Von Vegesack nach Bremen.

Nach einer Reise von vier Wochen und vier Tagen landeten wir glücklich. Wohlbehalten war ich mit meinen Kindern an das Land gestiegen; aber ich besaß nur noch 1½ Dollar; wie sollte ich damit nach Vegesack kommen, wohin ich gehen mußte, um nach Bremen zu gelangen. Hier nun trat die schon erwähnte Hülfe unerwartet ein; ich hatte noch 1½ Dollar erhalten. Ich konnte nun das Dampfschiff, welches nach Vegesack ging, besteigen; mußte aber, als ich gelandet war, 2 Thlr. 18 gr. bezahlen. Meine 3 Dollars schmolzen dadurch bis auf 1 Thlr. zusammen. Nichts desto weniger glaubte ich damit Bremen erreichen zu können; allein kein Kutscher von denen, welche auf das Dampfschiff warteten, konnte mich mit meinen Kindern und meinen Kisten dahin mitnehmen; und für eine eigene Fuhre wurden 2 Thlr. gefordert. Ich hätte sie gern gezahlt, wenn ich sie nur gehabt hätte. Endlich erbot sich ein Kutscher, mich nach Bremen zu schaffen; und sollten ihm für 2 Thlr. Fuhrlohn meine Sachen haften. Die Abreise wurde sogleich vorbereitet.

Der aus Amerika kommende Reisende wird auf das Angenehmste durch die schönen Anlagen, an der von Vegesack nach Bremen führenden Straße überrascht und erfreut. In Amerika kennt man solche Anlagen nicht. Dort sorgt man kaum für Wege; von Verzierung derselben weiß man nichts. Ja die natürlichen Reize der Landschaften werden noch dadurch beeinträchtiget, daß das Feld an den öffentlichen Wegen durch Holzzäune von rohen Pfosten oder bloßen Scheiten einbefriedigt wird, um das herumschweifende Vieh davon abzuhalten. Lebendige Umzäunungen kennt man dort fast gar nicht, oder höchstens nur in der Nähe großer Städte. Und wie angenehm tönte uns der lang entbehrte Gesang der Vögel entgegen; nachdem wir in Amerika nur das unharmonische Gezwitscher der dort einheimischen Waldbewohner gehört hatten.


Am 19. Juni Abends kamen wir glücklich in Bremen an und wurden in dem Hause der Witwe Rolf gütig und gastfreundlich aufgenommen; ja sie verbürgte sich sogar für die Bezahlung des Fuhrlohns, welches ich noch schuldete. Da Sonntag war, so konnte ich an den Verkauf einiger meiner Sachen nicht denken, ohne welchen die Fortsetzung der Reise unmöglich gewesen seyn würde; allein den Tag darauf schritt ich sogleich darzu. Da sie aber durch das Fortschaffen, besonders durch das Seewasser sehr gelitten hatten und sehr unscheinbar geworden waren, war der Erlös nur gering und bestand in 13 Thlr., für Dinge, deren Ankauf mir vielleicht das Zwanzigfache gekostet hatte. Wie weit sollte ich mit 13 Thlr. kommen! –

Ich sah mich genöthiget die dortige Maurerloge als Bruder um Unterstützung zu bitten. Ich fand an dem Kastellan einen überaus artigen, an dem Almosenier Herrn M***, einen eben so gebildeten, als gütigen Mann. Der letztere beschenkte mich nicht allein anständig, sondern gab mir noch gute Rathschläge auf den Weg, die ich treu befolgte und deren Zweckmäßigkeit ich erkannte. Getröstet und ermuthiget verließ ich den Biedermann und trat bald darauf meine Reise nach Hannover auf einem Wagen an, welcher Auswanderer nach Bremen gebracht hatte und zurück ging. Ein kleiner Knabe, welchen seine Eltern wegen unzureichenden Reisegeldes zurückgelassen hatten, war unser Begleiter.

In Nienburg fand ich wieder eine Loge. Der Almosenier derselben, Offizier, empfing mich mit Güte und Theilnahme; ohngeachtet meines sehr abgekommenen Anzugs – mein Rock hatte auf dem Wege zu ihm noch einen Riß bekommen – und meines unscheinbaren Aeußern.

Diesen meinen Wohlthätern bringe ich hier meinen gerührtesten Dank; da ich ihnen nicht anders danken kann. Sie sahen in mir den hülfsbedürftigen Bruder; ihre gütige Aufnahme brachte mir Beruhigung, stärkte mich mit neuem Muth. Gott segne sie dafür! –

An demselben Tage hatten wir kaum das Städtchen Nordheim verlassen, als sich schwere Gewitterwolken zusammenzogen; drohend über unsern Häuptern lagerten. In der Nähe des Hofes Kasteldamm fingen sie an, sich mit furchtbaren Blitzen und Donnerschlägen zu entladen.

Ich saß frei auf dem hintern Theil des Wagens, und hatte meinen Kindern und dem verlassenen Knaben den sichern, mit einer Plane bedeckten Vordertheil eingeräumt. Der Fuhrmann trieb die Pferde an, um den nahen Hof Kasteldamm, welcher zugleich ein Wirthshaus war, zu erreichen; da stürzt plötzlich ein Feuerball mit zackendem Blitz auf uns herab, begleitet von einem furchtbaren Geprassel, und ich werde dadurch für einen Augenblick betäubt. Das erschrockene Pferd dreht sich mit dem Wagen herum; ich, wieder etwas zu mir gekommen, springe herab, greife dem Pferde in die Zügel, halte mit einer Hand den schwankenden Wagen und gebe so dem herabgestürzten, doch unbeschädigten Fuhrmann Zeit, sich aufzuraffen. Unterdessen schreien die Kinder fürchterlich, ich eile sie aus dem Wagen zu bringen, dessen eines Rad zu Boden lag; finde alle unbeschädiget, nehme sie mit dem armen Knaben an die Hand und eile mit ihnen nach Kasteldamm; den Fuhrmann der Hülfe eines ganz nahe hinter uns herkommenden Salzfuhrmanns überlassend. Kaum dort angekommen, entladet sich das Gewitter in starken Regengüssen. Die Bewohner des Hofs wollten eben dem Fuhrmann Hülfe bringen, als er mit dem Salzfuhrmann ankam. Dieser, welcher nur einige Schritte hinter uns her gefahren war, behauptete und wollte es vor jedem Gericht beschwören: daß der Blitz unsere Achse zerschlagen haben müsse. Ob es wahr ist, weiß ich nicht; alle waren aber auf unserm Wagen unbeschädigt geblieben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1