Erfahrungen und Eindrücke. 3

Der zweite ist etwas ernster Natur.

Ein armer; aber junger, kräftiger und wohlgebildeter Engländer, der erst vor kurzem gelandet war, reist durch Virginien und wird in dem Hause einer jungen, ledigen und schönen Plantagebesitzerin aufgenommen. Diese junge Dame ist Eigenthümerin von 200 Akres Landes, eines Farmhauses, – Breterhauses – eines alten und vier junger, männlichen Sclaven, welche letztern mit ihr aufgewachsen sind. Der junge englische Glücksjäger wird gut behandelt; er gefällt sich; findet seine junge Wirthin reizend, verliebt sich in sie, und glaubt hier sein Glück zu gründen. Seine Wünsche werden erhört und das junge, unabhängige Mädchen giebt ihm ihre Hand. Er findet aber bald, daß er mit ihrer Hand nicht auch die Herrschaft über sie gewonnen hat. Sie gebietet nach wie vor in ihrem Hause unumschränkt; und die Sclaven gehorchen nur ihr, wenn der Herr Gemahl auch Gegenbefehle giebt. Daraus entstehen bald ernstere Scenen. Der Herr Gemahl will den Gebieter spielen, und droht nicht selten mit ernsthafter Züchtigung; aber alle solche Drohungen werden immer verlacht. Endlich vergißt er sich einmal so weit, daß er seiner Gattin eine Ohrfeige giebt.


Doch welchen traurigen Erfolg hat dieser Beweis seiner eheherrlichen Gewalt. Die junge, beleidigte, erzürnte Frau ruft ihre Sclaven zusammen, befiehlt ihnen, ihren Gatten zu entkleiden, an eine Thürpfoste zu binden und mit einer Pferdepeitsche weidlich auszugerben. Wahrend zwei dies thun und dabei Gelegenheit haben, die rauhe Behandlung, welche sie zeither von ihrem Herren hatten erdulden müssen, zu vergelten; befiehlt sie ihre sechs Pferde zu satteln, und zu zäumen, ihre Sachen aufzupacken und reitet mit gefüllter Brieftasche in Begleitung ihrer Sclaven davon; unbekümmert um den angebundenen und blutig geschlagenen Gemahl.

Umsonst sind seine Anstrengungen sich los zu machen. Endlich wird er durch einen vorbeikommenden Reiter von seinen Banden befreiet. Er schwört den Sclaven blutige Rache; denn er hofft auf die Rückkehr seiner Gattin; aber vergebens, und er muß sich endlich damit trösten, in Besitz der schönen Plantage mit Vieh und Wirthschaftsgeräthe geblieben zu seyn.

Doch auch dieser Trost soll ihm bald schwinden. Sein Rücken ist noch nicht geheilt, als ein naher Verwandter seiner Frau ankommt; eine von ihr ausgestellte, auf eine hohe Summe lautende Schuldverschreibung vorzeigt und Zahlung fordert. Aber wie diese leisten? – Die Brieftasche mit den Banknoten ist mit der theuren Ehehälfte verschwunden und ihm selbst nur eine sehr unbedeutende Summe zurück gelassen worden. Die Plantage wird nun sofort in Beschlag genommen, und da deren Werth nicht die Höhe der erborgten Summe erreicht, wird der Unglückliche ergriffen und in das Gefängniß gesetzt.

Er darf, da er noch nicht zwei Jahre im Lande ist, auf das Benefit – Befreiung vom Gefängniß – nicht Anspruch machen. Während er nun im Gefängnisse sitzt, kommt seine Gattin zurück, ordnet ihre Geschäfte, verschafft sich heimlich bedeutende Geldsummen und verschwindet für immer.

Lange muß der Arme die der Gattin gegebene Ohrfeige mit schwerem Gefängnisse büßen; bis endlich das Herz des Gläubigers erweicht wird, und er die Freiheit erhält. Was später aus beiden geworden ist, habe ich nicht erfahren können; obschon das Ereigniß sich nur 11 Meilen von meinem Wohnorte in Maryland zugetragen hatte.

Dem Character der Amerikaner lasse ich nur Gerechtigkeit widerfahren, wenn ich sie als menschenfreundlich, theilnehmend, rechtlich und brav schildere. In Laufe der Erzählung meines Lebens unter ihnen, habe ich Gelegenheit genug gehabt, ihre Güte, ihre edlen Gesinnungen zu rühmen und auch später wird sich darzu Gelegenheit finden.

