfiel das Land wieder in die Aemter Ratzeburg, Stove (späterhin zum Amte Schlagsdorf vereinigt) und Schönberg; erst seit Errichtung der Landvogtei 1814 hat diese Trennung in der Verwaltung aufgehört, welche eine Trennung unter den Einwohnern herbeiführte. Nur in seiner Vogtei ist der Ratzeburger heimisch, und wenn die Vogtei- und Kirchspielsgrenzen zusammen fielen, so ist die Trennung so groß, daß eine Heirath zwischen diesen Getrennten zu den höchsten Seltenheiten gehört und die oder der Hereingekommene nie recht heimisch wird: „He is nich mit uns' Water döft“. Auch in der Kleidung findet, namentlich beim weiblichen Geschlechte, eine solche Abweichung in Einzelnheiten statt, daß man gar leicht die verschiedenen Vogteien und Kirchspiele herauskennen kann.

Die sehr kleidsame Nationaltracht der Männer, an welcher jedoch die Mode in neuerer Zeit einige Veränderungen im Schnitte hervorgebracht hat, besteht aus einer Weste, welche bis an die Hüften reicht; früher war sie länger und von eigengemachtem wollenen Zeuge oder zum Putz von blauem rothgeblümten Camelot, jetzt von andern Westenzeugen; aus einer Jacke von eigengemachtem halbwollenen Zeuge (Beierwand), fast immer braun gefärbt, mit einer Reihe Knöpfe; einer kurzen und engen schwarzen Hose aus Bratt, an den Knien mit ledernen Senkeln zugebunden (jetzt ziemlich von Pantalons verdrängt); aus weißen wollenen Strümpfen und Stiefeln, die bis über die Wade reichen, oder aus Schuhen mit Riemen, selten mit Schnallen. Um den Hals wird ein schwarzes oder buntes seidenes Tuch getragen, über dem die ausgenäheten Querder ein wenig herüber liegen; das Haar ist jetzt überall kurz verschnitten; früher trug man es länger, gescheitelt, hinter die Ohren gestrichen und durch einen Kamm von Messing gehalten. Der Hut hat einen runden niedrigen Kopf und einen mäßig großen Rand. Zur bequemern Tracht im Hause gehört eine meistens grüne Sammtmütze mit Pelz gefüttert und verbrämt und hölzerne Pantoffeln. Das sonntägliche Feierkleid, welches sich aber erst der Verheirathete zulegte, war ein schwarzer Rock mit rothem Flanelle gefüttert, ohne Kragen, mit ziemlich weiten Aermeln und großen Aufschlägen, mit Falten an der Seite und großen Taschenpatten. Er reichte bis an das Knie, war vorne gerade geschnitten und in seiner ganzen Länge mit Knopflöchern geziert, von denen nur die bis zur Hüfte offen waren; die Knöpfe waren übersponnen und groß. Der Rock hat aber jetzt eine gewöhnliche städtische Form erhalten und man steht den angegebenen nur noch bei alten Leuten, mit denen diese Form aufhören wird; die Pelzmützen sind meistens gegen Kappen von moderner Form vertauscht worden; auch wollen die altväterlichen Bauerhüte (Teulhoot) den modernistrenden Burschen nicht mehr gefallen, welche, wenigstens im Putz, nur Tuchjacken mit zwei Reihen Knöpfen tragen. Ein früherer Putz bestand in silbernen Knöpfen, welche aus den kleinen dänischen Vierschillingsstücken (Kopfvieren) gemacht wurden, an die eine „Oehse“ angelöthet ward; diese Knöpfe sind ganz verschwunden, eben so wie auch ungefärbte Jacken bei den Bauern nicht mehr gefunden werden. Bei schlechtem Wetter wird ein schwarzgefärbter linnener Kittel von Oberrocksform getragen.




7) Unter den Eigennamen mehrerer Bauern kommt 1285 vor: bonde Roland.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Bauer im Fürstenthume Ratzeburg