Sauer Lehrgeld gezahlt.

Ich mußte etwas ergreifen, das Schwinden meiner Kasse mahnte mich täglich daran. Ich hatte in Deutschland gelernt, guten Essig zu machen und ich hoffte, mir mit dieser Kunst hier etwas verdienen zu können. Meine mir bereits gewonnenen Freunde sprachen mir den Erfolg davon weder zu noch ab; waren mir jedoch behülflich, ein hübsches Haus für 70 Dollars, jährlichen Zins, zu miethen. Da ich noch so manche Hülfe fand, so eilte ich, mich etwas einzurichten und den nöthigen Apparat zu meiner kleinen Fabrik anzukaufen und nun fabrizirte ich, was nur möglich war. Auch gerieth meine Waare recht schön. Kaum war etwas fertig, so fand ich Gelegenheit 6 Barrels an eine Weinhandlung für einen leidlichen Preis zu verkaufen. Dies ermuthigte mich ungemein und ich steckte beinahe meine ganze Habe in diese Fabrikation. Mein ganzer Hof lag voll von Fässern; aber alle meine Bemühungen, meine Waare wieder an den Mann zu bringen, waren vergebens. Bald gerieth ich in Noth und Geldverlegenheit. Wo ich hinkam und meine Waare ausbot, brauchte man sie entweder nicht, oder bot mir einen elenden Preis; oder konnte mich so wenig verstehen, als ich sie selbst verstand. Ich fing jetzt an, an dem Nöthigsten Mangel zu leiden. Meine Essigbrauerei stand nun natürlich still; und selbst zu dem nothwendigsten Lebensbedarf fehlte mir das Geld. Um mir und meinen Kindern nur den unentbehrlichsten Unterhalt zu verschaffen, mußten mein hübsches Silberzeug, ein Theil meiner Wäsche und mehrere andere Sachen verkauft werden. Der Hauszins war gefällig; und ich mußte mich endlich entschließen, meinen Essig in die Auction zu geben. Der Verkauf erfolgte; aber der Erlöß war unbedeutend und betrug nur ein weniges mehr, als das war, was mir die leeren Fässer und das verschiedene Fuhrlohn gekostet hatte. Es deckte nicht den Miethzins; noch viel weniger meinen Lebensbedarf. In dieser Noth sah ich mich genöthiget, einen Herrn, an den ich empfohlen war, um ein Darlehn anzusprechen. Ich erhielt es von seiner Güte; und wurde dadurch in den Stand gesetzt, den schuldigen Miethzins zu bezahlen. Mit dem Ueberrest fing ich einen kleinen Hausirhandel an, nachdem ich meine Kinder bei meinem Freund R*** untergebracht hatte, und durchwanderte mit kurzen Waaren den größten Theil des Staates Pensylvanien und einen Theil von Newjersey und Delaware. Ob ich schon alle zerstreut liegende Bauerhäuser besuchte, vergingen doch manchmal halbe Tage, ohne daß ich etwas eingenommen hätte; denn entweder hatte man kein Geld, oder es waren vor mir Hausirer dagewesen; welche hier in Menge herumstreifen. Ich trat in manches schöne Haus, in welchem kein Cent zu finden war. So nahm ich kaum so viel ein, um mich selbst hinzubringen; aber womit sollte ich meine Kinder ernähren, für welche ich das übrigens sehr billige Kostgeld von 1½ Dollars wöchentlich zu zahlen hatte. Doch trieb ich dieses so wenig einträgliche Geschäft bis in den harten Winter von 1834 bis 1835. Dieser trat erst nach Weihnachten und zwar mit einer ungemein grimmigen Kälte ein. Ohne sie zu scheuen, setzte ich meinen Handel bis im Januar 1835 fort, wo ich eines Abends, in tiefem Schnee und ganz erfroren nach Eastown kam; einem hübschen Städtchen am Delaware, und in ein Wirthshaus eintrat. Eine Anzahl Gäste saß um den glühenden Ofen herum; und als sie mich, den bleichen und ganz mit Schnee bedeckten Krämer eintreten sahen, mochte sie wohl ein Gefühl des Mitleids ergreifen; denn fast jeder kaufte mir etwas ab; und ich machte so am Abend noch eine hübsche Einnahme; nachdem ich den ganzen Tag in fürchterlichem Schneewetter herumgelaufen war, ohne kaum die Zeche zu lösen. Während ich mit meinem Handel beschäftiget war, beobachtete mich ein ältlicher Mann hinter dem Ofen, manchmal lächelnd; doch schweigend und scheinbar theilnahmlos. Er ließ mich denselben ruhig beendigen; dann aber stand er auf, klopfte mich auf die Schulter und hieß mich ihm folgen. Vor der Thür war seine erste Frage: ob ich einen Lizenz: – Gewerbschein – zum Hausirhandel habe? Ich war noch so fremd in Amerika, daß ich ihn – er sprach es leise aus – gar nicht verstand und ihn deshalb verwundert ansah. Mein langer, wohl 10 Tage alter Bart, fiel ihm auf und er fragte mich weiter: ob ich ein Jude sey; und wollte, als ich es verneinte, es nicht glauben. Glücklicher Weise hatte ich meinen vaterländischen Paß bei mir, den ich ihm vorlegte. Nun wurde er etwas milder, sah mich mitleidig an und sagte: da ich sehe, daß du ein ehrlicher, protestantischer Christ bist, so will ich dich laufen lassen, ob ich gleich dadurch 25 Dollars verliere. Ich bin den Juden nicht gut und würde dich, wärest du einer, nicht so milde behandeln. Wollte ich mich deiner bemächtigen, müßtest du 50 Dollars Strafe bezahlen; oder müßtest, bis du sie aufbringen könntest, in die Jail – Gefängniß – wandern, und die Hälfte des Strafgeldes gehörte mein. Doch ich will darauf verzichten; verzichte du aber auch auf dein Gewerbe, und suche dir lieber ein anderes; denn über kurz oder lang wirst du doch erwischt und dann unglücklich.

