Ein amerikanisches Hauswesen.

Fast einen Monat lebte ich mit meinen Kindern in dem Farmhause meines Freundes Richoles. Er war Eigenthümer eines Gutes von 900 Ackern – acres – Landes und von 20 männlichen und weiblichen Sclaven, zu welchen 9 Kinder gehörten. Seine Familie war zahlreich und sie bildeten zwei reitzende Töchter und fünf wohlgewachsene Söhne. Ein junger Mensch, den ich anfänglich auch für seinen Sohn gehalten hatte, war der Familie fremd.

In seinem Hause herrschte überall Ordnung, Reinlichkeit, Ruhe. Der Anbruch des Tages rufte jeden an das ihm bekannte Tagewerk. Kein Schimpfwort, kein Fluch wurde gehört. Schwarze und Weiße wetteiferten in Fleiß und Ausdauer mit einander, in der Ausführung der Wünsche und Befehle ihres Vaters und gütigen Herrn; welcher sie durch kurze, aber sanfte und gütige Worte ausdrückte. Die weiblichen Sclaven, geleitet von beiden Töchtern – ladys – stets mit wohlgeordnetem Haar und in der reinlichsten, sehr gewählten Kleidung, – fingen ihr Tagewerk damit an: daß sie das Haus fegten, die Kühe molken und das Frühstück bereiteten. Dieses wurde für die Familie zwischen 7 und 8 Uhr aufgetragen und bestand in zwei bis drei Sorten von Fleisch, in Wildpret, Sallaten, Gemüßen; manchmal auch in Suppe, Kuchen, Welschkornbrod und Kaffe, welcher, da es ein Temperanzhaus war, blos mit Milch und Wasser versetzt wurde. Eine der Töchter übernahm bei Tische die Bedienung mit Kaffe; sonst war Jeder sich selbst überlassen und langte nach Willkühr aus den aufgetragenen Schüsseln zu; je nachdem sie ihm ansprachen. Genöthigt wird nur wenig; wohl aber wird der Fremde auf dieses oder jenes Gericht aufmerksam gemacht, von welchem man glaubt: daß es ihm munden werde. Man ißt in der Regel sehr schnell und verschiebt das Sprechen bis nach der Mahlzeit. Wer sich gesättiget fühlt, stehet ohne Umstände und Komplimente auf.


Hat die Familie gefrühstückt, erhalten die Sclaven, jedoch in einem andern Zimmer, ein sehr reichliches, treffliches Frühstück; gewöhnlich ohne Auswahl das, was abgehoben worden war.

Nach demselben eilt alles an die Arbeit; welche für die Familienglieder natürlich nur in der Aufsicht über die Sclaven, in Nachsehen in Ställen und Scheunen bestehet. So kommt die Zeit des Mittagsbrodes herbei. Der Tisch gleicht ganz in seiner Anordnung der beim Frühstück; nur daß kein Kaffe gereicht wird. Nach Tische wird gewöhnlich Cider herumgegeben. Im Winter wird während des Nachmittags den Sclaven die Arbeit, unter Aufsicht von ein oder zwei Männern, allein überlassen; welche der bei uns gewöhnlichen gleicht.

Die Frauen der Familien geben oder nehmen Besuche an; die Männer thun dasselbe, oder belustigen sich mit der freilich nicht sehr ergiebigen Jagd. Sie schießen Birkhühner, Eichhörnchen und Kaninchen. Wild giebt es wenig.

So kommt der Abend herbei, wo das dritte gleich gute Mahl eingenommen und wobei Thee herumgegeben wird. Gegen zehn Uhr geht alles schlafen.

Die Nicholesche Familie war wahrhaft gebildet; Vertraulichkeit, Herzlichkeit, war überall sichtbar; aber verbannt eine nichtssagende Höflichkeit, welche unter uns so gebräuchlich ist.

Die vielen unter uns bei jedem Ereignisse gebräuchlichen Wünsche, selbst bis zum Nießen herab, kennt der Amerikaner nicht. Ein Händedruck ist sein einziger und bester Gruß.

Auch auf dem Lande erfreuet sich das weibliche Geschlecht der zartesten Achtung; und in der That, es verdienet sich dieselbe durch seine körperlichen Reitze, seine Häuslichkeit, seine Bildung und vortrefflichen Eigenschaften. Befreit von aller groben Arbeit zu Hause und auswärts, beschäftigen sich die Frauen mit weiblicher feiner Arbeit; sorgen mütterlich für ihre Sclavinnen und deren Kinder; sind ununterbrochen aufmerksam auf ihr Hauswesen und sind die liebenswürdigsten Töchter, die treuesten Gattinnen, die zärtlichsten Mütter. Menschenliebe ist eine ihrer schönsten Tugenden. Kommen abgerissene Bettler in ihre Zimmer, sie werden sie ohne Verachtung aufnehmen, mit Güte behandeln, ihnen teilnehmend einen Stuhl ans trauliche Kamin rücken, sich freundlich mit ihnen unterhalten und gern das darreichen, was der Arme bedarf und sie entbehren können. Diese Schilderung des Glücks des amerikanischen Landlebens könnte manchen meiner Landsleute verlocken, hinzugehen, um desselben theilhaftig zu werden. Ich will daher gleich hinzusetzen: unter welchen Bedingungen es zu erlangen möglich seyn könnte.

In Montgommery, County, Maryland, – Gegenden, die ich habe genau kennen lernen – würde zur Einrichtung einer nicht gar zu großen Landwirthschaft ohngefähr folgendes erforderlich seyn:
100 Acker guten, tragbaren, nicht zu entfernt
liegenden Landes, mit hinreichendem
Holzbestand, würden kosten: 1.000 $
vier männliche Sclaven: 4.000 $
zwei weibliche Sclaven: 1.000 $
vier Pferde: 120 $
zwei Wagen: 300 $
Wirthschaftsgeräthe: 500 $
9.720 $


Eine solche Wirtschaft würde eine der kleinsten seyn und seinen Besitzer nur mäßig ernähren. Mein Freund Nicholes besaß 900 Acker und 30 Sclaven und der Ankauf eines solchen Gutes würde auf 40 bis 50.000 Dollars oder 60 bis 70.000 Preuß. Thaler zu stehen kommen. Wer aber ein solches Vermögen besitzt, hat keinen Grund auszuwandern; Deutschland mit Amerika; das gesellige, angenehme Leben hier, mit dem einförmigen von dort zu vertauschen; wo ihm überdies ein früh oder spät ausbrechender Aufstand der Schwarzen, mit dem Verlust seiner Güter, vielleicht seines Lebens drohet.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1