Das große Schiff Pensylvania.*)

Wenn man auf dem Delaware von dem Meere aus aufwärts nach Philadelphia zufährt, so ziehen vor Allem 2 colossale hölzerne Gebäude, über deren thurmhohe Dächer 2 Masten mit Wimpeln hervorragen, die Aufmerksamkeit auf sich. Unter dem einen dieser Gebäude liegt ein noch unausgebautes Linienschiff von 60 Kanonen, und unter dem andern größern, der ebenfalls noch nicht ganz vollendete Seekoloß, das Linienschiff Pensylvania von 150 Kanonen. Der Platz, worauf diese stehen, ist die Navygard – Seearsenal. – Ich entschloß mich, sobald ich nach Philadelphia kommen würde, diese Navygard mit ihren Merkwürdigkeiten zu besuchen.

Den Eingang fand ich mit einer Schildwache besetzt, welche ich, um das Innere zu besehen, erst um Erlaubniß fragen mußte. Diese verwieß mich an den wachthabenden Offizier, welcher mir den Eintritt gestattete. Die Erlaubnis wird nie, oder selten, und höchstens nur dann verweigert, wenn der Zudrang zu groß wird. Schon der Hof ist interessant. Auf einer Seite liegen die Kasernen der schwachen Garnison von Linienmilitair in Philadelphia, auf der andern Schuppen und Magazine. Aber mitten auf demselben stehen in langen Reihen jene zahlreichen ungeheuern Mordwerkzeuge, Kanonen, Mörser und Haubitzen, mit welchen jene beweglichen Festungen bewaffnet werden sollen. Es liegen dabei die darauf gehörenden gewichtigen Anker, und nicht weit davon die gewaltigen Ketten, die sie festhalten sollen, die vielleicht eben so viel Gewicht, oder gar noch mehr haben, als die Anker selbst, und große Haufen von Kugeln aller Schwere sind pyramidenförmig daneben aufgeschichtet. Nun trat ich, da der Zugang zu dem kleinern Gebäude verschlossen blieb, vor das Gebäude, in welchem das größere Schiff liegt. – Wer jenes große, unter einem mit 4 Fensterreihen versehenen Hause, noch auf den Werften liegende Schiff, das bei möglicher Feuersgefahr durch angebrachte Röhren in wenig Minuten von allen Seiten mit Wasser überschüttet werden kann, betritt, muß erstaunen, ja zweifeln, ob das weiche Element, das Wasser, einen solchen Coloß mit seinen Apparaten wird ertragen können. Man muß wohl 60 bis 70 Stufen aufwärts steigen, ehe man auf sein Deck gelangen kann. Seine Seitenwände sind schußfest, denn sie bestehen aus starken doppelten Bohlen des festesten Holzes, deren Zwischenräume mit Baumwolle ausgestoßen sind. Welche Veranlassungen bieten sich hier zu Betrachtungen dar! Mit welcher Gewalt wird dieses Ungeheuer einst wirken, wenn es aus seinen anderthalb hundert Feuerschlünden seine zerstörenden Blitze versendet! Welche Feuerflammen wird es auf Flotten und Städte werfen, wenn es ihnen zornentflammt gegenübersteht! Und welche Lasten soll es tragen! – Nur ein für 3 Monate ausgerüstetes Schiff von 1000 Mann und 100 Kanonen soll 4 ½ Millionen Pfunde tragen. Dieses mit 150 Kanonen größeren Kalibers und 2000 Mann, wird 9 Millionen zu tragen haben. Und doch soll es mit dieser furchtbaren Last auch eben so gut geleitet werden wie der kleinste leichteste Kriegsshlop.



*) Nach neuern Zeitungsberichten ist im Congreß der Antrag zur Bewilligung der zum Ausbau dieses Schiffes noch nöthigen Summe von 400 000 Dollars verworfen worden, und man fürchtete, daß dieses Seeungeheuer unausgebaut und ungenutzt würde verfaulen müssen. Da es jedoch ganz gesichert unter Dach und Fach, und ganz trocken auf den Werften liegt, so ist dies wohl nicht so leicht zu besorgen, und es könnte dieses Schicksal eher über dasselbe kommen, wenn es ausgebaut im Wasser läge.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 2