Fünftes Capitel: Schloß Gripsholm. — Mälarsee. — Mariafried. — Beschreibung des Schlosses Gripsholm. — Gustav I. — Königliche Tafel. — Kleidung des Königs. — Prunkzimmer. — Gefängnisse Schwedischer Könige. — Locksta. — Söder Telge. — Fottia. — Stockholm. — Vom 17ten bis 23sten Januar 1803.

Das Königliche Schloß Gripsholm liegt auf zwei mit einander durch Ausfüllung verbundenen Inseln im schönen Mälarsee, hart an dem Ufer neben dem Flecken Mariafried. Wunderschön nahm sich dieser unabsehbare Landsee aus, wie er jetzt, in einen Spiegel von Eis verwandelt, nach allen Richtungen hin mit Waarenzügen und Landleuten, die auf Schlittschuhen, Schlitten oder Eisbooten darüber hinzogen, belebt war. Dieser See steht bekanntlich bei Stockholm mit der Ostsee in Verbindung. Seine schönen Ufer sind belebt mit Städten, Dörfern und reizenden Landsitzen. Das Schloß Gripsholm bildet ein großes imposantes Ganze, dessen viele kleine Anbauten durch vier große runde Eckthürme mit einander verbunden werden. Der Grundbau desselben ist uralt; doch die erneuerten und erweiterten Zubehörungen, wie sie das Bedürfnis; der Zeit hervorgerufen hat, sind im verschiedensten Zeitgeschmack angelegt.

Der Theil, in welchem die Königin wohnt, ist neu und geschmackvoll ausgebaut und decorirt. In einem runden Thurme, der zu diesem Theile des Schlosses gehört, befindet sich ein schöner runder Saal, welcher durch die gut gemalten Bildnisse in Lebensgröße von allen gekrönten Häuptern, die Zeitgenossen Gustavs III. waren, eine geschichtlich merkwürdige Zierde empfängt. Grade gegenüber, in einem andern Theile des Schlosses, liegen die Zimmer, welche der König bewohnt. Es sind noch unverändert dieselben, die Gustav I. bewohnt hat, und mit einer schönen, den König ehrenden Pietät hält derselbe streng darauf, daß an dem ganzen alterthümlichen Geräth so wenig, als an der Stellung desselben, oder an den Tapeten die geringste Veränderung vorgenommen wird. So schreibt der König auf dem nämlichen Stuhle und vor demselben Tische, dessen sich Gustav I. bediente. Eine große schwarze Lade mit Messing beschlagen, steht noch immer in dem nämlichen Zimmer des Königs. Sie enthielt den Brautschatz der Gemahlin Gustavs I. In dem Schlafzimmer dicht daneben steht noch das kolossale Brautbett jenes Königs, zu welchem Stufen hinaufführen. Die zu dieser alterthümlichen Wohnung des Königs gehörigen Zimmer sind in dem nämlichen Geschmack eingerichtet. Alte nachgedunkelte Gemälde, deren zum Theil hohen Kunstwerth man jedoch mehr ahnen, als erkennen kann, bedecken in großer Anzahl die Wände. Es führt von diesen Zimmern eine kleine Galerie zu dem Speisesaale, in welchem auch Gustav I. speisete. Auch hier befinden sich noch die mit dunklem Holze bekleideten Wände, welche abermals mit den Bildnissen aller Europäischen Fürsten, die mit Gustav I. zugleich regierten, in ihren damaligen Nationaltrachten, geschmückt sind.


Der König speisete Mittags 2 Uhr und Abends 9 Uhr an einer Tafel mit allen Damen und Herrn, die zum Gefolge des Königs und der Königin gehören. Während des Essens ist Tafelmusik. Die Einrichtung der Tafel ist höchst originell. Obenan sitzt die Königin. Neben Ihr zur linken Seite der König, doch nicht auf gleicher Linie, sondern an der abgebrochenen Ecke. Dadurch gewinnt der König eine Seite des Tisches für sich allein und ein alter Gebrauch legt Dieses so aus, als wenn der König nach alter Etikette allein an der Tafel säße.

