Einführung.

Es war am 13. April 1834, als ich in Begleitung meiner Kinder, ihrer Wärterin und zweier Gefährten Zeitz verließ, um mich auf den Einschiffungsplatz, Bremen zu begeben. Mit welchen Gefühlen ich die theure Vaterstadt verließ, wo ich meine Jugend verlebt, als Sohn, Bruder, Gatte, Vater und Bürger gewirkt; wo ich Gutes und Böses, Frohes und Trauriges erfahren hatte, an welcher alle meine Erinnerungen hingen, läßt sich nicht beschreiben. Ich ging wie im Traume, blickte nicht zurück auf die theure Heimath, so lang sie noch zu sehen war. Das lärmende Geräusch unsrer Begleitung ging mir schneidend durch die Seele. Einige Heiterkeit gewann ich erst wieder, als ich nach Bremen kam, wo das rege Leben in der heitern Seestadt mich aus meinem dunklen, fühllosen Zustande weckte. Tausende von Auswanderern waren vor uns angekommen, gleich uns hoffend, mit leichter Mühe Glück und Reichthum jenseits des Meeres zu finden. Wir Thoren alle! – Gewiß hat von diesen Tausenden der größte Theil sich bald enttäuscht gesehen! –

Bremen ist eine alte Stadt, mit krummen, engen Straßen, schönen Häusern, glücklichen, rechtlichen, freundlichen Bewohnern. Der arme Flüchtling wird hier gütig aufgenommen, billig bewirthet, und genießt hier vielleicht zum letztenmal die Freuden, die kein anderes Land so gut, als Deutschland geben kann. Ich fand dort an einem gewissen Schlöndorf einen gastfreundlichen Wirth, eine reinliche, artige Wirthin, ein hübsches Stübchen, gute und wohlfeile Kost; selbst einige Unglücksgefährten der bessern Art; alle von glänzender Hoffnung belebt, und mich selbst damit erfüllend.


Doch den Muth vieler schlug das Unglück nieder, welches das amerikanische Schiff unter Kapitain Roß gehabt hatte. Dieses Schiff war vor kurzem in der Weser gescheitert, und hatte einige dreißig seiner Passagiere verloren. Die Wohlthätigkeit der Bremer fand hier Gelegenheit, sich in schönstem Lichte zu zeigen. Die Geretteten, aller ihrer Habe beraubt, wurden frei einquartirt, beköstigt und überreich entschädiget. Ja mancher von ihnen ist reicher von Bremen abgefahren, als er dahin gekommen war.

Ich habe in Bremen einige wirklich sehr angenehme Tage verlebt, aber sie sollten auch für lange, lange Zeit die letzten seyn! –

Am 25. April erhielt ich die Anweisung, mich mit den Meinigen auf dem Weserkahn, Adelheid, einzuschiffen, welches uns nach dem Bremer Hafen bringen sollte. In dieses kleine enge Schiffchen wurden gegen 50 Personen verpackt. Gut, daß die Reise nur 24 Stunden dauerte; denn an niederlegen, schlafen, an den Genuß einer warmen Speise war hier nicht zu denken. Die sämmtlichen Passagiere gehörten zu der Brigg, Ella, das Schiff, welches uns aufnehmen sollte. Die Gesellschaft selbst bestand aus dem rohesten Auswurf mehrerer deutschen Stämme. Würtemberger, Baiern, Badener, Nassauer, Preußen, Sachsen, fluchten in allen deutschen Idiomen wild durcheinander. Ich sah mich unter den Gesichtern um, mit denen ich lange Zeit zusammen leben sollte, aber ich sah wenig Anziehendes. Züge genug; welche Furcht einflößen konnten. Die Nacht kam herbei, ein Schlafplätzchen mußte gesucht werden. Aber wo dieses finden. Ich brachte meine Kinder so gut ich konnte unter, wohl fühlend, daß es mir unmöglich seyn werde, selbst zu schlafen. Die Nacht war elend und der Raum des Schiffes mit Gestank erfüllt. Nach einer 24stündigen Reise kamen wir zwar glücklich in Bremer Hafen an; mußten aber, da die Schlafplätze auf der Brigg Ella noch nicht völlig eingerichtet waren, noch eine Nacht auf der Adelheid zubringen. Im Hafen selbst war Schnaps, Wein und schlechtes Bier genug, aber keine warme Speise zu bekommen. Eben so wenig erhielten wir etwas von dem Schiffe; mußten uns daher bequemen, uns selbst etwas zu kochen.

Das Schiff, auf dem wir überfahren sollten, war eine schöne kleine Brigg; aber wie sehr erschrack ich, als ich den Raum besah, der auf der Reise unser Aufenthaltsort werden sollte. Auf einer Leiter mußten wir in ein ziemlich enges Behältniß steigen, in welches 84 Menschen eingepreßt werden sollten. Die Schlafplätze, Behältnisse, 6 Fuß breit, 2 Fuß hoch und 5 Fuß tief, schienen passender für Schweine, als für Menschen eingerichtet zu seyn, und in ein solches Loch, das kaum für drei Menschen Raum genug hatte, mußten fünf kriechen. An eine Wendung in der Nacht war nicht zu denken. Zugleich waren sie so niedrig, daß man nur der Länge nach hinein kommen konnte. Ich, meine 2 Kinder, ihre Wärterin und ein Kaufmannsdiener, wurden in ein solches Loch verpackt. Diese Schlafplätze heißen Cogen, wahrscheinlich eine Ableitung von dem Wort Cobe, Schweinskobe. Sie gleichen zwar einigermaßen einem solchen Behältniß, stehen aber in mancher Hinsicht weit hinter diesem zurück.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1