4. Ganze Waschung

Bei der ganzen Waschung des Körpers wird, nach vorgenommener obiger halben Waschung, das Nachthemd und die Unterhose weiter nach unten gegen die Unterschenkel gezogen, und nun der Bauch, die Lenden und die Geschlechtsteile auf obige Weise gewaschen, abgewischt, mit der flachen Hand wohl gerieben, getrocknet und dann noch bis zur Wiederkehr der natürlichen Wärme vermittelst der Bad-Bürste oder Flanell gerieben. Das Nachthemd wird nun zur Bedeckung der oberen Teile wieder angezogen; und nun können auf gleiche Weise die Schenkel, Knie, Unterschenkel und Füße gewaschen, abgewischt, getrocknet und gerieben werden.

Diese Art, den Körper zu waschen, ist in wenig Minuten vollbracht, und hat entschiedene Vorteile. Bei feuchter, nasskalter Luft, nach vorausgegangener Verkältung, ist es wohl sehr zuträglich, diese Waschung auch unter Tages oder Abends vorzunehmen, und dazu Weinessig pur oder zur Hälfte mit Wasser gemischt, nach Umständen kalt oder warm zu gebrauchen.


Die Waschungen des Körpers mit echtem, nicht mit Mineral-Säuren und scharfen Stoffen verfälschtem Weinessig, kühlen und erfrischen das Blut, sie mindern Wallungen, leiten solche ab, beruhigen die Nerven, und haben entschiedenen diätetischen Nutzen in gesunden und kranken Tagen, wenn sie zweckmäßig vorgenommen und die gewaschnen Teile gehörig getrocknet und frottiert werden.

Die Waschungen des ganzen Körpers können vermittelst eines großen Schwamms vorgenommen werden: am bequemsten geschieht dies aber durch den Gebrauch des Badebeckens, wovon ich beim Gebraucht des gewöhnlichen Reinigungsbades sprechen werde. —

Die tägliche Waschung des Körpers, halb oder ganz mit frischem laufendem kaltem Wasser, und das tägliche Trinken von 1 bis 3 Quart Wasser früh nüchtern, und 1 Quart vor Schlafengehen, kann ich aus 13jähriger eigenen täglichen Übung und durch die Beobachtung bei vielen meiner Bekannten als eine für die Gesundheit sehr wohltätige Sitte empfehlen, sowie die Waschung mit Weinessig für sich oder mit Wasser gemischt zu gewissen Zeiten und unter besondern Umständen.

Bei diesen kalten Waschungen sind aber folgende Regeln zu beobachten: dem Hyppocratischen Grundsatze getreu, gehe man von einer Gewohnheit zur andern nur allmählich über. Wer daher gewöhnt ist, laulicht oder mit zimmerwarmem Wasser sich zu waschen, wer von zarter empfindlicher Haut - Beschaffenheit, der gewöhne sich nur nach und nach an das gradeweis kältere Waschen. Im Allgemeinen wasche man nie kalt bei erhitztem, oder noch von der Bettwärme starker dünstendem Körper, nie unmittelbar nach Tisch, bei vollem Magen.

Die kalte Waschung gehe schnell vor sich, so wie die Trocknung, das Reiben und das Bekleiden des Fühlt man die behagliche Wärme auf der Haut nicht bald nach der Waschung zurückkehren; so wiederhole man die gelinde Reibung und Frottierung der gewaschenen Teile, vermittelst der flachen Hand, Flanelle oder der Fleisch-Bürste, man bewege sich im Zimmer, oder nehme einige Übungen mit den s. g. Handeln vor, um die naturgemäße Hauttätigkeit in Bälde wieder herzustellen, was nach jeder Waschung wohl zu beachten ist. —

Die tägliche Waschung des Körpers mit kaltem Wasser oder Weinessig und Wasser härtet solchen ab, stärket das Hautsystem, und bewahrt vor dem öfteren Eintreten von Schnupfen und Katarrh beim Witterungs- Wechsel. Fühlt man sich jedoch von Schnupfen und Katarrh in der Tat schon befallen; so stehe man von der kalten Waschung ab, wasche die Teile mit laulichtem Essigwasser, trockne und reibe die Teile sehr wohl ab; oder noch besser, man wasche den Körper gar nicht, außer man hat gerade Zeit und Gelegenheit, nach der lauwarmen Essigwaschung sich unmittelbar ins Bett zu legen und eine gelinde Dünstung oder Schweiß abzuwarten, wobei eine oder zwei Tassen Holler- oder Lindenblütentee gute Dienste leisten.

Verschwindet der Schnupfen, der Katarrh auf den erfolgten Schweiß; so setze man des andern Tages mit der Waschung des Kopfes, laulicht oder zimmerwarm fort, und beginne die Waschungen des Körpers erst nach einigen Tagen. Fließt der Schnupfen, die Nase stark, bestehet der Katarrh ungeachtet des erfolgten Schweißes, so setze man mit den kalten Waschungen aus, und pflege den Katarrh durch Warmhalten, durch viel laulichtes verdünnendes Getränke, und durch Enthaltung von nahrhaften Speisen.

Durch strenge Enthaltung von jeder nahrhaften Speise und durch vieles Getränke, durch die Tisane de veau, kuriert der Franzose und Italiener einen Katarrh in 4 bis 8 Tagen, woran wir Deutsche vier Wochen laborieren.

Die Waschungen des Körpers mit verdünnten Mineralsäuren, reinem Wein- oder Obstessig wirken bei Wallungen und Erhitzung des Blutes, selbst in hitzigen Krankheiten äußerst vortheilhaft. In den Teuerungsjahren 1816, 1817und 1818 ließ ich bei dem vielfältigen Eintritte von gastrischen und Nervenfiebern in meiner ausgebreiteten Armenpraxis in sehr vielen Fällen diese Weinessigwaschungen des Tages 3 bis 6mal wiederholen, und ich schreibe diesen so wohl tuenden und heilsamen Waschungen bei einer die Lebenskräfte schonenden und erhaltenden Heilmethode größtenteils den günstigen Erfolg und die Heilung bei den damals behandelten vielen Nervenfieberkranken zu.

Aus eigener Übung und Beobachtung kann ich diese Essigwaschungen, warm oder kalt, empfehlen; in Fällen plötzlicher Erkaltung, bei feuchter neblichter Luft, bei jenem Gefühle von Wärme, Hitze auf der Haut und Unruhe, die während oder nach schlaflosen Nächten sich einstellen: an warmen schwülen Sommertagen, bei Süd- und warmen Süd-West-Winden, bei schwerer Gewitter-Luft; in welchen Fällen der Körper und die Nerven durch solche Waschungen eigentümlich erfrischt und belebt werden.

Aus vielseitiger, erfolgreicher Beobachtung empfehle ich die Waschung mit kaltem und warmem ächten Weinessig, rein für sich, oder mit Wasser vermischt, bei vielen krankhaften Zufällen der Kinder, insbesondre bei jener trockenen, hitzigen Unruhe und dem s. g. Jammer, während des Zahn-Geschäftes, bei wirklichen Fraisen und Konvulsionen derselben.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Bade- und Brunnenarzt