Ihre Reize und Tugend. 2
Ich spazierte einmal über die noch wenig angebaute West-Street in Kensington bei Philadelphia hinter einem Deutschen her, der Spuren ziemlicher Trunkenheit zeigte. Vor ihm ging, ein junges hübsches Mädchen. Der Halbtrunkene eilte ihr nach, und sprach mehrere verliebte Worte in deutscher Sprache zu ihr, worauf sich das Mädchen umsah, und, da sie einen ganz Fremden erblickte, dessen Sprache sie nicht einmal verstand, ein ziemlich böses verachtendes Gesicht machte. Der Verliebte mochte wohl die hübschen Züge desselben, aber nicht das was im Innern verborgen lag, bemerken, und ergriff sie beim Arme. Aber da riß sich das Mädchen rasch los; und setzte dem Zudringlichen ohne Zögerung eine solche Ohrfeige in das Faunengesicht, daß dieses blutroth verfärbt wurde. Diese nicht unverdiente Züchtigung schlug die verliebten Triebe des guten Duchman (Deutschen, ein Spottname) sofort nieder und machte ihn so vernünftig, daß er das Mädchen nicht allein ohne Weiteres fahren ließ, sondern auch das Händeklatschen und Auszischen der sogleich versammelten Jungen geduldig ertrug. Er that sehr wohl daran, denn er rettete dadurch seinen gesunden Rücken und seine Freiheit.
Ein andrer Vorfall, den ich ebenfalls in Kensington erlebte, gab mir den zweiten Beweis vom amerikanischen Weiberregimente. Er trug sich auf der Queen Street (Königinstraße, der Hauptstraße in Kensington) zu. 4 oder 5 Männer, welche vor mir hergingen, blieben vor einem hölzernen Häuschen auf einmal stehen; einer von ihnen ging durch die offne, auf die Straße führende Thür des Wohnzimmers*) hastig hinein.
Im Vorbeigehen sah ich diesen Mann im heftigen Gespräche mit einem alten Weibe, das eine tönerne Tabackspfeife im Munde hielt.**) Ich war nicht sehr weit entfernt, als sich ein heftiger Zank erhob, wobei der Mann mit tiefer Stentorstimme brüllte, die Frau hingegen im höhern Ton gewaltig und weittönend kreischte. Die Vorübergehenden blieben stehen, und auch mich trieb die Neugierde zurück; da sah ich wie die Frau ihre Pfeife aus dem Munde riß und sie wüthend dem Manne ins Gesicht schleuderte. Dieser entweder dadurch verblüfft, oder im Gefühl seines Rechtes, blieb stehen. Da eilte sie nach einem im Winkel befindlichen Besen, und schlug mit dem starken hölzernen Stiel desselben so heftig auf den Bestürzten, daß er endlich doch für besser hielt, auf den Rückzug zu denken. Er führte diesen nun wohl aus, jedoch nicht unverfolgt, und erst nachdem er aus dem Bereich des Hauses hinweg war, ließ die Alte mit ihrem Besenstiel von ihm los, und gab ihm Zeit, sich den Tabacksschmergel und die Asche aus dem Gesicht zu wischen und seinen erbärmlich zerquetschten Hut wieder in Ordnung zu bringen. Dies alles geschah unter Gelächter seiner ganz theilnahmlos gebliebenen Gefährten und unter Gezisch und Händeklatschen der zusammengelaufenen Menschenmenge.
