Endlich ein amerikanischer Bauer.

Kurz nach meiner Ankunft in seinem Hause war mir ein neuer Versuch zu einem Erwerb mißlungen. Ich wollte nun mit andern Auswanderern, die häufig ankamen, in den Missouristaat gehen; aber mein braver Wirth hielt mich davon zurück; indem er mir den traurigen Zustand der dortigen Anbauer schilderte. Ich ließ mich auch halten; doch bald nachher wurde mir in Montgommery, County Maryland, ohngefähr 50 Meilen von Baltimore, ein Landgut von 150 Acres für 700 Dollars angeboten, welches als vorzüglich gerühmt wurde; aber ohne Haus und Befriedigung – fence war. W** erbot sich sogleich zur Theilnahme an dem Besitz desselben; wenn ich Lust dazu hätte; eben so ein gewisser Schneider, welcher mit seiner Frau und 6 Kindern erst vor kurzem nach Baltimore gekommen war. Ich ging darauf ein; aber das Gut mußte doch zuvor besehen werden und W** übernahm dies, weil er, wie er zu sagen pflegte, ein geborner Bauer sey und den Boden in Amerika eben so gut, als den in Europa beurtheilen, könne; ihn sollte man nicht betrügen. Ich hatte in der That zu seiner Klugheit und Ehrlichkeit ein so großes Vertrauen, daß ich ohne Einrede sein Erbieten annahm. Was nun die Ehrlichkeit betraf, hatte ich mich nicht getäuscht; wohl aber hatte ich mich über Mangel an Klugheit zu beschweren. Er reiste auch wirklich und zwar in Gesellschaft des Eigenthümers hin. Dieser rühmt ihm schon unterweges sehr die Güte des Bodens, klagt aber zugleich über Verluste in seinen Geschäften durch diese Reise; und sucht ihn so auf die beabsichtigte Abkürzung des Aufenthalts vorzubereiten. Auch gelang ihm dies nur zu gut.

Dort angekommen, werden dem guten Manne die Waldgränzen, die aber der Verkäufer nicht recht kennen will, und welche auch nicht richtig waren, überhin angegeben; man zeigt ihm in Vorbeigehen einige gute Grundstücke; und dann wird die Rückreise sofort angetreten. Er hat also beinahe nichts gesehen und kehrt unverrichteter Sache zurück; aber er schämt sich es zu gestehen und lobt das Gut außerordentlich. Konnte ich an der Wahrheit seiner Erzählung zweifeln? – Ich mußte ein sicheres Unterkommen wünschen; der Handel wurde daher abgeschlossen, billige Bedingungen gestellt und die Abreise beschleuniget.


So war ich denn endlich ein amerikanischer Bauer geworden, deren glückliche Lage mir in Europa so sehr gerühmt worden war. Meine neue Besitzung lag nicht zu sehr entfernt. Wie glücklich fühlte ich mich; ich hoffte endlich ein Ruheplätzchen gefunden zu haben, wo ich den Rest meines Lebens zubringen, meine Kinder fröhlich um mich aufwachsen sehen könnte. Nachdem ich und W** unsere Geschäfte in Baltimore gänzlich abgemacht ; W** seine Wirthschaft einem andern übergeben hatte, luden wir, ich, W** und Sch. unsre Familien und Sachen auf einen großen, in Amerika gebräuchlichen Bauerwagen, welche mit Landeserzeugnissen in die großen Städte kommen und auf dem Rückwege Kaufmannswaaren oder Einwanderer mitnehmen. Es war ein großer, langer, blau angestrichener Kasten, welcher die nicht ganz unbeträchtlichen Wirtschaften dreier Familien in sich aufnahm und auf dessen Oberfläche noch 18 Personen Platz fanden. Unsere Abfahrt erfolgte bei dem lieblichsten Wetter. Wir brachen etwas spät auf, konnten an diesem Tage nur noch 10 englische Meilen machen, und kamen bei schönem, hellem Mondschein zu einem hübschen Gasthofe, wo wir abstiegen und die Nacht zubrachten. Der Herr Wirth war ein ziemlich maulfauler Hanoveraner; der nichts destoweniger am andern Morgen eine starke Rechnung machte. Und er war ein Deutscher!! –

