1. Wirkung des Waschens

Die Wirkung des Waschens des Körpers ist verschieden, je nach der Beschaffenheit der Flüssigkeit, womit die Haut gewaschen wird und nach der Art der Waschung selbst.

Gewöhnlich wird der Körper mit Wasser, Quell- oder Flusswasser, seltner mit Weinessig, Wein, Branntwein, Ölen und Fetten, und diese Wasser mit Seife gemischt, kalt oder warm gewaschen. Die unmittelbare Wirkung des Waschens mit kaltem Quell-Wasser oder mit kaltem oder lauem Seifen-Wasser ist Reinigung der Haut von dem sie bedeckenden Staube, Fette, Schmutze, die Belebung der Gefäßtätigkeit in derselben, Vermehrung der Einsaugung wässriger Stoffe, und zugleich Vermehrung der Absonderung und der Ausscheidung in derselben.


Diese Wirkung ist verschieden, je nachdem man ganz kalte, laue oder warme Flüssigkeit hiezu anwendet; je nachdem man kurze oder längere Zeit wäscht. Das Waschen mit kaltem Wasser zu 5 — 12° R. bringt das Gefühl der Kälte, und eine eigentümliche, elektrische Erschütterung, mehr oder weniger hervor, wobei die natürliche Wärme auf der Haut augenblicklich gemindert wird, die Haut etwas ablässt, und die sonst sichtbaren Gefäße mehr verschwinden. Durch diese eigentümliche plötzliche Einwirkung der Kälte wird die erhöhte Wärme und Reizbarkeit der Haut herabgestimmt, die Nerven beruhigt, die erschlafften Fasern in der Haut und in den unterliegenden Gebilden gestärkt, und zu größerer Tätigkeit und Zusammenziehung angeregt, der Umlauf der Säfte befördert, und bei öfterer oder täglicher Übung das empfindliche Hautorgan für die Einflüsse der Atmosphäre und Witterung weniger empfindlich gemacht und gestärkt.

Die Wirkung des Waschens mit lauen oder warmen Wasser ist außer der Reinigung der Haut erweichend und auflösend, den Umlauf der Säfte befördernd, die Einsaugung vermehrend, die gereizten Fasern und Gefäße erschlaffend.

Die Wirkung des Waschens mit kaltem reinem Wein- oder Obstessig besteht, außer der bei der Waschung mit kaltem Wasser angegebenen allgemeinen, noch in der besondern, dem Weinessig eigentümlichen chemischen Einwirkung, in Folge deren wir auf der, insbesondere sehr erwärmten und gereizten Haut nach der flüchtigen Waschung mit Weinessig eine eigentümliche Kühlung, wohltätige Beruhigung verspüren, welche Kühlung später in eine behagliche Erwärmung und milde Dünstung der Haut übergehet.

Die Wirkung des Wassers, mit warmem Weinessig vermischt, besteht außer jener der Waschung mit warmem Wasser, in einer gewissen Aufregung, Reinigung und Vermehrung der Hauttätigkeit. Bei der Waschung mit kaltem, so wie mit warmem Weinessig bemerkt man eine Vermehrung der Lebenstätigkeit in der Haut, eine stärkere Ausdünstung, in mehreren Fällen bei gehörigem Verhalten auch baldigen Eintritt von Schweiß.

Dass bei der Waschung mit Weinessig auch eine chemische Einwirkung auf die Säfte und das Blut und die Nerven statt findet, welche unter manchen Formen des Krankseins besonders wohltätig und heilsam ist, wird allgemein anerkannt.

Über die Wirkung der Waschung mit Seifenwasser, Ölen- Fetten, Kampferseife etc. kann ich aus eigner Übung und Beobachtung nichts anführen.

Die Wirkung des kalten und warmen Waschens mit Wasser oder Weinessig, diesen für sich oder mit Wasser gemischt, ist bedingungsweise verschieden, nach der eigentümlichen Hautbeschaffenheit und dem Gesundheitszustand des Waschenden, nach dem Grade der Wärme und Kälte und nach der Alt und Dauer der Waschung. —

Die Hautbeschaffenheit des Blonden ist sehr verschieden von jener des Braunen. Die weiße und zarte Haut des Blonden wird von der Kälte des Wassers, von dem Weinreize des Essigs, ungleich mehr angesprochen und eigentümlich gereizt, wie die dunklere und derbere Haut des Braunen. Die der Luft, dem Lichte und der Sonne oftmals ausgesetzte und abgehärtete Haut des Handarbeiters wird von der kalten und warmen Waschung mit Wasser oder Essig weniger angesprochen, wie die vor jenen Einflüssen sorgfältig verwahrte, stets wohl bekleidete empfindlichere Haut des Städters.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Bade- und Brunnenarzt
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