Diese schönen Eigenschaften mögen aber ja keinen meiner Landsleute nach Amerika verlocken. Er würde sich doch getäuscht finden; da die Menge der Einwanderer, der Hülfsbedürftigen zu groß ist, als daß sie immer auf Theilnahme und Unterstützung rechnen könnten.

Ich werde hier einige meiner Beobachtungen über die für den Einwanderer sich dort zu einem Fortkommen öffnenden Aussichten mittheilen.

Derjenige, welcher schon das reife Mannesalter erreicht, oder es verlassen hat, der, welcher über die vierziger Jahre ist, wird hier selten ein vortheilhaftes Unterkommen finden; und findet er es, wird er sich wohl nie einheimisch und glücklich fühlen; denn zu verschieden sind Amerikas Sitten und Gewohnheiten von denen, welche die unsrigen sind.

Also nur junge, kräftige, geschickte Handwerker, oder die, welche etwas Vermögen besitzen, können darauf rechnen, sich, jedoch erst nach mancher Anstrengung, mancher fehlgeschlagenen Hoffnung, eine gute, gesicherte Lage zu gründen.

Ein leichtes Unterkommen finden, vorausgesetzt, daß sie ihre Kunst oder ihr Handwerk verstehen, Goldschmiede, Uhrmacher, Wagner, Klempner, Tischler, Herrenschneider, Posamentier, Schuhmacher und Zimmerleute.

Zimmerleute besonders, wenn sie zugleich Tischlerarbeit zu fertigen verstehen.

Schmiede werden gut bezahlt, wenn es ihnen gelingt in Fabriken Arbeit zu finden.

Aerzte werden in den deutschen Gegenden sehr gesucht, da sich die Kranken dort größtentheils durch Charlatans behandeln lassen müssen. In großen Städten dagegen sind gute Aerzte in Ueberfluß zu haben.

Barbier, deren es in großen Städten viele giebt, finden auf dem Lande kein, in mittlern und kleinen Städten aber ein gutes Brod; doch müssen sie mit ihrer Kunst das Haarverschneiden verbinden.

Kaufleute, Sprachlehrer, Juristen haben gar keine Aussichten zu einem Fortkommen. Juristen müssen im lande selbst studiret haben. Theologen finden bisweilen eine kärgliche Anstellung, aber gewöhnlich erst nach langem Harren.

Zwar sind die deutschen Prediger in Philadelphia und Baltimore geborne Deutsche, und haben besonders in Philadelphia ein reiches Auskommen; allein dies ist eine Ausnahme von der Regel. Der Theologe, welcher eine Anstellung finden will, muß lang in Amerika gelebt haben, und das Glück muß ihn noch besonders begünstigen; oder er muß gute Empfehlungen mitbringen, außerdem wird er umsonst darauf rechnen.

Die Landgemeinden nehmen ihre Geistlichen gewöhnlich aus Zöglingen irgend eines Landpfarrers; und da man von ihnen nur eine genaue Kenntniß des Bibel und Redefertigkeit verlangt, wählt manche Landgemeinde lieber einen Schuster oder Schneider, der sich bei irgend einem Geistlichen zu seinem spätem Beruf ausgebildet hat, als einen für sein Fach befähigten Fremden, dessen früheres Leben ihr nicht bekannt ist.

Junge Theologen haben daher nur geringe Aussicht auf Beförderung, und ihre Lage bleibt immer unsicher, da die Gemeinden ihre Geistlichen und Schullehrer willkührlich anstellen und eben so willkührlich entlassen können. Ich habe einige junge, sehr gebildete Theologen kennen lernen, die genöthiget waren, als Fischergehülfen, Schiffsauslader, oder als Arbeiter bei Eisenbahnen, ihren Unterhalt zu suchen.

Handlungsdiener werden noch weniger gesucht. Von ihnen verlangt man natürlich eine vollkommene Kenntniß der englischen Sprache, welche schwer zu erwerben ist; allein hat auch der Ankömmling sie sich endlich ganz eigen gemacht, hat er bis dahin seinen Stand behaupten können, findet er doch immer nur selten eine Anstellung; denn der Kaufherr wählt lieber Eingeborne, ihm Bekannte, welche, da der Amerikaner ein geborner Kaufmann ist, in Ueberfluß vorhanden sind. Handlungsdiener müssen hier oft die gröbsten Arbeiten verrichten, um ihre elende Existenz hinzufristen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1