Die Tafel ist ganz im Schwedischen Geschmack servirt. In dem Speisesaale steht ein Nebentischchen mit Schwedischem Kornbranntwein, Butter, Käse, Weißbrod und einer Art von hartem Schiffszwieback (Knakebrod) besetzt. Von dieser Collation wird kurz vor dem Essen genossen. Der König hat die Seinigen schon zuvor in seinem Zimmer zu sich genommen. Dann erst setzt man sich zu Tische und die Mahlzeit beginnt mit einer zweiten, den Apetit reizenden Grundlage von Häring, geräuchertem Lachs, gerührten Eiern, Austern, Caviar, Fleisch in Gelee gekocht und andern solchen pikanten Sachen. Dann erst erscheint die Suppe und darauf kommen die in Europa gewöhnlichen Gänge von Speisen. '

Der König ist sehr einfach gekleidet. Er trägt das Haar kurz abgeschnitten, ein schwarzes seidenes Halstuch schmal gelegt, ohne doch den Hemdekragen sehen zu lassen, den schlichten Uniformsrock mit einer Reihe großer vergoldeter Knöpfe, mit blauem Kragen, Aufschlägen und Unterfutter und aufgehaltnen Schößen, sodann lange gelbe lederne Beinkleider, weiche hohe Reiterstiefel, gut aufgezogen, mit Stulpen bis auf das Knie reichend und goldene Sporen. Diesen einfachen und die schlanke Gestalt des Königs wohlkleidenden Anzug vollendet ein Degenkoppel an einem breiten goldenen, über den Rock geschnallten Leibgurt befestigt, ein ganz vergoldeter Degen, ein dreieckiger Hut von mäßiger Größe, mit einer einfachen goldenen Agraffe und der gelben Schwedischen Kokarde, ein Stock mit goldenem Knopf und gelb lederne Handschuh mit großen, bis auf den halben Unterarm reichenden Stulpen. An Gallatagen trägt Er dazu noch die Schwedische Scherpe von dunkelblauer Seide mit goldenen Streifen über den Rock.

Das ganze alterthümliche Schloß enthält jetzt an 200 Zimmer, welche mit mehr als 900 Bildnissen denkwürdiger Personen aus verschiedenen Zeiten geschmückt sind. Im dritten Stockwerk zeichnet sich besonders ein Zimmer durch wahrhaft orientalische Pracht aus. Seidene Tapeten von Ostindischem Gewebe bedecken die Wände. Ein 3 Ellen breiter Divan, niedrig, nach Türkischer Sitte zum Liegen eingerichtet, mit Scharlach bedeckt, die Polster mit Goldstoff bekleidet, zieht sich an den Wanden umher. In demselben Stockwerk findet sich auch das kleine Theater, welches Gustav III. äußerst prachtvoll anlegen ließ. Die Hinterwand des Platzes für die Zuschauer bekleiden sechs, große Spiegel.

Doch einen traurigen Anblick gewähren die Gefängnisse zweier Schwedischen Könige, welche, als Zeichen der Rohheit ihrer Zeit, die Qual eines von allen Notwendigkeiten des Lebens entblößten, fast unerträglichen Aufenthalts zu der der Freiheitsberaubung gesellten. Dort unter dem Dache jenes Eckthurms, im kleinen steinernen Gemache mit den engen vergitterten Fensteröffnungen, saß Erich XIV. Dieses Gefängniß ist furchtbar. Es besteht aus starken Mauern, welche mit einem Gange für die Wachen umgeben sind, und diesen Gang umgeben wieder starke Mauern. Weder ein Ofen, noch ein Kamin war vorhanden, um das Gefängniß zu erwärmen, und noch sieht man im steinernen Fußboden eine vertiefte Streife, welche der gefangene König, um sich während der langen Dauer des nordischen Winters zu erwärmen, durch Hin- und Hergehen ausgetreten hatte. Wie ist es möglich — wie konnten Menschenherzen gegen ein menschliches Wesen so grausam seyn? — Unten im ersten Stockwerk befindet sich das Gefängniß des Bruders jenes Königs, des Herzogs Johann, nachherigen König Johann II. nebst seiner Gemahlin, der Polnischen Prinzessin Catharina Jagellonica, welche 4 Jahre lang eingesperrt gehalten wurden; hier wurde der nachherige König Sigismund am 20sten Juni 1566 geboren.

Gripsholm war der Lieblingsaufenthalt Gustavs III., so wie des jetzigen Königs*).

Am 24sten Januar endlich war der längst ersehnte Tag, an welchem zu Stockholm das von der Bürgerschaft ihrem unvergeßlichen Könige Gustav III. errichtete Denkmal feierlich enthüllt werden sollte.

Zu dieser Feier ging am 22sten die Königin mit ihrem Gefolge und am 23sten der König mit seinem Hofstaat dorthin ab. Im Gefolge der Königin befand ich mich.

Im eilenden Fluge ging es über Kumla, Lockst a, Söder Telge, Fottia nach Stockholm.




*) Und — wunderbarer Wechsel des Schicksals! — ein Jahr später dessen Gefängniß, und dann wieder in neuester Zeit der Lieblingsaufenthalt des verstorbenen Carl XIII., so wie jetzt von Carl Johann und dem Kronprinzen Oskar. D. B.