Noch abweichender von den europäischen Sitten ist es, wenn zwei Amazonen handgreiflich mit einander werden, und dieß fällt nicht selten, aber freilich nur unter den niedrigsten Classen vor. Da entsteht ein langes heftiges und nicht selten blutiges Gefecht; da wird nicht blos geschlagen, da wird auch gekratzt, und die Kleider werden vom Leibe gerissen; alles zwar wie in Europa, aber so groß auch die Zahl der Zuschauer seyn mag, die sich um eine solche Scene versammeln, so bleiben doch alle theilnahmlos, ja sogar ernsthaft, und es mischt sich selten Jemand darein, als der etwa hinzukommende zärtliche Gatte der Unterliegenden, der jedoch dann, um seine theure Gattin zu retten, großmüthig und ohne Widerstand die dieser etwa noch bestimmte Prügelsuppe verschlucken muß. – Ich habe mehrern solchen Schlachten mit dem nöthigen Ernst und der gesetzlichen Theilnahmlosigkeit beigewohnt, die zwischen Negerinnen, oder alten weißen Weibern, oder auch zwischen Freudenmädchen mit gehöriger Tapferkeit gefochten wurden; doch meine Feder darf sich nicht erniedrigen, von diesen Ausbünden viel zu sagen. Aber ein Schlachtgemälde aus den vornehmern Ständen erlaube ich mir doch zu geben. Es erhob sich auf der Second Street (zweiten Straße, einer der beliebtesten in Philadelphia) ganz in meiner Nähe zwischen zwei schön gekleideten Lady's – eine davon war vielleicht die Gattin irgend eines Nachtwächters oder eines Kaufmanns, eines Maurergesellen oder eines Geistlichem, eines Schuhflickers oder eines Advokaten, kurz sie war eine feingekleidete alte Lady, und die andere, ein Körbchen tragend, war wahrscheinlich ihr Dienstmädchen – ein heftiger Streit, der anfänglich jedoch nur von der ältern Dame durch schreiende Reden und Gestikulationen geführt wurde, wobei das junge Mädchen, obgleich ihm erstere nicht wenig mit den Fäusten unter dem Gesicht herumfuhr, sich lange in den Grenzen bescheidener Vertheidigung erhielt. Da jedoch dem sanft und gut aussehenden Mädchen immer heftiger, und sogar mit Schimpfreden zugesetzt wurde, so wurde es endlich doch etwas heftiger im Widersprechen, und brachte dadurch die wüthende Frau so auf, daß sie ihm einen heftigen Schlag auf die Backe gab. Es war wirklich interessant das bisher noch immer ziemlich sanft gebliebene Gesicht des Mädchens, wie auf einen Zauberschlag sich in das einer Furie verwandeln zu sehen. Es ergriff sogleich die Dame, warf sie gegen einen vor einer Storenthür – Ladenthür – stehenden, und mit neuen Hüten bedeckten Tisch, daß dieser umstürzte und die Hüte umherkollerten, und fing an mit beiden Fäusten dergestalt auf ihr herumzutrommeln, daß ihr Hören und Sehen vergehen mußte. Niemand von der sogleich zusammengelaufenen Menschenmenge mischte sich hinein, und der herbeigekommene Storkeeper – Herr des Kaufladens – suchte, ganz theilnahmlos an der vor seiner Thür sich ereignenden Begebenheit, ruhig seine Hüte zusammen. Das Mädchen trommelte so lange fort, bis es ermüdet war, und ließ erst dann die Geschlagene los. Diese raffte sich nun eilig auf, brachte möglichst schnell ihre Kleider in Ordnung und machte sich eiligst die Straße aufwärts aus dem Staube. Das Mädchen ließ den hingefallenen, mit seiner Wäsche angefüllten, Korb liegen und ging die Straße abwärts.
Die amerikanischen Freudenmädchen geringerer Classe, geben den europäischen an Frechheit und Zudringlichkeit nicht allein gar nichts nach, im Gegentheil sie übertreffen dieselben noch. Einer meiner Bekannten, ein Candidat der Theologie, aus der Gegend von Chemnitz gebürtig, Namens B***, der genöthigt war sich dort mit Handarbeiten zu beschäftigen, geht eines Tages in Geschäften vor einem der auf der Wild Street – in der Point von Baltimore – häufig sich befindlichen liederlichen Häuser, die vorzüglich für Matrosen und für andere gemeine Wollüstlinge niedrer Classe bestimmt sind, vorbei und wird von einer an der Thüre stehenden ganz unschönen Nymphe angehalten, geküßt und aufgefordert, mit in ihre Höhle hineinzukriechen. Der keusche Candidat macht sich ziemlich ungestüm los, und entkommt unter dem Gelächter mehrer gegenwärtigen Gefährtinnen der Liebenswürdigen. Er begeht jedoch andern Tages den Fehler, vor demselben Hause wieder vorbeizugehen. Die Nymphe bemerkt ihn schon von Weitem, und stellt sich mit einem gefüllten Wasser-Eimer hinter die Thür auf die Lauer und wählt den Augenblick so glücklich, daß sie den ganzen Inhalt desselben ihm im Vorbeigehen über den Hals schüttet. Der wider Willen kalt gebadete Candidat schüttelt sich nicht wenig, fand es aber demohngeachtet für's Beste, sich eilig aus dem Staube zu machen, denn jede Mißbilligungsbezeugung würde ihn zum Opfer der dort sich zahlreich aufhaltenden Priesterinnen der Venus gemacht haben.
Es ist keine geringe Gefahr für reiche junge Leute, sich mit Mädchen auf irgend eine Weise einzulassen, oder etwas von sich zu geben, was einem Eheversprechen ähnlich sieht. Das Mädchen hat sowohl an demjenigen, der ihm die Unschuld nahm, als auch an demjenigem, der ein Eheversprechen ihm gab, fast unglaublich große Rechte. Nur zu oft sprechen die Zeitungen von großen Entschädigungen, zu denen sich solche Männer gegen Frauenzimmer haben verstehen müssen, und wozu sie gerichtlich gezwungen worden sind. Da übrigens dem Frauenzimmer immer so unbedingt geglaubt wird, so geschehen auch so manche Prellereien, wohl leichter als in andern Ländern, und nur der Zartsinn der Amerikanerinnen ist Ursache, daß dieses nicht öfterer geschieht. Als ich in Philadelphia lebte, wurde mir folgende Geschichte, die sich kurz zuvor in Pensilvanien ereignet haben sollte, erzählt.
