Eine Hinrichtungsscene.

Die Hinrichtungen sind in Amerika noch meist öffentlich. In einigen Staaten jedoch, wie in Pensilvanien, sind nur einige Personen dabei; der Sherif, der Geistliche, einige Mann Wache, und wenn es der Wunsch des Deliquenten ist, seine Freunde und Verwandten. Obschon der Sherif in der County die erste Magistratsperson ist, hat er doch die Pflicht, den Deliquenten den Strick um den Hals zu legen, oder einen Henker dafür zu dingen. Größtenteils, wenn auch nicht immer, geschieht das letztere. Immer aber muß er zugegen seyn und das Gerüst mit besteigen. Der Henker ist, wenn die Hinrichtung öffentlich geschiehet, stets masquirt; eben so der Deliquent. Wenigstens wird dessen Gesicht mit einem weißen Moußlinstreifen bedeckt.

Ich bin in Baltimore Zeuge einer Hinrichtung gewesen.


Der Kapitän eines Schiffes, welches von Baltimore nach Westindien gehen wollte, hatte seinen schwarzen Koch eines geringen Vergehens wegen, schwer gemißhandelt. Der Neger schwur ihm Rache, war aber äußerlich ruhig; verrichtete seine Geschäfte und Niemand ahnete etwas. Der Kapitain hatte sich aber kaum auf einer Bank ausgestreckt, um Mittagsruhe zu halten, als der Koch das scharfe Fleischbeil ergreift und ihm einen solchen Hieb in den Hals versetzt, daß dieser fast ganz durchschnitten wird.

Man bemächtiget sich nun sofort des Thäters, fesselt ihn, und das seines Führers beraubte Schiff kehrt nach Baltimore zurück, wo der Verbrecher dem Criminal-Court übergeben wird.

Der Unglückliche, an dessen Körper noch sichtbare Spuren der Mißhandlung vorhanden sind, leugnet die That nicht; allein er will den Kapitain nicht morden, nur die Hand, welche ihn so ungerecht behandelt hatte will er haben abhauen wollen, in der Wuth aber fehlgeschlagen haben. Mehrere Courtsitzungen werden gehalten; man kann sich nicht sofort vereinigen und endlich scheinet mehr die Farbe als die That, den Ausspruch: schuldig des vorbedachten Todtschlags, – hervorzurufen.

Die Hinrichtung fand in der Jailyard, – im Gefängnishofe – statt. Das Gefängnis liegt ganz am Ende der Stadt, am Fuße des Berges, auf dessen Gipfel das schon von weiten sichtbare Denkmahl Washingtons stehet. Von hier aus kann man den ganzen, von einer hohen Mauer umgebenen Gefängnißhof übersehen, in dessen Mitte das schöne Gefängniß liegt. Es ist dieses wieder durch eine hohe Mauer von dem Zuchthause geschieden, welches mehr einem Schlosse ähnlich siehet. Eine kleine Straße trennt die letzten Häuser der Stadt von demselben.
An der einen Seite dieses Hofes war den Tag vorher ein Gerüst aufgeschlagen worden, welches mit einer Fallthür versehen war, über welcher der Galgen angebracht war.

Die Hinrichtung fand in der Mitte May 1835, an einem schönen Frühlingstage, statt. Ich hatte meinen Standpunkt auf dem oben erwähnten Berge genommen, um so alles sehen zu können. Der Verbrecher wurde in eine weiße Kattun-Kutte gekleidet, barfuß, die Arme über den Ellenbogen mit einem schwarzen starken Bande festgebunden, auf das Gerüst geführt. Er stieg die hohe Treppe mit festem Schritt hinauf; gefolgt von dem masquirten Henker und dem Sherif. Oben wurde ihm der Strick um den Hals gelegt, worauf beide das Schaffot eilig verließen.

In diesem Zustand begann er eine lange Rede; gestikulirte heftig, soweit die gefesselten Arme es gestatteten und schrie dabei so stark, daß ich, obwohl auf 4 bis 500 Schritte von ihm entfernt, seine Worte hören, wenn auch nicht verstehen konnte. Er dehnte sie wohl auf 15 bis 20 Minuten aus. Endlich war sie beendiget; die Fallthüre öffnete sich und der Arme stürzte herab und schwebte vom Stricke gehalten, zwischen Himmel und Erde.

Seine Eitelkeit oder sein Muth, kamen ihm aber theuer zu stehen. Wahrscheinlich war ihm, um ihn nicht im sprechen zu hindern, der Strick nicht fest um den Hals gelegt worden; denn wohl zwölfmal drehte er sich im Kreise herum, und die furchtbaren Anstrengungen, womit er seine gefesselten Arme zu befreien und den Strick zu lüften suchte, zeigte von Bewußtseyn. Noch mehrere Minuten machte er mit den schwarzen, nackten Beinen gewaltige Bewegungen, bis sie endlich schwächer wurden und sein Geist entfloh.

Während der letzten Anstrengungen des Unglücklichen, eilte ich von meinem entfernten Platze nach dem Orte der Hinrichtung. Als ich in dessen Nähe gekommen war, hatte der Unglückliche ausgelitten.

Ich kehrte sofort wieder um; allein noch war ich nicht 50 Schritte entfernt, als ich mich noch einmal umsah, und schon war der Leichnam abgeschnitten und den harrenden Aerzten übergeben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1