Erfahrungen und Eindrücke. 5

Ist es ihm nun endlich gelungen, das Land urbar gemacht zu haben; hat er es eingefriediget; stehet eine bequeme Wohnung; giebt der Boden gute, selbst reichliche Aerndten; wird er sich nun bequem, glücklich fühlen? – Wie könnte er dies, da ihm alle andern Bedingungen darzu fehlen. Meilenweit muß er gehen, um das kleinste Bedürfnis zu befriedigen; er sieht sich allein, ausgeschlossen von jeder geselligen Freude; einer schnellen, oft jeder Hülfe bei Krankheitsfällen, bei eintretenden unglücklichen Ereignissen beraubt; seine Kinder roh aufwachsen; da sie vielleicht vier und mehrere Stunden brauchen würden, um zu einer Schule zu gelangen. Die Tröstungen der Religion fehlen ihm ganz; denn es giebt in seiner Nähe keine Kirche. Ich habe in dem doch sehr gesitteten Pensilvanien junge Männer gesehen, welche noch nicht getauft waren; Männer von 40 Jahren, die zum erstenmal das heilige Abendmahl genossen.

So wird er seines Lebens nicht recht froh werden; sich nie so glücklich fühlen, wie er es im Vaterlande mit weit weniger Aufopferung gekonnt hätte.


Und hat er nun auch reiche Aerndten; zu was helfen sie ihm? – Er muß ihren Seegen aufhäufen; ungewiß, wo und wenn er Vortheil davon ziehen wird. Glücklich, wenn endlich ein im Lande herum reisender Aufkäufer seinen farm besucht. Von diesem erhält er die unentbehrlichsten Gegenstände, Zucker, Kaffe, Leinwand, Kattun u. s. w., wogegen dieser die aufgehäuften Vorräthe zu Spottpreisen annimmt, wahrend er seine Artikel zu den höchsten Preisen weggiebt. Was will der arme Farmer machen; er muß losschlagen; froh seyn: daß er es kann. Doch der Handelsmann führte auch eine Panacé für so viele Entbehrungen mit sich: Whisky, welcher nun reichlich genossen wird.
Aber wie viele unentbehrliche Artikel fehlen noch immer. Und oft reichen auch die Vorräthe nicht hin: um nur das Notwendigste einzutauschen. Der Boden muß daher ergiebiger; mehr Land urbar gemacht werden; wodurch aber auch die Arbeiten vermehrt werden.

Eine Reihe von Jahren verging unter Anstrengungen und Entbehrungen. Endlich ist der gesammte Boden urbar, ertragsfähig gemacht; das Ganze gewinnt ein regelmäßigeres, freundlicheres Ansehen; aber nun sind auch die Kräfte des Ansiedlers verbraucht; und er steigt oft in das Grab hinab, ohne den Erfolg seiner Anstrengungen zu sehen, genießen zu können.

Glücklicher sind seine Kinder. Sie kannten keine andere, bessere Lage; sie sind bereits eingebürgert, vertrauet mit den dortigen Sitten und Gewohnheiten; die Cultur wächst, der Wohlstand vermehrt sich; die Gegend, in welcher sie leben, wird bewohnter, freundlicher, zugänglicher durch Kanäle und Eisenbahnen. Dörfer, Flecken und Städtchen erheben sich, in ihrer Nähe und mit ihnen Gewerbethätigkeit und Wohlstand, Geselligkeit und Wohlbefinden; und sie brechen die Früchte, auf welche ihr Vater hoffte, zu deren Genuß er aber nicht gelangen konnte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1