Die Sclaven Amerikas.

Ohnstreitig ist die Sclaverei ein Verbrechen gegen die Menschheit; eine Schande unsrer jetzigen Zeit. Hört man in Ländern davon wo sie nicht gekannt wird; wer fühlte sich nicht davon empört, verletzt. Und wie verträgt sie sich mit jener hochgerühmten Freiheit! Wie wird da einem zu Muthe, wenn man siehet, wie die armen Schwarzen zusammengefesselt, durch Sklavenhändler aus einer Gegend in die andere geschleppt werden, um in öffentlichen Auctionen ausgestellt und wie das Vieh ausgeboten und verkauft zu werden. Giebt es wohl einen größern Frevel an der Menschheit! –

So dachte auch ich; dieses waren meine Gefühle als ich zuerst von Sclaverei hörte, Sclaven sah. Doch tritt man näher, macht man sich erst mit der Art, wie die Sclaven behandelt werden, bekannt; so verschwindet nach und nach etwas von den ersten Eindrücken. Ich habe oft Gelegenheit gehabt, das Leben der Sclaven, ihr Verhältniß zu ihrem Herrn, die Art, wie sie gehalten werden, zu beobachten und ich muß gestehen, ich bin zu der Ueberzeugung gekommen: daß sie in allgemeinem weit besser genährt und behandelt werden, als unser europäisches Gesinde. In der Regel bekommt der Sclave, obwohl an einem besondern Tische, dieselbe Kost, welche sein Herr genießt; wenigstens erhält er alltäglich dreimal Fleisch, mit Thee und Kaffe; in manchen Häusern außerdem täglich einen Schnaps, oder wo dieser, – Dank sey es den Temperanz-Gesellschaften – verbannt ist, reichlich Cider. In der Kleidung wird er in Städten oft sehr gut, weniger gut, oft gering auf dem Lande gehalten. Das, was man von der schrecklichen Peitsche erzählt, habe ich, ob ich mich gleich in vielen, Sclaven haltenden Häusern, in Maryland, Virginien und Columbien aufhielt, nicht bestätigt gefunden; und nie habe ich gesehen: daß sie angewendet worden wäre. Ihre Weiber und Kinder haben, selbst in sehr reichen Häusern, Erlaubniß, sich neben der Herrschaft an das Kamin zu setzen, um sich zu wärmen; ja ich habe oft mit Rührung gesehen, wie sich der Herr mit seinen Sclaven und von ihnen umringt, auf das freundlichste unterhielt; und oft habe ich mich in den Gesprächszimmern mit Ladys unterhalten; während schmutzige Negerbuben in dem Winkel desselben Zimmers ungestört spielten.


Nichts destoweniger sind die Neger in allgemeinem ein Gegenstand der Furcht und des Schreckens, und lebhaft ist die Besorgniß wegen eines frühern oder spätern Aufstandes derselben. Und es ist nicht zu läugnen, daß bei der großen Fruchtbarkeit der schwarzen Mütter, – die Anzahl der Schwarzen verhält sich zu der der Weißen wie 1 zu 5; – bei der elenden Militairverfassung in den vereinigten Staaten; bei den Aufforderungen, die gelungene Aufstände in andern Ländern Amerikas darbieten, über kurz oder lang ein Ausbruch zu befürchten ist. Wehe dann der Menschheit, der Kampf würde lang und fürchterlich; von unerhörten Grausamkeiten begleitet seyn.

Ich erinnere mich, indem ich dieses schreibe, dessen, was mir einst ein ziemlich gebildeter, mit mehrern Handwerken vertrauter Sclave meines Freundes, Dowzen, sagte. Nicht unvermögend und mit einer freien Schwarzen verheirathet; war er in nicht ungünstigen Verhältnissen. Er hatte meinen elenden Zustand kennen lernen, während ich in dem Blockhause in Montgommeri County, hülflos und gepeiniget von entsetzlichen Schmerzen an mein Lager gefesselt war; und er kam einst um mich zu besuchen und mir einige Lebensmittel gegen Eintausch anderer Gegenstände abzulassen. Ich klagte ihm meinen elenden, verlassenen Zustand; und erwähnte unter andern: daß er nie in einen so elenden Zustand gerathen könne, als der sey, in welchem ich mich jetzt befände.

Das ist wahr, erwiederte er; aber noch immer vertauschte ich gern meine Lage mit der ihrigen. Sie gehören sich doch selbst an. Mein zwar sehr gütiger Herr kann heute noch sterben; dann werde ich vielleicht morgen weg von Frau und Kindern gerissen und gefesselt auf irgend einen Platz gebracht, um hier gleich dem Vieh öffentlich verkauft zu werden; und in der That, ich wußte nicht, was ich darauf erwiedern sollte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1