Abschnitt. 5

Am andern Morgen hatte er eine große, lang entbehrte Freude. Die Strahlen der aufgehenden Sonne, die er bis jetzt nur wie ein Nebelbild durch die hohen Bäume hatte schimmern sehen, vergoldeten zum erstenmale seine Wohnung. Die immerwährende tiefe Dämmerung, in der er bisher gelebt, war gebrochen und ein frisches freies Lüftchen säuselte über die Halmen der den Boden bedeckenden Gräser. Das Erfreuliche dieser Bemerkung, die immer zunehmende Freundlichkeit der ganzen Umgebung, die Hülfe des Indiers, der alltäglich die gefällten Bäume auf einen Haufen zusammenwarf, verbunden mit besserer Kost, denn es gab nun auch täglich Fleischspeisen und sogar Cider, spornten David zu immer größerm Fleiße an. Dabei zerflossen ihm alle bösen Gedanken wie Reif vor der Sonne, und den Vorwürfen seines Gewissens nachzuhängen, hatte er keine Zeit mehr, nur die Hoffnung besserer Tage erfüllte seine Seele.

So kamen bald die Tage heran, wo kalte Nächte die Zeit verkündeten, vor der ihm lange gegraut hatte; der Winter fing an durch den weißen Reif, mit dem er Morgens den nun baumlosen Boden überzog, und durch die Schonungslosigkeit, mit der er die Häupter der Bäume ihres Blätterschmuckes beraubte, sich sein eisiges Quartier vorzubereiten. Die Tage waren zwar immer noch schön und lieblich, und der indische Sommer schien mit Vorliebe auf dem freien Plätzchen, das David dem Walde abgestritten hatte, zu weilen, aber doch konnte er den Gedanken an den herannahenden Feind nicht unterdrücken. In dieser Stimmung trat er eines Tages; nach schwerer, aber gern gethaner Arbeit, in seine Hütte; aber welche Freude, als er seinen Strohhaufen verschwunden und an dessen Stelle eine schöne Matratze mit Kopfkissen fand, über die eine starke wollene Decke gebreitet war. Den Frost, den er vorige Nacht auf seinem Strohlager, bedeckt mit einigen alten Kleidern, überstanden, hatte er nun nicht mehr zu befürchten, der Winter mochte kommen wie er wollte.


Als nicht lange darauf die Kälte immer strenger und ernster wurde, kam eines Morgens sein indischer Aufseher zur gewöhnlichen Zeit mit einem Haufen verschiedenen Arbeitszeugs, zu Drechsler-, Tischler- und Zimmermannsarbeit, das er in einen Winkel der Wohnung warf und worauf er David blos mit dem Finger deutete. Dann ging er nach dem Hintergrund des Häuschens, ergriff sämmtliche Balken der Rückenwand und riß sie aus ihren Fugen wie leichte Rohrstäbe. Wie groß war Davids Freude, als er hinter dieser Wand hervor ein schönes Kamin erscheinen sah. Der Indier nahm die Balken, die er herausgerissen, brach sie mit der Hand entzwei und legte das Holz, schichtweis im Kamine nieder. Er hauchte in die Schicht und siehe, eine Flamme schlug empor und erfüllte bald das Zimmer mit einer erquickenden Wärme. Dies geschehen, trat er zur Thür hinaus in die schon ziemlich kalte Morgenluft, winkte David nach, suchte aus dem schon thurmhoch aufgeschichteten Haufen abgeschlagener Bäume und Strauchwerks einige schöne glatte Stämme zu Nutzholz heraus, deutete sie David an und zeigend auf das mitgebrachte Werkzeug, ließ er David errathen, worauf es eigentlich abgesehen war. Da aber eine empfindliche Kälte diesen Morgen herrschte und der Schnee in dicken Flocken herabzustürzen anfing, beeilte er sich, einen der schönsten ihm ausgelegten Stämme auszusuchen und ihn mit seiner Säge in Stücken zu theilen, um daraus etwas bereiten zu können. Dann trug er das Gefertigte in das erweiterte Haus und fing an ein ihm sehr nöthiges Stück, eine Bettstelle daraus zu zimmern. Diese Arbeit wollte zwar anfangs nicht recht von statten gehen, bald aber fühlte er auch hier eine größere Geschicklichkeit, und nach einiger Zeit stand eine recht nette Bettstelle in der einen Ecke seines Zimmers. Nun konnte er sein schönes Bett von der Erde aufnehmen und hatte auf diese Weise einen bequemern Schlafplatz gewonnen.