*) Ein großer Theil der amerikanischen Häuser hat keine Hausflur, und die Thür die auf die Straße geht, führt gleich in ein unteres Wohnzimmer.
***) Die Weiber in Amerika, und vorzüglich die alten, rauchen gern Taback und Cigarren.
Ein andrer Vorfall, den ich ebenfalls in Kensington erlebte, gab mir den zweiten Beweis vom amerikanischen Weiberregimente. Er trug sich auf der Queen Street (Königinstraße, der Hauptstraße in Kensington) zu. 4 oder 5 Männer, welche vor mir hergingen, blieben vor einem hölzernen Häuschen auf einmal stehen; einer von ihnen ging durch die offne, auf die Straße führende Thür des Wohnzimmers*) hastig hinein.
Im Vorbeigehen sah ich diesen Mann im heftigen Gespräche mit einem alten Weibe, das eine tönerne Tabackspfeife im Munde hielt.**) Ich war nicht sehr weit entfernt, als sich ein heftiger Zank erhob, wobei der Mann mit tiefer Stentorstimme brüllte, die Frau hingegen im höhern Ton gewaltig und weittönend kreischte. Die Vorübergehenden blieben stehen, und auch mich trieb die Neugierde zurück; da sah ich wie die Frau ihre Pfeife aus dem Munde riß und sie wüthend dem Manne ins Gesicht schleuderte. Dieser entweder dadurch verblüfft, oder im Gefühl seines Rechtes, blieb stehen. Da eilte sie nach einem im Winkel befindlichen Besen, und schlug mit dem starken hölzernen Stiel desselben so heftig auf den Bestürzten, daß er endlich doch für besser hielt, auf den Rückzug zu denken. Er führte diesen nun wohl aus, jedoch nicht unverfolgt, und erst nachdem er aus dem Bereich des Hauses hinweg war, ließ die Alte mit ihrem Besenstiel von ihm los, und gab ihm Zeit, sich den Tabacksschmergel und die Asche aus dem Gesicht zu wischen und seinen erbärmlich zerquetschten Hut wieder in Ordnung zu bringen. Dies alles geschah unter Gelächter seiner ganz theilnahmlos gebliebenen Gefährten und unter Gezisch und Händeklatschen der zusammengelaufenen Menschenmenge.
Noch abweichender von den europäischen Sitten ist es, wenn zwei Amazonen handgreiflich mit einander werden, und dieß fällt nicht selten, aber freilich nur unter den niedrigsten Classen vor. Da entsteht ein langes heftiges und nicht selten blutiges Gefecht; da wird nicht blos geschlagen, da wird auch gekratzt, und die Kleider werden vom Leibe gerissen; alles zwar wie in Europa, aber so groß auch die Zahl der Zuschauer seyn mag, die sich um eine solche Scene versammeln, so bleiben doch alle theilnahmlos, ja sogar ernsthaft, und es mischt sich selten Jemand darein, als der etwa hinzukommende zärtliche Gatte der Unterliegenden, der jedoch dann, um seine theure Gattin zu retten, großmüthig und ohne Widerstand die dieser etwa noch bestimmte Prügelsuppe verschlucken muß. – Ich habe mehrern solchen Schlachten mit dem nöthigen Ernst und der gesetzlichen Theilnahmlosigkeit beigewohnt, die zwischen Negerinnen, oder alten weißen Weibern, oder auch zwischen Freudenmädchen mit gehöriger Tapferkeit gefochten wurden; doch meine Feder darf sich nicht erniedrigen, von diesen Ausbünden viel zu sagen. Aber ein Schlachtgemälde aus den vornehmern Ständen erlaube ich mir doch zu geben. Es erhob sich auf der Second Street (zweiten Straße, einer der beliebtesten in Philadelphia) ganz in meiner Nähe zwischen zwei schön gekleideten Lady's – eine davon war vielleicht die Gattin irgend eines Nachtwächters oder eines Kaufmanns, eines Maurergesellen oder eines Geistlichem, eines Schuhflickers oder eines Advokaten, kurz sie war eine feingekleidete alte Lady, und die andere, ein Körbchen tragend, war wahrscheinlich ihr Dienstmädchen – ein heftiger Streit, der anfänglich jedoch nur von der ältern Dame durch schreiende Reden und Gestikulationen geführt wurde, wobei das junge Mädchen, obgleich ihm erstere nicht wenig mit den Fäusten unter dem Gesicht herumfuhr, sich lange in den Grenzen bescheidener Vertheidigung erhielt. Da jedoch dem sanft und gut aussehenden Mädchen immer heftiger, und