Pistolen und Entschädigung.

Die ersten Wochen des Kindbettes sind überstanden, die junge Frau befindet sich sehr wohl, wird aber immer noch durch die Besorgniß ihrer Schwiegermutter in dem Zimmer fest gehalten. Da treten einmal Vater und Sohn ganz unerwartet zu ihr herein, und so wenig auch beide eine drohende Bewegung verrathen, so freundlich auch ihre Gesichter sind, so muß es dem Weibchen doch auffallen, daß jeder in der herabhängenden Hand eine Pistole trägt. Der Vater tritt ihr näher und spricht: Mein liebes Kind, du bist jetzt Mutter und du weißt es, nicht durch diesen, meinen Sohn. Wir lieben dich alle, wir sind weit entfernt, dich deshalb von uns verstoßen zu wollen, aber wir verlangen zu wissen, wer der wirkliche Vater deines Kindes ist. Das ist alles, was wir jetzt von dir fordern, und im Fall der Noth selbst mit Gewalt von dir erforschen wollen.

Mochten nun die Pistolen einige Furcht eingeflößt, mochte die Güte, Liebe und Schonung der Familie, vielleicht auch die wirklich erwachte Liebe zu ihrem Gatten, das Herz des jungen Weibes erweicht haben, genug sie zögerte keinen Augenblick, das geforderte Geständniß abzulegen.


Kaum aber ist es beendigt, als sich die Thür öffnet, und herein treten die im Nebenzimmer versammelt gewesenen Personen, bestehend aus dem Squire (Friedensrichter), dem Geistlichen, und 5 oder 6 Nachbarn. Es wird ihr angedeutet, daß sämmtliche den Namen ihres Verführers wohl verstanden haben, und sie wird freundlichst ersucht, denselben noch einmal zu wiederholen, was sie auch ohne Widerrede thut. Ein Protokoll, das sie selbst und alle Gegenwärtige unterschreiben, wird sofort darüber aufgenommen, nachher zur Taufhandlung geschritten, das Kind empfängt des genannten Vaters Namen, und der Ueberrest des Tages wird nun schmaußend und bei der Flasche verbracht.

Tags darauf gehen Vater und Sohn zu dem reichen Kaufherrn in der Stadt, benachrichtigen ihn von der gemachten Entdeckung, und fordern als Entschädigung für ihre gekränkte Ehre und zur Erziehung und Versorgung des Kindes eine Summe von mehrern Tausend Dollars. Der Herr glaubt jedoch mit dem schon bezahlten Eintausend alles abgemacht zu haben, und gebraucht, als jene mit dieser Meinung nicht übereinstimmen, das amerikanische Hausrecht, d.h., er wirft sie zur Thür hinaus.

Dadurch wohl erbittert, aber keinesweges abgeschreckt, begeben sie sich nunmehr zu einem der besten Lawyers (Advokaten) der City. Dieser, nach Durchlesung des Protocolls und nach Anhörung der Sache, schlägt fröhlich die Hände zusammen, nimmt den Prozeß an, ohne den üblichen Vorschuß zu fordern, verspricht den besten Erfolg, und bei der nächsten Court-Sitzung ist er schon anhängig gemacht. Er nimmt gleich anfänglich einen Gang, der keinesweges den Erwartungen des Verklagten entsprechend ist. Er wird gewarnt, und erklärt sich bereit, die erste Forderung zu bewilligen. Aber dies wird nun schon nicht mehr angenommen. Er bietet nun 5, er bietet 6000 Dollars, doch auch diese vergebens. Indeß geht der Prozeß seinen Gang fort, und die in Amerika so hohen Kosten schwellen immer mehr; und immer bedenklicher wird die Sache. Es wird von Ehebruch und dessen strenger Strafe gemurmelt, und alle Freunde des Verklagten rathen ihm einen möglichst baldigen Vergleich an. Dieser kommt nun endlich, doch mit 11.000 Dollars, und der alleinigen Tragung der Gerichtskosten auf Seite des Verklagten, zu Stande. Die Herren Lawyers, die der Verklagte ebenfalls bezahlen muß, mögen auch eine treffliche Erndte gehalten haben.

Von dieser Geschichte habe ich nachträglich noch so viel gehört: Das junge Paar lebte von nun an wie ein Leib und eine Seele. Da jedoch die junge Frau sich von den Frauen ihrer Nachbarschaft nicht recht geachtet sah, so verließen sie beide bald nach Ausgang des Rechtshandels Pensylvanien, und begaben sich nach dem Ohio, wo sie für ihr schönes Geld eine trefflich gelegene Farm ankauften. Das auf diese Weise entsprungene Kind blieb bei weitem nicht das Einzige; soll jedoch nie gefühlt haben, daß es einen Stiefvater gehabt, vielmehr als ein Heil- und Glücksbringer betrachtet und behandelt worden seyn.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 2