Der Amtmannsgalgen bei Johnsbach

Autor: Ueberlieferung
Themenbereiche
In der Schlucht, die in der Nähe von Admont nach Johnsbach führt, ragen an einer bestimmten Stelle zwei hohe, säulenartige Felsen wie Pfeiler eines Tores empor, die das Volk "Amtmannsgalgen" nennt. Dieser Name soll von folgender Begebenheit herrühren:

Einst lebte in Krumau ein Amtmann, der ein böses, zanksüchtiges Weib hatte, das ihm das Leben zur Qual machte. Jede Kleinigkeit nahm die Frau zum Anlaß, ihre stets üble Laune an dem Ehegemahl auszulassen, und es gab Tage, an denen sie selbst vor Handgreiflichkeiten nicht zurückscheute. Darüber verbittert, begann der Mann sein Hauswesen, sogar seine Amtsgeschäfte zu vernachlässigen, suchte seinen Kummer in den Gasthäusern zu ertränken und saß schließlich, dem Spiel und Trunk ergeben, tage- und nächtelang in den Schenken umher. Eine solche Lebensweise aber verschlang Geld, an dem es bald zu mangeln anfing. Als ihm dann die Mittel gänzlich ausgegangen waren und er sich keine mehr auftreiben konnte, ging er kurzerhand in die Wildnis von Johnsbach hinaus, berief den Teufel und schloß einen Vertrag mit ihm ab. Er bekam Geld in Überfluß, ja, der Teufel mußte ihm sogar in Gestalt eines Jägerburschen stets zu Diensten stehen, aber nach Jahr und Tag sollte der Amtmann dem Teufel mit Leib und Seele verfallen sein.

Und der Amtmann genoß jetzt das Leben in vollen Zügen. Er tat, was er wollte, scherte sich nicht um sein Weib oder die herrschaftliche Obrigkeit und lebte lustig in den Tag hinein. Dafür erging es dem Satan umso schlechter. Der arme Teufel mußte in der Gestalt des Amtmannes für diesen alle Gänge machen und kam oft recht schlecht dabei weg. So wurde er von den unzufriedenen Bauern, deren Streitigkeiten er für den Amtmann zu schlichten hatte, beschimpft, geprügelt und schließlich aus dem Wirtshaus hinausgeworfen. Auf Befehl des Hofrichters erhielt er ein anderesmal fünfzig derbe Stockstreiche, die ihn erbärmlich schmerzten, weil er eine solche Strafe nicht gewohnt war. Und sooft er in Gestalt des Amtmanns bescheiden der Frau Amtmännin nahte, wies sein Gesicht zahlreiche Spuren der liebevollen Behandlung auf, die diese ihrem vermeintlichen Gemahl zuteil werden ließ. Der Amtmann aber freute sich unbändig, wenn der Teufel wieder einmal für ihn das Bad ausgießen mußte.

Doch ein Jahr geht bald herum; dem Teufel freilich war es länger vorgekommen als dem Amtmann. Nun aber war es soweit, und hämisch grinsend forderte der Satan den Amtmann auf, sich selbst die Todesart zu wählen. Er meinte, ihm damit für alle ausgestandenen Schmerzen besonders hart zu bestrafen und ihm den Abschied vom Leben umso schwerer zu machen. Aber der Amtmann war schlau, schlauer als der Teufel. Er führte den Bösen in die Johnsbacher Klamm und zeigte ihm die beiden steinernen Säulen.

"Hier", sagte er, "zwischen diesen beiden Steinsäulen will ich mich aufhängen; aber du mußt dich solange gedulden, bis ich ein passendes Querholz dazu finde."

Ein so langes Querholz aufzutreiben, war aber selbst dem Teufel nicht möglich. Er meinte, der Amtmann sei selbst für die Hölle zu schlecht, versetzte ihm eine tüchtige Ohrfeige und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

Der Amtmann aber soll hernach alle Untugenden und Laster abgelegt und gewissenhaft und pflichteifrig seinen Dienst verrichtet haben. Sein Herr gewährte ihm Nachsicht für alle begangenen Fehler und Versäumnisse; von seiner bösen Ehehälfte aber erzählt man, daß sie in sich gegangen sei und alle ihre üblen Gewohnheiten aufgegeben habe. Vielleicht hatte sie Furcht, daß der Teufel ihren Mann oder sogar sie selbst doch noch holen werde.

Die beiden steinernen Pfeiler in der Johnsbachschlucht heißen seit dieser Zeit "Der Amtmanngalgen."