Bei Tagesanbruch bewegte sich unser mit Menschen und Sachen wohlbepackter Wagen weiter, seinen Weg auf der schlechtesten Straße, Berg auf und ab und durch dichte Wälder verfolgend. Der Wagen schwankte fürchterlich; wir waren oft in Gefahr, umgeworfen zu werden; und ich zitterte für das Leben meiner Kinder. Aber der sorgfältige Fuhrmann brachte ihn überall glücklich durch. Er war einer jener biedern deutschen Pensylvanier; ein schöner langer Mann; artig und anspruchlos. Er sprach mit gleicher Fertigkeit das Englische, wie sein etwas rohes Deutsch. Wir fuhren bis tief in die Nacht, ehe wir ein Wirthshaus erreichten; wo wir aber weder etwas zu essen, noch Futter für die Pferde fanden. Obgleich die Mitternacht schon nahe war, so war im Hause doch noch alles munter; es wurde, wie es schien, stark gespielt. Wir fanden endlich Obdach in einer entfernten Kammer und der Fuhrmann war genöthiget, durch Schwarze einige Bushel Welschkorn in einer entfernten Plantage um hohen Preis kaufen zu lassen. Nur wenige Stunden war uns der Schlaf vergönnt; nüchtern mußten wir aufbrechen und erst in dem 10 Meilen entfernten Rokville fanden wir Erquickung und Futter für die Pferde. So fuhren wir noch bis Nachmittags gegen 4 Uhr, wo wir endlich auf unserm neuen Besitzthum ankamen. Es lag in einer reizenden, lieblichen Gegend, bildete einen sanften Abhang und wurde von einem schönen Waldkranze umfaßt. Die unbebaute Fläche war aber nicht mit grünem Rasen, sondern entblätterten Brombeersträuchern und einem hohen, gelben, binsenartigen Grase bedeckt. Es fiel mir dies sogleich auf; ich rufte meinen gebornen Bauer und fragte ihn, wie es denn komme, daß hier alles so gelb sehe, da es doch in diesem Jahre an Regen nicht gefehlt habe. Sehen Sie, gab er mir zur Antwort, denn nicht das viele Vieh, das hier weidet; wie kann da ein grünes Gras aufkommen. Ich stach ein wenig in die Erde und fand den Boden sehr sandig. Dies, meinte er, wäre hier zu Lande der beste Boden. Ich mußte mich bescheiden.

Da wir keine Häuser hatten, der nächste Nachbar mehr als eine Meile entfernt wohnte, so mußten wir in der ersten Nacht unsere Ruheplätzchen in Freien bereiten. Doch die Nacht war warm und schön; ein dichtbelaubter Kastanienbaum bot uns seinen Schutz; mit Betten waren wir reichlich versehen und alle schliefen herrlich. Nur gegen Morgen kam uns eine Schweinheerde so nahe, daß wir aus dem Schlafe gestört wurden. Die lieben Thiere wollten wahrscheinlich die neuen Gäste kennen lernen. Ich kann nicht sagen, daß mein Verlangen nach ihnen eben so groß gewesen wäre; ich hetzte unsern großen Hund auf sie, welcher bald Ruhe schaffte.

Am andern Morgen waren wir alle fleißig daran uns 2 Hütten zu erbauen, in welchen wir fürs erste das nöthigste Obdach finden könnten. Baumäste wurden abgehauen; diese durch Stangen befestiget und mit belaubten Zweigen so dicht verbunden, daß wir wohl für Regen gesichert zu seyn glauben durften. Gegen Mittag war die Arbeit beendiget und unsere Wohnungen standen fertig da. Sie waren 24 Fuß lang und 18 Fuß tief. Wir hatten bald Gelegenheit ihre Festigkeit zu prüfen. Schon in der ersten Nacht erhob sich ein ziemlich starker Sturm, und als wir am Morgen aus der Hütte heraustraten, sahen wir den Himmel mit dicken, schwarzen Wolken behangen. Bald strömte der Regen herab, breite Bäche stürzten auf unsere Hütte zu; und von oben drang er durch tausend Löcher herein. Guter Rath wurde theuer, die Männer fluchten, die Weiber jammerten, und die Kinder weinten und schrien, zu welchem Concert der plätschernde Regen accompagnirte. Ich hatte mich jedoch bald gefaßt; nahm meine Kinder bei der Hand und führte sie zu dem nächsten Nachbar. Er nahm uns gütig in sein kleines Blockhäuschen auf und verschloß auch dann seine Thüre nicht, als der ganze, noch 15 Köpfe starke Haufe, triefend von Nässe, nachkam. Der Regen dauerte den ganzen Tag fort, drang in unsere Kisten; durchnäßte unsere Betten, und verursachte manchen Schaden; mir vorzüglich, indem er meiner Gattin Bild sehr beschädigte, welches sie mir in unserer ersten Ehezeit – die glücklichste meines sturmbewegten Lebens – geschenkt hatte.

Der Regen dauerte den ganzen Tag und die folgende Nacht ununterbrochen fort, und wir sahen wohl ein, daß unsere Hütten uns nicht hinreichenden Schutz darböten. Wir mußten uns nach einer andern Wohnung umsehen. Aber woher diese in der so menschenarmen Gegend nehmen? – Der größte Theil der Häuser bestand hier aus Blockhäusern, in welchen höchstens die sie bewohnenden Familien Platz hatten. Endlich waren wir jedoch so glücklich, ein leeres Blockhaus zu finden; aber es war 2 Meilen von unserm Eigenthum entfernt. Wir mußten daher alle Morgen von hier unsern Weg dahin antreten, um unsere Arbeit, zu besser eingerichteten Wohnungen, beginnen zu können.

Es ging jedoch rasch daran; Bäume wurden gefällt und zugehauen, an welcher Arbeit aber meine ungewohnte Hand keinen Antheil nehmen konnte. Ich grub indeß auf einer der besten Stellen unsers Landes einen Garten. Nach Verlauf von vier Wochen standen unsere Wohnungen aufgerichtet da; wobei unsere Nachbarn treulich mit Hand angelegt hatten. Nun mußten Löcher für die Thüren eingehauen; die Lücken, welche die Baumstämme gelassen hatten, mit Lehmen verklebt und durch einige eingefügte Glasscheiben, der Mangel der Fenster ersetzt werden. Dann wurden die ungedielten, noch mit keiner Thür versehenen Häuser bezogen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1