Ein Kirchgang auf dem Lande.

Die protestantische Kirche, zu der die lutherischen, reformirten und presbyterianischen Christen meiner Nachbarschaft gehörten, war etwa nur 1 ½ Wegstunde von dem von mir bewohnten Blockhause entfernt; aber ich konnte nur einmal die Gelegenheit benutzen, dem Gottesdienste beizuwohnen, da mich späterhin stets mein Fußübel davon abhielt. Sie war ein mittelgroßes Breterhaus, dessen Inneres zwar durch Altar und Stühle das Ansehen einer Kirche gewann, das aber weder Orgel, noch Glocken, noch Thurm hatte. Ich war zeitig dahin gegangen, um wo möglich, als einer der ersten, die ganze Gemeinde ankommen zu sehen, und ich traf auch zur Zeit ein, wo noch weder ein anderer Kirchgänger, noch der Prediger oder Küster auf dem Platze waren. Bald jedoch kamen einzelne Gentlemen zu Pferde an, die ihre Rosse an die umherstehenden Bäume des Kirchhofes banden, und ihnen folgten bald ganze Schaaren Herren und Damen in bunten Haufen, von Negern begleitet. Es ist ein angenehmer und erfreulicher Anblick, jene schönen, schlanken Amerikanerinnen in knapp anliegenden Reitkleidern und schönen Hüten mit wehenden Schleiern, in ihrer Grazie und Geschicklichkeit auf ihren Rennern zu sehen; und auch die mit seinen blauen Fracks und schneeweißen Pantalons und Westen bekleideten Herren verkümmern keinesweges die Augenweide, die dieser wohlaussehende Menschenhaufe darbietet. Sobald die Damen ankommen, werden sie von den bereits Versammelten artig, jedoch ohne Hauptentblößung*) begrüßt, springen gewandt und geschickt von ihren Pferden, übergeben diese den Bereitstehenden, sie in Verwahrung zu nehmen und eilen in die Kirche, wahrend die Gentlemen sich so lange vor der Thür auf dem freien Platze sonnen, bis ihnen der Küster den Anfang des Gottesdienstes andeutet.

In der Kirche nun herrscht, so lange der Gottesdienst währt, die heiligste Stille, bis der Prediger, ein langes und inbrünstiges Gebet erhebt, wobei sich Alles auf die Knie wirft. Dann ertönt der nicht allgemeine, sondern wie fast überall in amerikanischen Kirchen, blos von einem einstudirten Sängerchor ausgeführte Gesang, der hier, wie sonst überall, trefflich vorgetragen wird. – So einfach und schmucklos dieses Gotteshaus auch aussah, so gab die stille, ländliche Ruhe, in der es lag und die lieblichen, herzerhebenden Töne, die es erfüllten, doch dem Ganzen den Eindruck einer Erhabenheit; und tief in sein Herz drang die schöne Rede, die der Prediger mit Salbung und Würde sprach. Ich kann sagen, ich habe lange nicht so viel Trost, Ruhe und Freudigkeit in mir gefühlt, als in diesem einfachen Gotteshause.


Gegen Mittag war der Gottesdienst beschlossen, – Alles eilte zu seinen Pferden, ich war der einzige Fußgänger – die ganze etwa 400 Köpfe starke Versammlung vertheilte sich in bunte Haufen auf die Wege, und verlor sich in die Waldungen, wo dann die entfernt wohnenden gewöhnlich das Mittagsmahl bei ihren nähern Freunden einnehmen. Lärm und Geräusch wird auch hier, wie überall in Amerika, am Sonntage sorgfältig vermieden.



*) Niemand, außer die Schwarzen, erniedrigen sich zur Hutabnahme. Selbst in anständigen Zimmern findet man keine bedeutende Unschicklichkeit darin, indem der Eintretende seinen Hut auf dem Kopfe behält, und nimmt er ihn ab, so ist dies mehr aus Bequemlichkeit als Höflichkeit.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 2