Zwölftes Capitel: Stockholm— Audienz beim Könige.— Ordensfest des Seraphinenordens. — Maifest. — Abreise— Vom 21sten April bis 2ten Mai 1808.

So war ich denn abermals, und zwar in einer günstigern Jahrszeit im nordischen Venedig.

Ich war im Französischen Gasthofe in der Regierungs-Geta abgestiegen. Meiner Geschäfte wegen meldete ich mich sogleich bei Hofe. Am 22sten hatte ich Audienz beim Könige, welcher mir sagte, daß ich mit der Fregatte Eurydice, welche den Preußischen Gesandten Herrn von Tarrach nach Pillau bringen solle, abgehen müsse. Zuvor aber sollte ich ausruhen und an dem bevorstehenden Ordensfest des Seraphinen-Ordens Theil nehmen.


Die Tage bis zum Ordensfeste vergingen schnell, indem ich am 22sten bei der Prinzeß Albertine, am 23sten bei dem Herzoge von Südermannland und am 24sten bei dem Könige zur Tafel gezogen wurde, übrigens aber im vollen Maße die Annehmlichkeiten Stockholms im Kreise geliebter Freunde genoß.

So erschien der 28ste immer noch zu früh, und die Festlichkeiten nahmen mit Glockengeläute und Kanonendonner ihren Anfang.

Die Schloßcapelle war für das Fest eigens eingerichtet. Eine erhöhte Estrade für die Ritter nahm fast die Hälfte der Capelle vom Altar her ein. Die andre Hälfte war mit Tribünen, die mit Teppichen von blauem Tuch mit eingesäten gelben Kronen behangen waren, versehen. Das Ganze war einfach, doch schön decorirt. Auf der rechten Seite des Altars stand der Thron für den König, auf der Linken der für den Russischen Kaiser als Seraphinen-Ritter. Daneben standen Lehnsessel, Stühle für die abwesenden Ritter aus Fürstlichem Geblüt und dann erst waren Stühle für die Ordenscommandeurs des Seraphinen-, Schwert-, Nordstern- und Wasa-Ordens aufgestellt.

Die Garden in Paradeuniform besetzten die Außenseiten der Capelle. Die Tribünen füllten sich mit dem hohen Adel des Reichs und den höchsten Staats- und Militairbeamten. Das diplomatische Corps hatte eine besondre Tribüne angewiesen bekommen. Dort hatte auch ich meinen Platz erhalten.

Um 10 Uhr versammelten sich die Ritter im großen Reichssaal, der Capelle gegenüber. Jetzt erschien der König und der wahrlich malerisch imposante Festzug begann.

Vorauf marschirte eine Abtheilung der Garden. Dann folgten die Trabanten des Königs in ritterlichem Schmuck, vergoldeten Cuirassen und Helmen. Darauf erschien der Wappenkönig mit seinen Herolden und einem zahlreichen Gefolge — und Alles in Spanischer Tracht. Auf Diesen folgten die Commandeurs des Wasa-Ordens in grünen Sammt gekleidet. Diesen folgten die des Nordstern-Ordens in hellblauem Sammt; alsdann erst kamen die Commandeurs des Seraphinen-Ordens in weißem Atlaß mit schwarzen Spitzen besetzt und schwarzem Mantel. Auch der König trug ein solches Ordenskleid. Diese Costüme waren nach dem Schnitt der alten Provenzalischen Ritterkleidung gebildet und gewährten einen malerischen Anblick. Dem Könige hatte sich sein ganzes Gefolge in Galla angeschlossen und eine Abtheilung Trabanten beschloß den glänzenden Festzug.

In der Capelle angelangt, setzte sich der König auf den für ihn bestimmten Thron. Sein Gefolge hatte sich hinter ihm aufgestellt. Der Thron des Russischen Kaisers und die Sessel der abwesenden Fürstlichen Ritter blieben leer. Die Commandeurs und Ritter nahmen ihre Stühle ein. Die des Seraphinen-Ordens auf der Seite des Königs, die des Schwertordens gegenüber und die des Nordstern- und Wasa-Ordens mit dem Antlitz gegen den Thron gewendet.

