Zweites Capitel: Oelper. — Elsdorf. — Lüneburg. — Zollenspeicher. — Hamburg. — Elmshorn. — Itzehoe. — Rendsburg. — Schleswig. — Flensburg. — Glückstadt. — Vom 20sten November bis 30sten December 1807.

Am 30sten November Morgens um 10 Uhr wandte ich meiner Vaterstadt abermals den Rücken. Ich passirte das Dorf Oelper an der Oker, eine Stunde von Braunschweig belegen. Damals ahnete ich noch nicht, daß zwei Jahr später hier die Wahlstatt seyn würde, auf welcher Friedrich Wilhelm und seine Schwarzen sich durch die ihm weit überlegenen Massen der andringenden Westphalen und Holländer einen Weg zu den Häfen der Nordsee bahnen würde. — Noch schlummerten diese Heldenthaten im Schooße der Zeiten und noch waren diese friedlichen Felder nicht mit dem Blute der Braunschweiger und ihrer Feinde gedüngt.

In der Nacht, bei scheußlichem Wetter und bodenlosen Wegen, durchfuhr ich die Lüneburger Haide, und fast möchte ich behaupten, daß das Unangenehme einer solchen Fahrt weniger geisttödtend ist, als bas ewige Einerlei, welches den ganzen Menschen leiblich und geistig erschlafft, wenn man bei Tage sich über diese unabsehbaren einförmigen Haidestrecken dahin schleppen läßt.


Am 21sten November Morgens um 8 Uhr kam ich endlich zu Elsdorf an. — Die Station, welche durch die Haide führt, ist wohl die stärkste in Deutschland. Sie enthält sechs starke Meilen.

Lüneburg war passirt; auf einem Boote wurde über die Elbe gesetzt, und nur die nächtliche Thorsperre von Hamburg hinderte mich, früher als am folgenden Morgen um 2 Uhr von Zollenspeicher ab weiter zu fahren. Mein Weg führte durch die herrlichsten Marschgegenden der Vierlande, deren gartenartige Cultur aus der reichsten Feldmark in Deutschland der reichen Handelsstadt die köstlichen Früchte und Gemüse liefert, welche man täglich pyramidalisch geordnet auf den langen Flußschiffen dort anlanden sieht. — Aus dieser reichen Landschaft kommen die berühmten Erdbeeren, welche die Vierlander Mädchen in ihrer malerischen Tracht den Feinschmeckern von Hamburg täglich feil bieten.

Am 22sten November gegen 9 Uhr Morgens kam ich in Hamburg an.

Dort war Alles noch unverändert, denn die politischen Bewegungen im Nordosten Deutschlands hatten noch nicht Zeit gehabt, auch diese nordwestliche Handelsrepublik zu erschüttern. Hier lag damals ein merkwürdiges Corps Spanischer Truppen. Bekanntlich befanden sich Spanische Hülfstruppen für Frankreich auf Dänischem Boden. Den größesten Theil derselben hatte der Marquis la Romana im edlen Unwillen eigenmächtig eingeschifft und in die ferne südliche Heimath zurückgeführt. Der Ueberrest dieses Hülfscorps wurde natürlich mit nicht geringem Mißtrauen betrachtet und befand sich jetzt, abgesondert von dem Französischen Armeecorps, in Hamburg. Es waren gedrungene, magere, aber kraftvolle Gestalten von dunkler Gesichtsfarbe, edlen, aber stark ausgeprägten Zügen, schwarzem Haar und dunklem Auge voll südlichen Feuers. In der Haltung jedes Einzelnen lag ein Ausdruck von Nationalstolz und eine gewisse natürliche Grazie, welche sie vor allen andern Völkern auszeichnet. Ihre Pferde sind klein, gedrungen, mit dicken Hälsen und durchaus Hengste.

Am 23sten verließ ich Hamburg wieder und ging über Elmshorn, Itzehoe, Rendsburg, Schleswig und Flensburg nach Glücksburg.

Hier auf dem Wittwensitz der Frau Herzogin von Braunschweig-Bevern traf ich am 25sten November Morgens ein. Noch immer hielten sich die beiden Braunschweigschen Prinzen, Georg und August, dort auf.

Das Schloß hat eine äußerst romantische Lage. Mitten in einem großen. Teiche erheben sich die Mauern des Schlosses aus den Wellen. Es bildet ein großes Viereck, drei Stockwerk hoch. In jeder Ecke erhebt sich ein Thurm, von welchem Einer das Erbbegräbniß enthält.

Das Innere des alterthümlichen Bauwerks enthält eine Menge Kreuzgewölbe. Mit dem festen Lande ist das Schloß durch eine lange Brücke verbunden. Rings umher senken sich Anhöhen bis zu den Ufern des Wasserspiegels, welcher die Mauern des Schlosses umspült. Nach der Seite des Flensburger Meerbusens, welcher nur eine halbe Stunde entfernt ist, liegt ein herrlicher Hochwald. Eine breite ausgehauene Durchsicht durch denselben gewährt vom Schlosse aus den Anblick der vorüber segelnden Schiffe. Der Flecken Glücksstadt, von ziemlicher Bedeutung, liegt in der Nahe des Schlosses.

Sechs Wochen blieb ich hier. Oft fuhr ich nach Flensburg, dessen sonst so blühender Handel jetzt schon bedeutend in Abnahme war.

Rührend war die wohlgemeinte Tauschung, womit Jeder bemüht war, dem guten alten Herzog von Bevern, welcher wegen seiner Wohlthätigkeit so allgemein geliebt wurde, in Unwissenheit zu erhalten über das traurige Schicksal, wodurch seine Familie getroffen war. Schon lange hatte der ehrwürdige Fürstliche Greis seine Gemächer nicht mehr verlassen und man fürchtete dessen baldiges Ableben.

Vierzehn Tage nach mir war Se. Durchlaucht der Herzog Friedlich Wilhelm dort eingetroffen, doch im regen Geiste so manches Große anordnend und vorbereitend, war Er schon am 30sten December wieder abgegangen.

Am folgenden Tage trat ich meine Reise nach Schweden an.