Erfahrungen und Eindrücke. 4

Lehrer in fremden Sprachen sind hier überflüßig, der Amerikaner ist mit seiner Muttersprache zufrieden und will nur das lernen, wovon er in Leben Gebrauch machen kann.

Musiklehrer befinden sich in großen Städten oft sehr gut, und ich habe einige gekannt, welche sich vortrefflich standen; allein ihre Sittlichkeit muß bekannt; ihr Ruf rein seyn: wenn sie Unterricht finden wollen; da nur junge Frauenzimmer aus guten Familien Unterricht in der Musik nehmen.


Brandtweinbrenner – Destillateurs – Schlosser, Damenschneider, Porzelanmahler, Cattundrucker, Weber, Kammacher, Bürstenbinder, Handschuhmacher, Nagelschmiede, Rothgerber, Weißgerber, Töpfer, finden selten ein Unterkommen und ich muß ihnen das Auswandern nach Amerika gänzlich widerrathen.

Destillateure finden deswegen keine Beschäftigung, weil, in Folge der Mäßigkeitsvereine – Temperance-Gesellschaften – von der feinern Welt keine Liqueure mehr getrunken werden, und der gemeine Mann sich lieber in Rum, Gin und Wisky berauscht.

Damenschneider dürfen nicht auf Arbeit rechnen; da Frauenkleider ausschließend von Frauenzimmern gefertiget werden.

Porzelanmahler eben so wenig; und zwar aus Mangel an Fabriken in diesem Artikel; welche nicht mit denen des Auslandes koncurriren können.

Kattundrucker, Weber, Kammacher, Bürstenbinder, Nagelschmiede, Seiler, aber aus dem Grunde nicht; weil ihre Arbeiten größtentheils durch Maschinen betrieben werden. Töpfer nicht; weil in Amerika wenig Töpfer-, größtentheils Blech-, Kupfer- und Eisengeschirr verbraucht wird. Loh- und Weißgerber nicht; weil der stärkere Neger tüchtiger zu ihren Arbeiten ist; und endlich Schlosser nicht; weil man sich hier gewöhnlich der Fabrikschlösser bedient, welche von dem Haustischler mit angeschlagen werden.

Handarbeiter würden sich dort wohl befinden, da ihr gewöhnlicher Lohn ¾ bis 1 Dollar für den Tag ist: wenn sie stets Arbeit fänden und wenn diese Arbeit nicht so unerträglich schwer wäre, daß nur wenige es lang aushalten können. Die Arbeiten fangen mit Tagesanbruch an und endigen erst mit Sonnenuntergang; und nur fürs Frühstück und fürs Mittagsbrod wird jedesmal eine Stunde Erholung gestattet. Die Hitze des Sommers ist unerträglich; und der Aufseher ist stets bei der Hand, um zur Arbeit anzutreiben; es gehört daher ein starker Körper, eine dauerhafte Gesundheit darzu, um solche Arbeiten lang zu ertragen. An Arbeit fehlt es in Sommer nicht; denn noch überall entstehen neue Eisenbahnen und Kanäle; aber die Strenge der Arbeit, das ungewohnte Klima, vielleicht auch die ungesunde Oertlichkeit, besonders in den, Überschwemmungen ausgesetzten, Niederungen richten große Verheerungen unter den Arbeitern an; welche von Krankheiten, besonders Fiebern befallen, oft ohne alle Wartung und Pflege, auf die elendeste Art umkommen müssen.

Junge deutsche Frauenzimmer finden gewöhnlich in kurzem, wenn auch nicht immer wohlhabende oder reiche Männer; da die Deutschen deutsche Mädchen den Amerikanerinnen vorziehen, welche, wie bekannt, nicht gern arbeiten.

Jetzt noch einige Worts an die, welche mit oft nicht unbeträchtlichen Kapitalien nach Amerika kommen, um dort Landbauer zu werden. Ohnstreitig ist die Lage solcher Landgutsbesitzer, oder, um mich nach deutscher Art auszudrücken, Bauern, welche in der Nähe guter Absatzplätze, wie eines Kanals, oder einer Eisenbahn wohnen, sehr glücklich; und ich werde später Gelegenheit nehmen, ihr Hauswesen näher zu beschreiben.

Aber zu dem Besitz solcher Güter gehören sehr bedeutende und solche Kapitalien, welche ihrem Eigenthümer auch in Europa ein angenehmes und sorgloses Leben sichern würden. In der Nähe der Städte Newyork und Philadelphia kostet der 72 Quadrat Yard – 120 Quadrat Leipziger Ellen – große Akre, schon 100 bis 150 Dollars; rechnet man nun noch das dazu, was die theuern Gebäude, Vieh, Schiff und Geschirr kosten, so wird man leicht berechnen können: welche große Summen dazu gehören, um ein nur mittelmäßiges Landgut – farm – zu kaufen.
Ueberdies sind jetzt schon alle Ländereien, welche nur einigermaßen Ausbeute versprechen, von Spekulanten aufgekauft, welche sie an den Ankömmling nur mit ungeheurem Gewinn ablassen.

Und dann die Unsicherheit des Besitzes, welche ich kaum zu erwähnen brauche; da sie allgemein bekannt ist. Selten ist der Besitzer vermögend, den Titel seines Besitzes nachzuweisen. Man muß daher auf Treu und Glauben kaufen, und jeden Tag befürchten: von dem wahren Eigenthümer entsetzt und vertrieben zu werden. Nur wenn man Congreß-Land kauft, ist man sicher.

So bieten sich dem eingewanderten Landbauer überall keine günstigen Aussichten dar. Nehmen wir an, er hat die Beschwerlichkeiten und Gefahren der Seereise, die oft noch größern der Landreise glücklich überstanden und ist nun endlich auf der Stelle angekommen, wo er sich anbauen, eine Familie gründen, leben und sterben will. Er findet sie mit undurchdringlichem Wald bedeckt, er hat keine Wohnung, kein Obdach. Diese muß vorerst geschafft werden; und sie wird bald dastehen; da sie aus rohen, über einander gelegten Baumstämmen erbauet wird; besonders wenn gütige und helfende Nachbarn nicht zu entfernt sind. Dann muß der Boden von Wald gereiniget und urbar gemacht werden. Welche Schwierigkeiten wird dies verursachen; besonders wenn er wenig Familienglieder mit sich gebracht hat? – Nur unter den größten Anstrengungen und wenn er fremde Hände benutzen muß, mit einem bedeutenden Aufwand, wird ihm dies gelingen. Hat er aber auch endlich 10 bis 15 Acker von Holz gereiniget, den Boden umgearbeitet; so muß er erst Befriedigungen um dieselben machen, ehe er an eigentliche Benutzung denken kann. Welche ungeheure Arbeit gehört nur darzu 10 bis 15 Acker von Holze zu reinigen; dieses auf die Seite zu schaffen; und wie theuer wird ein Gut von so vielen oder mehrern Grundstücken kommen; besonders wenn fremde Hände darzu verwendet werden müssen. –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1