sogar mit Schimpfreden zugesetzt wurde, so wurde es endlich doch etwas heftiger im Widersprechen, und brachte dadurch die wüthende Frau so auf, daß sie ihm einen heftigen Schlag auf die Backe gab. Es war wirklich interessant das bisher noch immer ziemlich sanft gebliebene Gesicht des Mädchens, wie auf einen Zauberschlag sich in das einer Furie verwandeln zu sehen. Es ergriff sogleich die Dame, warf sie gegen einen vor einer Storenthür – Ladenthür – stehenden, und mit neuen Hüten bedeckten Tisch, daß dieser umstürzte und die Hüte umherkollerten, und fing an mit beiden Fäusten dergestalt auf ihr herumzutrommeln, daß ihr Hören und Sehen vergehen mußte. Niemand von der sogleich zusammengelaufenen Menschenmenge mischte sich hinein, und der herbeigekommene Storkeeper – Herr des Kaufladens – suchte, ganz theilnahmlos an der vor seiner Thür sich ereignenden Begebenheit, ruhig seine Hüte zusammen. Das Mädchen trommelte so lange fort, bis es ermüdet war, und ließ erst dann die Geschlagene los. Diese raffte sich nun eilig auf, brachte möglichst schnell ihre Kleider in Ordnung und machte sich eiligst die Straße aufwärts aus dem Staube. Das Mädchen ließ den hingefallenen, mit seiner Wäsche angefüllten, Korb liegen und ging die Straße abwärts.
Die amerikanischen Freudenmädchen geringerer Classe, geben den europäischen an Frechheit und Zudringlichkeit nicht allein gar nichts nach, im Gegentheil sie übertreffen dieselben noch. Einer meiner Bekannten, ein Candidat der Theologie, aus der Gegend von Chemnitz gebürtig, Namens B***, der genöthigt war sich dort mit Handarbeiten zu beschäftigen, geht eines Tages in Geschäften vor einem der auf der Wild Street – in der Point von Baltimore – häufig sich befindlichen liederlichen Häuser, die vorzüglich für Matrosen und für andere gemeine Wollüstlinge niedrer Classe bestimmt sind, vorbei und wird von einer an der Thüre stehenden ganz unschönen Nymphe angehalten, geküßt und aufgefordert, mit in ihre Höhle hineinzukriechen. Der keusche Candidat macht sich ziemlich ungestüm los, und entkommt unter dem Gelächter mehrer gegenwärtigen Gefährtinnen der Liebenswürdigen. Er begeht jedoch andern Tages den Fehler, vor demselben Hause wieder vorbeizugehen. Die Nymphe bemerkt ihn schon von Weitem, und stellt sich mit einem gefüllten Wasser-Eimer hinter die Thür auf die Lauer und wählt den Augenblick so glücklich, daß sie den ganzen Inhalt desselben ihm im Vorbeigehen über den Hals schüttet. Der wider Willen kalt gebadete Candidat schüttelt sich nicht wenig, fand es aber demohngeachtet für's Beste, sich eilig aus dem Staube zu machen, denn jede Mißbilligungsbezeugung würde ihn zum Opfer der dort sich zahlreich aufhaltenden Priesterinnen der Venus gemacht haben.
Es ist keine geringe Gefahr für reiche junge Leute, sich mit Mädchen auf irgend eine Weise einzulassen, oder etwas von sich zu geben, was einem Eheversprechen ähnlich sieht. Das Mädchen hat sowohl an demjenigen, der ihm die Unschuld nahm, als auch an demjenigem, der ein Eheversprechen ihm gab, fast unglaublich große Rechte. Nur zu oft sprechen die Zeitungen von großen Entschädigungen, zu denen sich solche Männer gegen Frauenzimmer haben verstehen müssen, und wozu sie gerichtlich gezwungen worden sind. Da übrigens dem Frauenzimmer immer so unbedingt geglaubt wird, so geschehen auch so manche Prellereien, wohl leichter als in andern Ländern, und nur der Zartsinn der Amerikanerinnen ist Ursache, daß dieses nicht öfterer geschieht. Als ich in Philadelphia lebte, wurde mir folgende Geschichte, die sich kurz zuvor in Pensilvanien ereignet haben sollte, erzählt.
*) Ein großer Theil der amerikanischen Häuser hat keine Hausflur, und die Thür die auf die Straße geht, führt gleich in ein unteres Wohnzimmer.
***) Die Weiber in Amerika, und vorzüglich die alten, rauchen gern Taback und Cigarren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 2