Es sollte heute der General, Graf Horn, als Seraphinen-Ritter aufgenommen werden. Er stand in Begleitung zweier Beamten des Ordens in der Mitte, dem Könige gegenüber. Der König und die übrigen Ordensritter waren mit bedeckten Häuptern. Ein reicher Federschmuck wallte von den Barets und den á la Henri IV aufgestutzten Sammthüten. Ehe der König und die Commandeure sich niederließen, sprach Jeder für sich ein stilles Gebet. Dann wurde ein kurzer Gottesdienst gehalten und hierauf kniete der neue Candidat des Ordens, von seinen Begleitern vorgeführt, zu den Füßen des Throns nieder. Der König erhob sich, hielt eine kurze Lateinische Rede, ließ sich ein Schwert reichen und weihte den Knienden mit den üblichen drei feierlichen Schlägen zum Ritter. Darauf hob der König den neuen Seraphinen-Ritter auf, umarmte ihn, und die übrigen Ritter und Commandeurs nach der Reihe gaben ihm den Bruderkuß. Dem neuen Ritter wurde sein Platz angewiesen und nach einem kurzen Gesange und Gebete ging der Zug in derselben Ordnung, in welcher er gekommen war, nach dem Thronzimmer des Königs. Hier wurde ein Ordens-Capitel gehalten, in welchem Beförderungen gemacht wurden, dann war feierliche Tafel. Oben quer vor dem Speisesaal war die Tafel des Seraphinen-Ordens aufgestellt. Auf der breiten Seite, mit dem Antlitz nach dem Eingange gewendet, saß der König allein; auf den andern drei Seiten hatten die Seraphinenritter ihre Plätze; die Tafel der übrigen Ritter, an welchen auch die Generale und Obersten speiseten, waren unter der Estrade der Länge des Saals nach aufgestellt. Die Galerien füllten sich mit Zuschauern aus den höhern Ständen. Nach aufgehobener Tafel war das Ordensfest geschlossen.

Noch ein Volksfest sollte ich in Stockholm abwarten. Es war der erste Mai, welchen der Hof und die ganze Bevölkerung als den ersten Frühlingstag, durch eine allgemeine Wallfahrt in’s Freie feiern. Der gemeine Schwede meint: er müsse sich an diesem Tage Mark in die Knochen trinken, und mancher gebildete Freund einer wohlbesetzten Tafel theilt diese Meinung durch Wort und That.

Die allgemeine Wallfahrt geht nach dem etwa eine halbe Stunde von der Stadt entlegenen Park. Die ganze Gegend, welche so heißt, hat allein die Natur in einen der reizendsten Landschaftsgärten umgeschaffen, die sich nur denken lassen. Es ist eine liebliche Ufergegend am Mälar, welche, mit Gehölz, Felsen und anmuthigen Landhäusern versehen, die heiterste und bei dem knospenden Frühlingsgrün wahrhaft entzückende Landschaft bildet. Hier sieht man die glänzenden Carossen des Hofes, zahllose Equipagen und Reiter aller Art, eine Welt von geschmückten Fußgängern, und überall weilt das Auge mit Wohlgefallen auf dem Blumenkranze der schönen Schwedinnen mit dem schlanken Wuchs, den blonden Locken und blauen Augen und der feinen Grazie und Französischen Lebhaftigkeit, welche sie so liebreizend macht. Ganz Stockholm scheint hierher ausgewandert zu seyn. In den leeren Häusern bleibt keine Seele zurück. Bis spät gegen Abend dauert diese Wallfahrt und dann weihen Bankette und Bälle in allen Quartieren der Residenz den Frühlingsanfang ein. Wegen der nördlichen Lage Stockholms sind hier die Tage schon so lang, daß ich um 4 auf 10 Uhr Abends noch auf offner Straße einen Brief lesen konnte.

An demselben Abende erhielt ich noch vom Könige und der Königin meine Entlassungs-Audienz und zugleich Depeschen für die Fregatte Eurydice nach Carlskrona, und trat am 2ten Mai meine Reise dorthin — und meine Rückkehr nach Deutschland an.