Erfahrungen und Eindrücke. 2

Für den Auktionator aber ist die Fertigkeit in Späßen eine unentbehrliche Eigenschaft. Jeder Ausruf muß mit einer lustigen Bemerkung begleitet seyn. Ein Auktionator, welcher dies nicht versteht, darf nur auf wenig Zuspruch rechnen. Die Zungenfertigkeit der amerikanischen Auktionatoren ist aber auch außerordentlich groß; und mit bewundernswürdiger Schnelligkeit wiederholen sie das gethane Gebot.

Auktionen sind in Amerika sehr häufig; und ungeheure Vorräthe werden hier öffentlich verkauft, oder vielmehr verschleudert. Die häufigen Banquerote liefern darzu Material genug; und in Seestädten werden oft große Massen aller Arten von Waaren und Verkaufs-Gegenständen, welche theils dorthin gesendet wurden, oder Haverie waren zum öffentlichen Verkauf gestellt.


Bei solchen Verkäufen gewinnen natürlich die großen Kaufleute vorzüglich; da die Waaren oft für geringe Preise weggehen und sie nur Geld oder Kredit genug haben, um sie erstehen zu können.

In der Regel wird in Auktionen Jedem ein sechsmonatlicher Kredit gegeben, für welchen eine Bank Bürgschaft übernimmt, welche, wenn die Zahlungsfrist eintritt, mit Abzug von sechsmonatlichen Zinsen, Zahlung leistet.

Die Amerikaner zeigen in der Regel schöne Körperformen; sie sind hoch und schlank gewachsen, haben blaue Augen, gebogene Nase, einen feinen Mund und edle Haltung. Ihre Bewegungen sind leicht und geschickt und verrathen Sicherheit und Selbstvertrauen.

Die Frauen dürften sich wohl mit den schönsten Frauen und Mädchen Sachsens messen können. Denn, wenn ihnen auch die blühende Gesichtsfarbe und die feine Vollendung der Formen abgehet; entschädigen sie dafür durch regelmäßigem Wuchs, schönern Nacken und Busen, feine Gesichtszüge; durch, von Milde und Güte sprechende Augen, durch leichten Gang, gefällige Haltung reitzenden Anzug, – welcher in Schnitt bei allen, niedrigen und hohen, gleich ist –; und durch Feinheit der Sitten und des Umganges.

Aber diese schönen Formen sind vergänglich. Das weibliche Geschlecht ist in Amerika vielen Krankheiten unterworfen; wozu die sitzende Lebensart – alle gröbern Geschäfte werden von den Männern besorgt, welche sogar die Einkäufe für die Küche auf den Märkten übernehmen – und das häufige Theetrinken beitragen mag. Sehr viele sterben jung an der Auszehrung; andere leiden an der Krankheit, die der Pompadour ein Spottgedicht zuzog.

Die unverheiratheten Frauenzimmer zeichnen sich durch Sittlichkeit aus, die Frauen sind die besten und treuesten Gattinnen; und nirgends ist wohl mehr eheliches Glück als hier zu finden.

Ueberhaupt genießt das weibliche Geschlecht in Amerika einer größern Achtung als irgendwo; und selbst die Gesetze erkennen diesen Vorzug an. Das unbeschworne Zeugniß des Weibes hat dieselbe Gültigkeit vor Gericht als das beschworne eines Mannes; und jede brutale Behandlung der Ehefrau wird an dem Ehemann mit einer sechsmonatlichen Gefängnißstrafe geahndet. Daher das Uebergewicht der Frauen; welches oft in eine unbedingte Herrschaft, selbst in thätliche Zurechtweisung der Herren der Schöpfung ausartet.

Zwei Vorfälle, von welchen ich den einen selbst beobachtete, den andern aus sicherer Quelle erfuhr, werden die besten Kommentare darzu liefern.

Der erste, ein spaßhaftes Ereigniß, stieß mir auf, als ich einmal von Philadelphia nach Kensington zurückkehrte. Ein im höchsten Grade Betrunkener, – wahrscheinlich ein Irrländer, – ging taumelnd vor mir her und gleitete in diesem Zustande in ein ziemlich tiefes Loch hinab, welches sich auf seinem Wege befand. Ein Frauenzimmer, wohl gekleidet, und wahrscheinlich seine Gattin, hatte dies bemerkt, kam an das Loch hin und rufte: George! George! – Aber George befand sich auf dem im Loche befindlichen Schlamme wohl gebettet, war bereits sanft entschlummert und alles Rufen half nichts. Schnell eilt sie nun zu ihrer Wohnung hin, kehrt mit einem tüchtigen Knittel zurück, steigt mit vieler Mühe und selbst Gefahr in das Loch hinab und fängt an, denselben mit solcher Behändigkeit auf den Schenkeln und dem Hintern des Schlafenden tanzen zu lassen, daß selbst Todte dadurch hätten erweckt werden können. Mit solcher Behandlung wahrscheinlich vertraut, steht er endlich lachend auf. Nun befiehlt ihm die Entrüstete herauszusteigen. Ein schweres Unternehmen für einen so Trunkenen. Er versuchts; doch vergebens; der Kopf bekommt das Uebergewicht, noch ehe der halbe Weg vollendet ist und er kollert zurück zu den Füßen seiner zärtlichen Ehehälfte. Eine verstärkte Wiederholung des ersten Impulses treibt ihn zu einem neuen Versuche an; aber mit gleich unglücklichem Erfolg. Endlich gelingt das Wagestück doch mit Hülfe des heftiger erregenden Knüppels; der Rand des Lochs ist erreicht; und nun erst klettert die zürnende Eva dem armen Geschlagenen nach. Er schien endlich doch etwas nüchterner geworden zu seyn, denn er ging weniger schwankend nach seiner Wohnung; wo er seinen Rausch ausgeschlafen haben wird. Obgleich die Frau ziemlich gut gekleidet war, so gehörten beide doch wohl zu der niedrigen, das heißt, zu der ärmern Volksklasse.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1