Der Apfel auf dem Weltmarkt

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1922
Autor: Dr. S. v. Jezewski, Erscheinungsjahr: 1922

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Obstarten, Obstanbau, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Ernährung, Wintervorräte, Apfelbaum, Apfelsaft, Zider, Apfelwein, Obsternte
Unter den Obstarten der gemäßigten Zone nimmt der Apfel den ersten Rang ein. Schon in vorgeschichtlicher Zeit spielte er, wie die Funde in schweizerischen und italienischen Pfahlbauten gezeigt haben, in der menschlichen Ernährung eine wichtige Rolle. Gedörrte Apfelschnitze wurden von den Bewohnern der Pfahlbauten als Wintervorräte aufgespeichert. Neben einer kleineren, unserem Holzapfel gleichenden Sorte kannte man in der Steinzeit bereits eine größere Sorte, die den ersten Anfang der Kultur des Apfelbaumes darstellt. Sicher war die Zucht des Apfelbaumes den alten Germanen schon in vorrömischer Zeit bekannt, so dass wir den Apfel als unseren ältesten Obstbaum ansehen dürfen.

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Im Deutschen Reiche hat der Anbau des Apfels in der jüngsten Zeit bedeutende Fortschritte gemacht. Während bei der im Jahre 1900 vorgenommenen Obstbaumzählung erst 52.332.853 Apfelbäume ermittelt wurden, ergab die Zählung von 1913 einen Bestand von 74.375.929 Stück, was einer Zunahme von mehr als 42 Prozent entspricht. Damit hat sich der Apfel unter den deutschen Obstbäumen den ersten Platz erobert, den bisher die Pflaume innehatte. Der Anteil des Apfels an der Gesamtzahl aller Obstbäume stieg von 31 Prozent auf 38 Prozent, während der der Pflaume von 41 Prozent auf 33 Prozent fiel.

Am stärksten verbreitet ist der Apfel im Südwesten des Reiches und in Sachsen. Das apfelreichste Gebiet Deutschlands ist der württembergische Neckarkreis, wo auf einen Quadratkilometer der Gesamtfläche nicht weniger als 638 Apfelbäume entfallen, das apfelärmste der Regierungsbezirk Allenstein mit nur 23 Apfelbäumen auf der gleichen Fläche. Verrechnet man dagegen die Bäume auf die Bewohnerzahl, so steht am günstigsten der württembergische Jagstkreis mit 321 Apfelbäumen auf 100 Einwohner, am ungünstigsten die Stadt Berlin da, wo auf 100 Menschen nur ein einziger Baum entfällt.

Auch in der Erntemenge steht der Apfel weitaus an erster Stelle unter den deutschen Obstarten. Vom Gesamtumfang unserer Obsternte, der auf durchschnittlich 25,5 Millionen Doppelzentner im Jahre geschätzt wird, entfallen auf den Apfel etwa 9,9 Millionen Doppelzentner, auf Birne und Pflaume dagegen nur 4,4 beziehungsweise 4,2 Millionen Doppelzentner. Zu der heimischen Apfelernte kam in Friedenszeiten eine Einfuhr in Höhe von 2 bis 4 Millionen Doppelzentner. Auf den Kopf der Bevölkerung ergab sich demnach ein Gesamtverbrauch von etwa 20 Kilogramm Äpfeln im Jahr.

Von großer Bedeutung ist der Anbau des Apfels in Österreich. Die Obstkammern des einstigen Kaiserreiches waren Böhmen und Steiermark; das edelste Obst der Welt wird um Bozen und Meran geerntet. Die Kernobsternte Österreichs belief sich im letzten Friedensjahre auf fast 5 Millionen Doppelzentner. In der Versorgung des deutschen Marktes spielte das österreichische Obst eine wichtige Rolle, die Wasserader der Elbe eröffnete ihm einen wohlfeilen Ausfuhrweg. Der Obstbedarf Berlins wurde im Frieden zum großen Teil von Böhmen gedeckt. Deutschland bezog allein an frischen Äpfeln aus Österreich im Jahre 1913 626.160 Doppelzentner im Werte von über 7,5 Millionen Mark.

In nördlicher Richtung dringt der Apfel fast bis zum Polarkreis vor. Auch im europäischen Russland ist der Anbau des Apfels trotz der strengen Winter weit verbreitet. In der Umgegend von Kasan ernten, obwohl dort Fröste bis zu — 40 Grad Celsius beobachtet werden, zwölf Dörfer bei mittlerem Ernteausfall Apfel im Werte von mehr als einer viertel Million Mark. Im Allgemeinen liefert der russische Obstbau billige Massenware, neuerdings hat aber auch die Erzeugung von Edelobst am Schwarzen Meer, besonders auf der Krim, große Ausdehnung gewonnen. Als eine Eigentümlichkeit des russischen Marktes sei die Tatsache erwähnt, dass die Nachfrage nach den verschiedenen Sorten in Petersburg, Moskau und anderen Städten stark von der Mode abhängt. Während das Publikum das eine Jahr weiße Apfel verlangt, werden im anderen Jahre rote Apfel begehrt und erzielen bessere Preise.

