Keine Schüler - kein Geld.

Unterdeß bemühte ich mich eifrig um Unterricht in der deutschen und französischen Sprache; aber fast vergebens. Ich fand nur drei Schüler, von denen ich monatlich 3 Dollars erhielt, wofür die Kosten für Hauszins und Heitzung nicht gedeckt wurden. Ich mußte daher den übrigen Aufwand, welcher sich dadurch vermehrte, daß ich mit einer so armen Familie zusammen wohnte, aus meinem Beutel bestreiten. Ich suchte den einzigen Mann, welcher helfen konnte, für mich zu gewinnen. Es war der Prediger Schäfer, der Vorstand des dortigen Gymnasiums; und ich machte ihm meine Aufwartung. Er empfing mich kalt, wie dies in Amerika gebräuchlich ist; prüfte mich oberflächlich in beiden Sprachen, in denen er aber selbst nicht ganz sattelfest war; erklärte meine Kenntnisse für hinreichend und änderte meine bescheidene Ankündigung, die ich ihm, als für die dortige Zeitung – the times– bestimmt, zeigte, in folgende großsprecherische um:

G. F. Streckfuss, Professor of the French and German Languages. Mr. S. begs leave to inform the citizens of Frederick, that he intends to locate himself in this city, as a teacher of the above languages, if he can meet with any encouragement. As to character and ability, he has ample testimony. His terms are two dollars per month, four hours each week. G.F. Streckfuss, Professor der französischen und deutschen Sprache.


Herr Streckfuß erlaubt sich, die Einwohner Frederiks zu benachrichtigen, daß er beabsichtiget, sich in dieser Stadt als Lehrer obiger Sprachen niederzulassen, wenn er einige Aufmunterung dazu finden sollte. Hinsichtlich seines Charakters und seiner Geschicklichkeit hat er vorzügliche Zeugnisse. – (Ich hatte keine.) – Seine Bedingungen sind 2 Dollars des Monats, 4 Stunden wöchentlich.

Aber er verweigerte mir jede andere Unterstützung, so wie jede persönliche Empfehlung für meine Zwecke. Die hier gewesenen deutschen Lehrer, sagte er mir, haben, gleich mehrern ihrer Landsleute nichts als schlechte Streiche gemacht. Der eine ist mir mit einer Pflegetochter durchgegangen; ein zweiter, ein Musiklehrer, welchen ich empfohlen hatte, entlief, nachdem er eine Menge Menschen betrogen und viele Schulden hinterlassen hatte; und man muß sich fast schämen deutsch zu sprechen und einen deutschen Namen zu tragen. Auch Ihnen kann ich nicht ansehen, was in Ihnen steckt. Sie müssen sich selbst Hülfsmittel zu verschaffen suchen. Vielleicht gelingt es Ihnen; denn es ist hier weder ein deutscher, noch ein französischer Lehrer. Sollten Sie sich hier halten können, und als braver Mann bewähren, dann vielleicht dürfte es meinem Einflusse gelingen, Ihnen eine Anstellung an dem hiesigen Gymnasium zu verschaffen; das aber erst im Entstehen ist.

Hiermit entließ er mich mit gewöhnlicher amerikanischer Einfachheit. Ihn weiter belästigen, wäre arge Zudringlichkeit gewesen.

Trotz meiner großsprecherischen Anzeige in dem times, fand ich keine Schüler. Ich machte nun noch einige Streifzüge nach Virginien, ging auf Railroad nach Harparsferri, durchlief dann noch eine Strecke zu Fuße; aber vergebens. Für den Winter wollte man wohl Schullehrer; aber der Sommer war vor der Thür. Was sollte während desselben aus mir und meinen Kindern werden? – Auch hätte ich noch große Strecken durchwandern müssen, um genug deutsche Familien zu finden, und so viel Schüler anzuwerben, daß ich für den Winter Brod gehabt hätte. Ich sah also, daß ich auch hier wieder fehlgegriffen hatte. Unterdeß war meine Casse stark angegriffen worden; ich fürchtete, daß Mangel und Elend bald wiederkehren könnten. Ich stand an dem Scheidewege. Entweder ich mußte nach Europa zurückkehren, oder mich entschließen, für immer hier zu bleiben; auf die Gefahr hin, mit meinen Kindern unterzugehen; oder ihr Schicksal lieblosen Händen anzuvertrauen; ihnen vielleicht das traurige Loos der oben geschilderten Sklaverei zu bereiten. Zwar kostete es mir, ehe der Entschluß: zurückzukehren, gefaßt wurde, manchen harten Kampf; mein Ehrgefühl fühlte sich verletzt; und hätte ich nur für mich zu sorgen gehabt, ich würde das Aeußerste abgewartet haben; allein Vaterliebe und Pflichtgefühl besiegten endlich jeden Zweifel. Sollte ich die theuren Wesen, welche Gott mir schenkte, und welche brave Verwandte hatten, zurück behalten wollen, dem gewissen Verderben Preis geben? – Sie mußte ich retten. Denn was auch im Vaterland aus mir werden würde, für sie war dort gesorgt; sie wenigstens waren geborgen.

Nie habe ich gezaudert, wenn ich etwas für recht und gut hielt; und habe ich auch oft fehlgegriffen, so geschah dies nie absichtlich, nur aus zu raschem Entschlusse. Ich entschloß mich also zurückzukehren; und um mir die Mittel darzu zu sichern, hinterlegte ich 60 Dollars für die Ueberfahrtskosten, und bat, mich möglichst schnell zu befördern.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1