Nachdem er dies gesagt hatte, drückte er mir die Hand und entfernte sich. Ich war wie von Donner gerührt. Also auch diesen armseligen Erwerb mußte ich aufgeben; oder, wollte ich ihn fortsetzen, meine Freiheit. Was sollte, wenn ich mein kleines Eigenthum verlor; oder in das Gefängniß wandern mußte, aus meinen armen Kindern werden? Und wie sollte ich die Steuern für den Gewerbschein aufbringen, welche in Pensilvanien jährlich 18 Dollars – 27 Thlr. – in Maryland 40 Dollars – 60 Thlr. – in Columbien 60 Dollars – 90 Thlr. – betragen haben würden? –


Der freundliche Wirth mochte, als ich wieder in die Stube eingetreten war, meine Verlegenheit bemerken und errathen, was es gegeben habe. Er rühmte den menschlichen Konstabler, lachte über seinen Judenhaß, rieth mir aber auch mein Gewerbe niederzulegen. Ich entschloß mich, die Nacht in seinem Hause zu bleiben; und ich athmete wieder etwas freier, als er theilnehmend erklärte: wir wollen morgen sehen was zu thun seyn wird! – Als ich am Morgen erwachte, war die ganze Luft mit dicken Schneeflocken erfüllt und ich ließ mich um so lieber in Eastown halten; da ich das Handelsgeschäft fortzusetzen nicht den Muth hatte. Der gefällige Wirth trug Sorge, daß der Ueberrest meiner Waaren von einem dortigen Kaufmann um einen mäßigen Preis angenommen wurde. Den Tag darauf trat ich leer meinen Weg nach dem 60 englische Meilen entfernten Philadelphia an, welches ich bei heftiger Kälte in 2 Tagen erreichte. Mein Ausflug war mir ungemein sauer geworden und hatte mir nur Schaden gebracht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1