Das eigentliche Apfelland Europas aber ist Frankreich. In den höheren Lagen reifen herrliche Tafelfrüchte, die Abhänge des Juras und der Alpen liefern im Überfluss Reinetten und Kalvillen, wegen ihres Obstreichtums berühmt sind die Täler des Zentralmassivs. In den Ebenen des Nordens besitzen Flandern und die Pikardie treffliche Obstgärten. Ein großer Teil der Ernte wird nach England ausgeführt, ein Teil dient der Versorgung der Landeshauptstadt. In der Umgebung von Paris selbst wird der Apfel vor allem in Busch- und Spalierform gezogen; in Rosny hat man von einem 4 Meter zu 2,80 Meter großen Spalier von weißer Kalville in einem Jahr nicht weniger als 1.500 Früchte mit einem Verkaufswert von 75 Centimes für das Stück geerntet.

Weit ausgedehnter als die Kultur von Tafeläpfeln ist in Frankreich der Anbau von Mostäpfeln. Der Apfelwein oder Zider ist neben dem Traubenwein das eigentliche Nationalgetränk der Franzosen. Die Hauptsitze des Mostapfelbaues sind die Bretagne und die Normandie. Hier ist im Departement La Manche ein Fünftel der gesamten landwirtschaftlich benützten Flüche mit Zideräpfeln bepflanzt. Auf die Güte des Mostapfels ist die Beschaffenheit des Bodens von hohem Einfluss, auch schwankt der Ausfall der Ernten in den einzelnen Jahren beträchtlich. So stellte sich der Ertrag an Zideräpfeln im Jahre 1903 auf nur 5,7 Millionen Hektoliter, im folgenden Jahre aber auf 41 Millionen Hektoliter. Ein guter Abnehmer für die französischen Mostäpfel ist Süddeutschland, vor allem Württemberg.

In hoher Blüte steht der Apfelanbau, gleichzeitig auch die Apfelweinfabrikation, im Süden und Westen Englands. Die heimische Erzeugung wird ergänzt durch eine starke Einfuhr, die sich im letzten Friedensjahre auf 3,25 Millionen englische Zentner im Werte von fast 2,25 Millionen Pfund Sterling belief.

Eine glänzende Entwicklung hat die Kultur des Apfelbaumes in der Neuen Welt genommen. In den Vereinigten Staaten bildet er die Hälfte aller vorhandenen Obstbäume. Unter insgesamt 432,1 Millionen Obstbäumen, die beim Zensus von 1910 ermittelt wurden, befanden sich nicht weniger als 217,1 Millionen Apfelbäume. Am häufigsten jedoch ist der Apfel an der mittleren atlantischen Küste und in den nördlichen Zentralstaaten zu finden. Ebenso ist sein Anbau auch am Stillen Ozean in raschem Wachsen begriffen. Die apfelreichsten Staaten sind Missouri mit fast 18 Millionen und New York mit 14 Millionen Apfelbäumen. Auf je 100 Bewohner der Union entfielen 236 Apfelbäume, auf je 100 Einwohner des Deutschen Reiches aber kaum halb so viel, nämlich 111 Stück. Der Versand und die Lagerung des Obstes sind in Amerika vorbildlich ausgestaltet worden; im weitesten Umfange bedient sich der Obsthandel in der Neuen Welt der Kühlwaggons und der Kühlhäuser. Dank der hervorragenden Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Apfelsorten hat auch die überseeische Ausfuhr an frischen Äpfeln große Fortschritte gemacht. An frischen Äpfeln kamen im Jahre 1912 1.456.000 Fass, im Jahre 1904 sogar mehr als 2 Millionen Fass zur Ausfuhr, daneben an getrockneten Äpfeln im ersteren Jahre weitere 53,7 Millionen Pfund. Deutschland bezog im letzten Friedensjahre von der Union frische und getrocknete Apfel im Gesamtwerte von 13,8 Millionen Mark. Dass der amerikanische Apfel sich in so hohem Maße die Gunst der europäischen Käufer erringen konnte, wird vor allem auf das gleichmäßig gute, ansehnliche Äußere der amerikanischen Ware und ihre sorgfältige Sortierung und Verpackung zurückgeführt.

Zu einer wichtigen Stätte des Obstbaues ist in neuerer Zeit auch das ferne Australien geworden. Während der heiße Norden des Erdteils tropische und subtropische Früchte hervorbringt, werden in dem kühleren Süden neben dem Wein die Obstarten der gemäßigten Zone kultiviert. Der Hauptsitz des australischen Obstbaues ist die Insel Tasmanien, die wichtigste Frucht der Apfel, der etwa vier Fünftel aller Obstgärten der Insel einnimmt. Es gibt auf Tasmanien kaum einen Einwohner, welchen Standes er auch sein möge, der nicht an einer Apfelfarm beteiligt wäre. Die Fläche an Obstgartenland, die in Tasmanien auf jeden Einwohner entfällt, beträgt 583 Quadratmeter; sie ist rund siebenmal so groß wie die entsprechende Fläche im Deutschen Reiche. Die Apfelausfuhr Australiens erreichte vor dem Kriege bereits einen Jahreswert von 8,4 Millionen Mark; Hauptabnehmer waren England und Deutschland. Die australischen Apfel sind im Norden besonders geschätzt, da sie, der Jahreszeit auf der südlichen Halbkugel entsprechend, bei uns in der obstärmsten Zeit eintreffen. Tasmanien ist wegen seines milden Klimas zur Sommerfrische Australiens geworden; selbst aus England kam alljährlich eine Anzahl Familien dorthin, um dem rauen nordischen Winter zu entgehen.

Apfel

Apfel

Birne

Birne

Pfirsich

Pfirsich

Sauerkirsche

Sauerkirsche

Weinstock

Weinstock