Erstes Capitel: Bruchsal. — Heidelberg. — Darmstadt. — Frankfurt am Main. — Friedberg. — Gießen. — Marburg. — Cassel. — Minden. — Göttingen. — Nordheim. — Braunschweig. — Vom 12ten bis 23sten November 1807.

Es war in geheimen Angelegenheiten des Herzogs, als ich am 12ten November 1807 die zweite Reise antrat, welche mich über Hamburg, Copenhagen und Stockholm nach London und über Stockholm, Danzig, Berlin, Leipzig und Weimar wieder zurück nach Bruchsal führte.

Bei dem übelsten Wetter fuhr ich Nachts um 1 Uhr von Bruchsal ab. So eilig, als es Wege und Wetter erlaubten, ging es über Heidelberg und Darmstadt nach Frankfurt am Main. Um 10 Uhr Abends befand ich mich dort im Römischen Kaiser. So dringend mein Geschäft auch schleuniges Weiterreisen forderte, so mußte ich mich doch wohl der Stadtordnung fügen, laut welcher, ohne höhere Erlaubniß, niemand nach 10 Uhr mehr die Stadt verlassen darf. Also erst am 13ten ging es im Fluge weiter über Friedberg, Gießen, Marburg nach Cassel. Auf der Straße von Cassel und Minden wurde meine Reise durch das Zerbrechen einer Feder unangenehm aufgehalten. Bei dem schlechtesten Wetter mußte ich nicht nur beinahe von Landwehrhagen bis Minden neben dem Wagen hergehen, sondern sogar mit meinem Bedienten den Wagenkasten halten. Indeß nur wenige Stunden hielt uns der ländliche Schiffbruch und das Ausbessern unsers Räderschiffs zu Minden auf, und nach einer möglichst beschleunigten Fahrt über Göttingen, Nordheim und Immendorf befand ich mich am 15ten Abends 10 Uhr vor den Thoren von Braunschweig.


Worte beschreiben die Gefühle nicht, welche mich durchschütterten, als ich die geliebte Vaterstadt, die Wiege und den Sitz hochgefeierter Fürsten, in dunklen Schattenmassen geheimnißvoll dort vor mir liegen sah, und ich mich dann, da es für meine Verhältnisse und Geschäfte mehr als bedenklich gewesen seyn würde, in der Stadt zu logiren, auf fast unergründlichen Wegen zwischen den Gärten herum bis zum Petrithore schlich, um endlich, im Gasthofe zum weißen Rosse auf dem Wege nach Oelper zwar abzusteigen, aber noch nicht leibliche Ruhe zu genießen. Denn mein Gemüth war so schmerzlich aufgeregt, daß ich im eigentlichsten Sinne auch in dem bequem und wohlgeheizten Zimmer keine Ruhe finden konnte. Nach wenigen Minuten sprang ich auf und eilte noch in der Nacht zur Stadt.

Bis zum 20sten November hatte ich betrübende Gelegenheit genug, die Veränderung wahrzunehmen, welche meine Vaterstadt seit der unglücklichen Besitznahme durch die Franzosen erlitten hatte. Nur wenige Französische Truppen bildeten die schwache Besatzung. Die Wachen waren von den errichteten zwei Veteranen- (Invaliden-) Compagnien besetzt. Auch Bürger-Compagnien hatten sich gebildet. Das Braunschweigsche Militair war aufgelöset, General Rivaur mit seinem Adjutanten führte auf dem Schlosse ein sybaritisches Leben. Mancher Wohlhabende war arm geworden, Andre wieder, die sich der neuen Ordnung der Dinge anzuschmiegen wußten, hatten sich zu Wohlstand und Wohlleben erhoben. Manche Verhaftungen fielen vor, selbst unter angesehenen Personen, allein die Verhafteten wurden bald wieder entlassen, Ueberall verrieth sich eine ängstliche beklemmende Stimmung der Gemüther.

Man beklagte allgemein das Schicksal des Braunschweigschen Militairs und wollte dem damaligen Chef desselben, Generalmajor von Griesheim, eine ängstliche Sorge für seine Persönlichkeit schuld geben. Das Officiercorps hatte ihm, jedoch bedingte, Vollmacht gegeben, über ihr verwaisetes Interesse mit dem Eroberer zu unterhandeln. Der Erfolg war, daß dem Officiercorps freigestellt wurde, entweder in Französische Dienste zu treten oder als Kriegsgefangene abgeführt zu werden. Zur Ehre dieses Corps sei es gesagt, daß nur fünf Officiere den neuen Dienst annahmen, die übrigen aber es vorzogen, nach Wesel in Kriegsgefangenschaft geführt zu werden. Nur wenige alte Militairs hatten das traurige Glück, bei den neu errichteten Veteranen-Compagnien angestellt zu werden.

Uebrigens sah man sonntäglich die verschiedensten fremden Uniformen auf dem Paradeplatz glänzen. — Vorzüglich aber schienen sich die jungen Bürgerssöhne in den eleganten Uniformen des neu errichteten Bürger-Militairs zu gefallen. — Der echte Vaterlandsfreund zog sich in die tiefste Stille seines verödeten Hauses zurück, um ungestört weinen zu können über den Verlust des Vaterlandes.

Mich trieb es fort dem Norden zu.