Die Rückreise nach Europa.

Ich habe schon früher bemerkt, daß ich bei meiner letzten Anwesenheit in Baltimore einen Theil meines Geldes in Waaren gesteckt hatte, um für den Fall, daß es mit dem Unterrichtgeben nicht gelingen sollte, das Hausirgewerbe wieder anzufangen. Es würde dies aber doch haben unterbleiben müssen, da der Lizenz 40 Dollars kostete, und ich von dem ehrlichen Constabler zu Eastown gewarnt, nicht würde gewagt haben, dieses Geschäft ohne Gewerbschein zu unternehmen. Ich sah mich daher, und da mein Entschluß zur Heimkehr fest stand, gezwungen, diese Waaren zu verkaufen; freilich mit sehr beträchtlichem Verluste.

Ich hätte jedoch, wenn sogleich Gelegenheit zur Rückfahrt vorhanden gewesen wäre, Geld genug darzu behalten. Aber mein Aufenthalt in Fredrikstown verzögerte sich länger als einen Monat, und meine Casse war bis auf wenige Dollars geschmolzen, als ich am 12. Mai die Nachricht erhielt: daß ich, wenn ich die nächste Gelegenheit benutzen wolle, den 14ten in Baltimore eintreffen müsse. Eiligst wurde nun gepackt und der gerade nach Baltimore abgehende Kart benutzt. Beinahe wäre ich aber zu spät gekommen; allein obschon das Schiff überladen war, gelang es mir doch, durch die Vermittelung der Herren Heinecke und Schuhmacher, mit meinen Kindern aufgenommen zu werden. Doch wie kam ich auf das Schiff. Meine und meiner Kinder Kleidung war in sehr schlechtem Zustande, und meine Baarschaft bestand noch in 1½ Dollars; und doch hatte ich in Europa noch eine Reise von fast 60 deutschen Meilen zu machen. Gewiß, dieser Geldmangel würde viele von dem Unternehmen zurückgeschreckt haben. Für mich war er ein um so stärkerer Antrieb. Auch hatte ich schon gelernt, gleich andern Armen, sorglos zu seyn, und das, was der folgende Tag bringen werde, ruhig abzuwarten. Schon oft war mir in großer Noth dann Hülfe geworden, wann ich sie am wenigsten erwarten konnte. Diese Erfahrung hatte mein Vertrauen zu einer allwaltenden, gütigen Vorsehung so gestärkt, daß ich auch ruhig in die Zukunft blickte. So wenig ich nun auch absehen konnte, wie ich mit so geringen Mitteln, mit den Meinigen nur Bremen erreichen wollte, bestieg ich doch freudig und getrost das Schiff, welches mich zurück in das theure Vaterland bringen sollte. Und meine Hoffnungen wurden nicht getäuscht. Dank, inniger Dank dir, dem weisen und gütigen Lenker unsrer Schicksale! –


Unsere Seereise war eine der glücklichsten und angenehmsten, die es nur geben kann. Zwar begünstigte uns die ersten Tage der Wind nicht, obschon das Wetter schön war; und wir trieben uns fast fünf Tage in der Chesabeake Bay herum, ehe wir in die offne See kommen konnten. Aber kaum waren wir glücklich hinaus, so trat auch günstiger Wind ein, welcher länger als 3 Tage anhielt und unser Schiff pfeilschnell der Heimath zuführte. Es hieß Neptun; war ein schönes, gut und dauerhaft gebautes Schiff, und überdies ein vortrefflicher Segler. Der Kapitain, Hille, war einer der besten Menschen; ihm glichen ganz der Ober- und Untersteuermann an Herzensgüte. Der letztere hatte überdies einen Anstrich von jener feinern Bildung, welche man bei Seeleuten so selten findet. Sämmtliche Matrosen waren vielleicht die gefälligsten und feinsten Leute, die je auf dem Wasser gewesen sind. Daß unter solcher Leitung Niemand Mangel litt, bedarf wohl keiner Erwähnung. Die Kost war zwar Schiffskost, aber kräftig, gut bereitet und wurde eher überflüßig, als blos hinreichend gegeben.

Die auf demselben befindlichen Reisenden waren fast alle Leute, über welche so mancher Sturm des Lebens hinweggegangen war und hatten, mit Ausnahme einiger jungen Amerikaner, die Reise schon mehrmals gemacht. Alle, ohne Ausnahme, suchten mir auf jede Art gefällig zu seyn; mich zu erfreuen, zu erheitern, zu trösten. Besonders gütig bewiesen sich gegen mich ein Deutscher aus Washington, Herr Bolt, ein amerikanischer Kaufmann, und Herr Muth, aus Baltimore; ein Mühlenarzt, Herr Järkens; ja sie unterstützten mich mit Geld, als ich, ganz davon entblöst, in dem Bremer Hafen landete.

Meine Kinder fühlten die Unbequemlichkeiten der Seereise nicht; sie wurden vortrefflich behandelt und bekamen täglich sehr gutes Essen aus der Kajüte. Matrosen und Steuerleute spaßten sich mit ihnen und liebkosten sie. So glücklich auch die Fahrt war, für mich führte sie doch einige Unglücksfälle herbei. Mein Hut wurde von dem Winde ins Meer getrieben; ein fühlbarer Verlust für mich, in meinen damaligen Umständen. Meine und meiner Kinder schon sehr abgetragene Kleider rissen sehr zusammen; besonders da es uns an Wechsel fehlte und manches Kleidungsstück angezogen werden mußte, was wir eigentlich für die Landreise hätten schonen sollen. Unser Schuhwerk wurde immer schadhafter und war fast nicht mehr zu brauchen. Die Güte eines Schiffseleven, er hieß Dietrich Schilling, – ich fühle mich gedrungen, seinen Namen zu nennen, und ihm hier öffentlich zu danken, – ersetzte mir den Verlust des Hutes dadurch, daß er mir eine seiner Mützen gab; und der Stuart oder Kajütendiener schenkte mir gleich nach der Ankunft in Bremer Hafen ein paar Schuhe, welche ein Kajütenpassagier zurück gelassen hatte; Geschenke, welche mir sehr nützlich wurden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Auswanderer nach Amerika, Teil 1