Indeß war das Wetter immer strenger und strenger geworden; ein hoher Schnee hatte den Boden bedeckt, der jetzt geklärt und baumlos in ziemlicher Strecke vor ihm lag, so daß David nun ganz auf das Innere seines Hauses beschränkt war. Bereits zur Thätigkeit gewöhnt, fing er jetzt an, Versuche zu machen, sich bessere Tische und Stühle und anderes Wirthschaftsgeräthe zu fertigen. Und es gelang ihm bald; seine bisher so elende Hütte bekam ein angenehmes und comfortables Ansehen. Zugleich schien sein unsichtbarer Versorger sehr zufrieden mit diesen Arbeiten. Alle die Dinge, die zum physischen Wohlseyn des Lebens gehören, gute Nahrung, Kleidung, Wäsche etc. wurden immer auf eine ihm unsichtbare, unbegreifliche Weise herbeigeschafft. In seiner an der Decke herabhängenden Lampe, die immer hell brannte, versiegte das Oel nie.

Einst hatte er eine große Freude, die dem bisher so wilden Krieger kaum zuzutrauen war. Er hatte sich nämlich den Tag über mit so manchen schweren Arbeiten beschäftigt, daß Abends beim Kamine und müde der Körperanstrengung, aber noch nicht zum Schlafen geneigt, sehnte er sich nach irgend einem geistigen Genuß. Da war es, als ob etwas auf dem Tische knisterte, der ihm im Rücken stand. Er sah sich um und siehe, da lag auf einmal ein großes, schön eingebundenes Buch darauf. Er schlug es auf, es war eine Bibel mit herrlichen Bildern verziert. So wenig er nun auch in seinem Kriegsleben irgend eine Sehnsucht nach diesem heiligen Buche gezeigt hatte, so eine große Freude machte ihm dieser unerwartete Fund. Er las darin und schöpfte Trost und Freudigkeit, wenn er Stellen fand, wo geschrieben steht: „Die Güte des Herrn ists, daß wir nicht gar aus sind und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu und seine Treue ist groß.“ Oder: „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes; und ob sie sein vergäße, so will ich doch dein nimmermehr vergessen, spricht der Herr.“ Ihre heiligen, so lange Jahre ungehörten und nicht in sein Herz gekommenen Lehren erhoben dasselbe, erfüllten es mit bessern Gedanken und machten es allmählig bereit zur Wiederaufnahme des guten Geistes, den die Greuel des Kriegslebens, in denen er von früher Jugend gelebt, längst daraus vertrieben hatten.

So ging der Winter zwar einsam, aber unter nützlichen Beschäftigungen hin, und als der Schnee wegschmolz, lauere Lüftchen wehten, ein warmer Regen herabströmte und schnell aus den Baumzweigen, die bis jetzt von Schnee und Eis gebogen waren, Blätter und Blüthen hervorschossen, war David schon ein ganz anderer, ein umgewandelter Mensch geworden.

Da trat eines Morgens der Indier, der ihn den Winter über nur sehr selten besucht hatte, zu ihm hinein und brachte abermals eine Menge Werkzeuge, die der Gärtner braucht: Spaten, Schaufel, Hacke, Baumsäge, Rechen, Scharre, Stichel etc. und deutete ihm an, das Land rings um die Hütte herum aufzustechen und aufzuwerfen, um sich einen Garten zu bereiten. Ein angenehmerer Auftrag konnte wohl nicht für David kommen. Schnell machte er sich darüber, grub rasch eine große Strecke, ordnete das Umgeworfene schön in Beete, in der Mitte derselben, mit Hülfe der straffgezogenen Schnur, einen breiten Weg hindurch führend. Nach einigen Tagen war ein schöner großer Raum vor der Hütte vorbereitet. Sein indischer Aufseher kam und brachte ihm große Bündel mit allerhand Pflanzen zu Küchengewächsen: Kraut, Kohl, Blumenkohl, der duftende Sellery fehlte nicht, eine Menge Sämereien, unter andern Kürbis, Melonen, Möhren, Bohnen, Erbsen, und anderer Saame war dabei; David eilte, auf das Innere der abgetheilten Beete alles dieses zierlich anzubringen und bald stand recht schön und freundlich der Platz vor dem Hause. – Dieses vollbracht, kam in früher Morgenstunde des nächsten Tages neue Arbeit und neue Freude. Der Indier brachte ein Bündel junger Bäume und Strauchwerk herbei. Jedes Stämmchen hatte den Namen seiner Fruchtart auf blechernem Täfelchen bezeichnet. Er bemerkte ihm dies und überließ es ihm, sie zu pflanzen und über die Beete zu vertheilen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 2