Feuer-Spritzenleute.

Feuersbrünste gehören in großen amerikanischen Städten ganz zur Tagesordnung. Schon in Baltimore sind sie sehr häufig, in Newyork um vieles mehr, und in Philadelphia vergeht selten ein Tag, wo es nicht eine oder mehrere giebt; und hier war es wo ich die meiste Gelegenheit gehabt habe, die amerikanischen Löschanstalten zu beobachten.

Wenn die Sturmglocke ertönt, deren Takt und Zahl der Schläge andeutet, in welchem Stadtviertel das Feuer wüthet, so eilen sogleich die Spritzenleute in ihren wasserdichten Uniformen, die in langen Oberröcken von wachstuchartigem Stoffe, mit großen gelben Kragen und einem großen Hut von demselben Stoffe bestehen, nach dem Spritzenhause, und kaum sind einige Minuten verflossen, so ist auch schon eine hinreichende Zahl vorhanden, um die Spritze sowohl, als auch den Karren, auf dem der große Schlauch und Wasserzubringer befindlich ist, aus dem Spritzenhause zu ziehen. Die an den Spritzen und Schlauchkarren befindlichen Glocken werden dabei so heftig gezogen, und die Sprachröhre, von welchen jeder Spritzenmann ein kurzes metallenes in Händen hält, brüllen so laut, daß bald eine hinreichende Anzahl munterer Knaben vorhanden ist, die die Spritze und den Schlauchkarren langsam vorwärts ziehen können. Fast mit jedem Schritte wächst die Zahl derselben– bis auf Hundert und mehrere – die sich vorspannen und nun im raschesten Trabe, den die jungen Beine nur laufen können, nach der Feuerstätte eilen. Das Ziehen der Spritzen ist ganz den Knaben überlassen, die Spritzenleute laufen als Commandeurs nebenher. Der Lärm, den das Rollen der Räder über das Steinpflaster, das Gebrüll der Sprachröhre, das Geläute der hellen großen Glocken machen, ist so schrecklich und ohrzerreißend, daß er mehr dem einer Artillerie-Brigade gleicht, die zur Schlacht eilt. Zur Feuerstätte gelangt, gleicht nun nichts dem Eifer, der Thätigkeit, der Gewandtheit und dem Muthe dieser wackern Spritzenleute, noch der Kraft und der Schönheit der ihnen zu Gebote stehenden Löschmaschinen, welche, immer mit reicher Nahrung versehen, durch eine ungeheuere, überall hin sich verbreitende Wassermasse kräftig wirken. Auf dem höchsten Giebel des brennenden Schindeldaches (in Amerika giebt es fast überall, und selbst auf Kirchen und Pallästen, blos Schindeldächer) reiten die muthigen Jünglinge, entweder den Spritzenschlauch in der Hand, oder mit scharfen Werkzeugen versehen, um der gefräßigen Flamme durch Wegräumen des Gebälkes und der Schindeln die leicht zu ergreifende Nahrung zu entziehen. Zu gleicher Zeit werfen die zahlreichen Spritzen fortwährend mannsdicke Wassersäulen in die Flammen, so daß in Philadelphia sehr selten ein ganzes Haus abbrennt, und einem Wunder gleich ist es, wenn einmal mehrere eingeäschert würden.


An die tägliche Wiederholung dieses Schauspiels in Philadelphia wurde ich, der deutsche Kleinstädter, endlich so gewöhnt, daß ich bei Nacht nicht mehr aufstand, wenn auch der Schein der nahen Flamme zu meinem Fenster hereinschlug, und am Tage mir nicht mehr die Mühe nahm, eine etwa angefangene Arbeit zu verlassen, um das Getümmel mit anzusehen.

Die Zahl der Feuersbrünste in Philadelphia, welche die der größten europäischen Städte, z.B. Paris, wohl um das Sechsfache übersteigt, gründet sich auf die fehlerhafte Bauart, auf Fahrlässigkeit, vorzüglich aber auf den Speculationsgeist der Amerikaner, welche ihre Häuser und Waarenlager hoch versichern, nicht selten in mehreren Assecuranzen. Der religiöse Amerikaner sogar macht sich kein Gewissen daraus, den Feuerbrand mit eigener Hand in sein Haus und in sein Waarenlager zu werfen, wenn er nur dabei auf sichern Gewinn rechnen kann. Er thut auch schwerlich dadurch seinem Nachbar Schaden, bringt nur die Assecuranz-Compagnie um ein Sümmchen, wozu er aber auch schon selbst reichlich beigesteuert, macht dabei den Straßenjungen und den Feuerleuten ein Freudenfest, Niemand von seinen Mitbürgern einen Schrecken! Warum, so denkt der Amerikaner, sollte ich mich nicht eines so unschuldigen Mittels bedienen, mich zu bereichern, mir wieder aufzuhelfen!

Ich muß übrigens zur Ehrenrettung der Amerikaner noch hinzufügen, daß in den kleinern Städten, wo die Mittel zur Rettung bei Feuersgefahren weit unbedeutender, die Feuersbrünste eben so selten als in europäischen Städten von gleicher Größe sind. In Freedrichsstadt (Frederickstown) in Maryland habe ich während eines zweimonatlichen Aufenthalts nicht ein einziges Feuer erlebt; und dortige Einwohner erinnerten sich höchstens eines brennenden Schornsteins.

In Philadelphia hat jedes Spritzenhaus eine Anzahl junger Leute, die sich freiwillig zum Dienste bei den Spritzen gemeldet haben, und dafür Befreiung von dem Milizdienste genießen. Jede Spritze, die zuerst auf dem Feuerplatze erscheint, erhält eine ansehnliche Belohnung, die in die Casse des Spritzenhauses, zu der sie gehört, gethan, und von Zeit zu Zeit zu Banqueten verwendet wird. Jeder Spritzenmann, der etwa bei Ausübung seines Dienstes verunglückt, wird frei und sorgfältig verpflegt, und sollte er darüber sterben, so wird für seine Familie, wenn er eine hätte die es bedarf, reichlich gesorgt.

Diejenigen, die bei Feuersbrünsten irgend eine rühmwürdige That zur Rettung von Menschenleben oder Eigenthum gethan haben, werden öffentlich belobt, und dieses alles erregt einen feurigen Wetteifer unter denen, die sich diesem Geschäft gewidmet haben. Sonntags machen sie sich häufig den Spaß, ihre Spritzen in Procession durch die Straßen zu ziehen;*) die abgesonderten rivalisirenden Compagnien gerathen dabei nicht selten in einen heftigen, oft in Gefechte ausartenden blutigen Streit. Es fiel während meines Aufenthaltes in Philadelphia bei einem solchen, zu einer Balgerei ausartenden Streite vor, daß ein Spritzenmann einem andern der feindlich gegenüber stehenden Parthei mit einem Ziegelsteine die Hirnschale zerschmetterte, so daß derselbe todt auf dem Platze blieb, ohne daß der Thäter bestraft, oder nur genauere Nachforschung deshalb angestellt worden wäre.



*) Dies, oder wenn ein Feuer entstehen sollte, sind in Amerika die einzigen Fälle, wo des Sonntags etwas Lärm gemacht werden darf, denn an öffentliche Vergnügungen, wie dieselben bei unsern sonntägigen Volksversammlungen stattfinden, ist in Amerika nicht zu denken.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 2