Religion und ihre Gebräuche.

Ich habe im Laufe der Erzählung meines Lebens in Amerika Gelegenheit gehabt, Bemerkungen über die Vorzüge des Characters der Amerikaner, über ihre Sitten und Gewohnheiten einfließen zu lassen; ich glaube jedoch, darüber noch einiges sagen zu müssen, überzeugt, daß dieses für meine Landsleute nicht ganz ohne Interesse seyn wird.

Vor allen muß ich die Achtung, die Ehrfurcht rühmen, welche der Amerikaner der Religion und ihren Gebräuchen zollt. Obgleich die Städte mehr Kirchen haben, als dies in Europa der Fall ist, so sind sie doch stets gefüllt. Der Sonntag ist der Tag der Ruhe und stiller Betrachtung; überall herrscht eine ängstliche Stille, welche anfangs dem Einwanderer auffällt und unangenehm berührt; da er gewohnt war, diesen Tag als einen Tag geselliger Freuden zu betrachten. Der Amerikaner, der überhaupt wenig Gelegenheit hat, sich zu vergnügen, da Bälle und andere öffentliche Vergnügungen sehr selten sind, findet am Sonntage seine Unterhaltung in Abwartung des Gottesdienstes, Lesung erbaulicher Bücher und in frommen Betrachtungen; und er sucht diesen religiösen Sinn auch andern einzuflößen. Die vornehmsten Frauen tragen kleine Abhandlungen über die Heiligkeit des Sonntags und andere religiöse Gegenstände persönlich in die Häuser, selbst der Aermsten; vertheilen sie unentgeldlich; und ermuntern zugleich die Eltern, ihre Kinder die Sonntagsschulen besuchen zu lassen.


Der Fremde wird, wenn er in ein Bethaus irgend einer Religionsparthei tritt, mit der größten Zuvorkommenheit behandelt. Mag es auch noch so angefüllt seyn, gewiß wird irgend Jemand aus der Gemeinde aufstehen, einen Platz aufsuchen und dem Fremden anbieten, auch wenn noch leere Plätze in der Nähe von Negern vorhanden seyn sollten.

In jeder Stadtkirche wird des Sonntags in der Regel dreimal Gottesdienst gehalten, jedesmal bei ungemein zahlreicher Versammlung. Die Vorträge der Prediger zeigen sich mehr durch fließenden Vortrag, Heftigkeit und das Eingehen in Privatangelegenheiten, durch Drohen mit Hölle und Teufel, als durch moralische Betrachtungen, Erregung erbaulicher Gefühle und Erhebung zu denselben, aus. Doch habe ich auch vorzügliche Prediger gehört. Noch oft erinnere ich mich der vortrefflichen Reden des reformirten Predigers zu Frederickstown, dessen Name mir leider entfallen ist, und noch unvergeßlich sind mir die interessanten, in englischer Sprache gehaltenen Vorträge des lutherischen Predigers, Schäfer, daselbst. Sprach er deutsch, verloren sie etwas von ihrem Interesse, da der Redner der deutschen Sprache nicht ganz mächtig war.

Der Gottesdienst, welcher oft bis in die Nacht dauert, gewinnt an Feierlichkeit durch gute Beleuchtung und schönen Gesang. Der Gesang ist in den amerikanischen Kirchen harmonischer, schöner als in den unsrigen; denn er wird nicht von der ganzen Gemeinde, sondern von einem Sängerkorps vorgetragen, zu welchem oft die reichsten und angesehensten Ladys gehören.

Ein sehr einflußreiches Beförderungsmittel der Sittlichkeit werden für die Zukunft die in Amerika sich überall bildenden Mäßigkeitsvereine werden. Nicht nur in den Zeitblättern wird ihr Vortheil hervorgehoben, sondern die Mitglieder dieser Vereine, oft sehr geachtete Männer, suchen Zutritt in den Häusern zu erhalten; dringen selbst in entfernte Wohnungen, und ermahnen zum Beitritt; und oft sind ihre Bemühungen von dem glücklichsten Erfolg gekrönt. Die, welche sich durch Unterschrift an Eidesstatt für sich und die ihrigen verbindlich gemacht haben, den Genuß des Brandweins und überhaupt aller berauschenden Getränke aufzugeben, – Wein, Bier sind nicht unbedingt, Cider ist gar nicht verboten, – unterliegen sofort einer gewissen, wenn auch sehr milden Aufsicht, wenn sie gegen die übernommene Verpflichtungen fehlten; und sie werden wiederholt, wenn auch gütig, erinnert. Nur der wird aufgegeben, welcher auch jede Erinnerung unbeachtet ließ und dadurch zu erkennen gab: daß er unverbesserlich und für immer verloren sey. Gewöhnlich wird ein solcher in den sogenannten Temperanzblättern als warnendes Beispiel aufgestellt, und wenn auch nicht namentlich, doch für die Bewohner seines Aufenthaltsorts so deutlich bezeichnet: daß man ihn nicht verkennen kann.

Groß und seegensreich sind die Wirkungen dieser Vereine. In keinem Lande war das Laster der Trunkenheit wohl mehr verbreitet, als in Amerika; seine Folgen waren weit verderblicher als selbst in Pohlen und Rußland.

Tausende sind durch diese Vereine dem Laster der Trunkenheit entrissen worden; und Thätigkeit und Wohlstand und mit ihnen Ruhe und Zufriedenheit sind durch sie in Familien eingeführt worden, welche außerdem vielleicht Höhlen des Lasters geworden wären. Viele Verbrechen wurden durch sie verhütet; insbesondere Mordthaten, und selten wird man ein Mitglied derselben als Verbrecher vor Gericht stehen sehen. Gewiß, diese nützlichen Vereine werden viel zu einer glücklichen Zukunft Amerikas beitragen; sie verdienen die größte Beachtung. Möchten sie überall Nachahmung finden! –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1