Guter Rath ist theuer.

Immer häufiger wurden nun die Anzeigen von dem nahen Lande. Weiße Seemöven zeigten sich in der Ferne; Schmetterlinge von schönen Farben umflatterten uns; kleine Vögel setzten sich auf unsere Masten. Immer mehrere Segel stiegen am Saume des Horizonts herauf. Endlich erschien ein weißer Silberstreif; es war Land. Ein kleines, niedliches Schiffchen, gerufen durch die aufgezogene Flagge, fliegt jetzt pfeilschnell herbei – es ist ein Lothsenschiff –; eilt an uns vorüber, dreht sich gewandt um und legt an. Ein feiner, wohlgekleideter Mann steigt heraus und in unser Schiff; wird von dem Kapitain freundlich empfangen und übernimmt die Leitung desselben. Jetzt erscheinet die Spitze des Leuchtthurms von Kap May. Immer mehr und mehr entwickeln sich vor unsern Augen die Umrisse des Landes. Das Städtchen auf Kap May taucht auf, von Bäumen, mit dunklem Grün begränzet; schon wehen die Lüfte des Landes balsamisch zu uns herüber. Endlich wird der Eingang der Delawara-Bay erreicht. Wir sind nun von zahlreichen Schiffen umschwärmt; ein Hamburger Schiff mit Auswanderern, fährt so nahe neben uns, daß wir uns ohne Sprachrohr unterhalten können. Das Wetter ist das herrlichste; der Wind der günstigste; doch anfänglich nur die waldige Küste von New Jersey sichtbar; aber bald erblicken wir auch die gegenüber liegende des Delaware-Staats. Ueberall angebauet und prangend mit schönen, zum Theil prachtvollen Gebäuden. So gleiten wir schnell dahin; die schönsten Landschaften in Auge. Nachts gegen zwölf Uhr werfen wir Anker; da der Wind still geworden und die Ebbe eingetreten war.

Die Nacht ist sternhell, lau, herrlich; zu uns herüber schimmern die Lichter der gastlichen Wohnungen. Friede und Ruhe schwebt über der ganzen Gegend. Wie glücklich fühlten wir uns, so nahe der neuen Heimath. Hier hofften wir unser Glück zu gründen. Doch wie wenige mögen das gefunden haben, was sie suchten; und, um es zu finden, den Gefahren des Meeres trotzten! –


Am andern Morgen war zwar Windstille; allein, da um 6 Uhr die Fluth eintrat, wurden Boote vor das Schiff gehängt und dieses buxiret. Der lustige Gesang der Matrosen erleichterte die Arbeit, stimmte mit dem der Matrosen zusammen, welche das Hamburger Schiff buxirten. Aber bald wurde die schwere Arbeit überflüßig; schon um 8 Uhr erhob sich ein frischer Wind und schnell erreichen wir nun das Ende der Bay, und fahren in den Delaware-Strom ein. Endlich sind wir um die Ecke bei New Castle herum und nun wird Philadelphia sichtbar. Die Naviyard, wo das große Schiff Pensilvania noch unter einem vier Stock hohen, hölzernen Hause auf dem Werft liegt, zeigt sich nebst mehrern Thürmen zuerst unsern Blicken, und breitet sich dann unabsehbar, prachtvoll, in fast schnurgerader Linie vor uns aus, belagert von zahllosen Schiffen. Wir erreichen es endlich, und an der Mulberry Straße werfen wir gegen 4 Uhr Nachmittags Anker. Wir sind nun in Amerika! –

Bald nachher erhielten wir Erlaubnis, das Land zu betreten. Ich benutzte diese sogleich; warf mich in ein bereit stehendes Boot, und ruderte der nahen Stadt zu. Hier fand ich mich sehr angenehm überrascht. Ich betrat eine der schönsten Straßen von Philadelphia, die Mulberry Straße, welche mit prachtvollen Häusern verzieret, breit und schnurgerade durch die Stadt läuft. In allen Häusern ziehen herrliche Verkaufsladen – Storen – meine Blicke an; munteres Getümmel herrscht überall. Leicht und reinlich gekleidete Männer, Mädchen und Frauen, leichte ätherische Gestalten, drängen sich durch die Straßen; schwarze Gesichter grinsen mir entgegen; häßlich für den, der sich an ihre Gesichtszüge und Farbe noch nicht gewöhnt hat. Ich glaubte einen interessanten Traum zu träumen. Leider wurde ich bald und unsanft daraus erweckt. Denn schon an diesem Tage sollte ich eine Bemerkung machen, welche mich unsanft berühren mußte.

Ich kehrte mit einigen Gefährten in einer Schenkstube ein, um mir hier den lang entbehrten Genuß des Bieres zu verschaffen; und bemerkte sogleich, daß das Englische was ich sprach und mühsam erlernt hatte, von niemanden verstanden wurde; so wie auch ich niemanden verstehen konnte. Eine Hoffnung, die ich auf diese Kenntniß gesetzt hatte, war demnach schon am ersten Tage verschwunden. Auch gefiel es mir nicht, daß ich für 2 kleine Gläser Bier 12½ Cents – 4 ggr. – bezahlen mußte. Ich kehrte bald zum Schiffe zurück, nachdem ich meinen Kindern Brod, Aepfel und etwas Zuckerwerk, alles zu ziemlich theuren Preisen, eingekauft hatte. Ich brauche nicht zu erzählen, welche Freude ich damit anrichtete und wie gierig sie nach so langer Entbehrung darüber herfielen.

Den andern Tag besuchte ich meinen Freund, R***. Er empfing mich ungemein freundlich, verschaffte mir sogleich selbst bei der Witwe Neumann in der Cherry-Straße eine Wohnung; und nahm meine Kinder für so lange bei sich auf, bis ich meine Einrichtung getroffen haben würde. Da die Wärterin meiner Kinder mir noch unentbehrlich war, so war ich genöthigt, auch für sie Wohnung und Kost zu bezahlen. Sie wohnte mit mir bei der Witwe Neumann, und ich bezahlte für uns beide die Woche 4 Dollars oder 6 Preuß. Thaler; ziemlich wenig für dort; denn die Kost war gut. Ich mußte mich einige Tage erholen; aber schon jetzt beunruhigte mich die Sorge: mit was ich mich ernähren wolle. Ich machte bald Bekanntschaft mit den dortigen Deutschen, aber auch dabei die Erfahrung, daß der Erwerb nicht so leicht sey, wie man in Europa sich einbildet. Guten Rath erhält man in Amerika nicht leicht; und man ist sich anfangs selbst überlassen. Jeder der dahin kommt, ist Glücksritter. Er will hier reich und glücklich werden. Allein, ein Fehltritt; und er ist unglücklich; und wie leicht ist dieser? – Es gehören Glücksfälle, angestrengte Arbeit dazu, um hier ein Glück zu gründen. Oft ist der Erfolg nur das Resultat von Betrügereien! – Jeder fühlt, daß es äußerst schwer ist, einen Rath zu geben; und selbst mehrere meiner nähern Freunde, die übrigens stets sehr gütig gegen mich waren, gaben mir kalt die Antwort: guter Rath ist theuer.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1