Elftes Capitel: Abreise von London. — Einschiffung. — Packetboot The Lark. — Unangenehme Reise. — Englische Schiffe. — Skaggerak.

Dänischer Caper. — Skag. — Vingo. — Scheeren. — Masthugen. — Gothenborg. — Schnelles Reisen. — Molby. — Bodarne. — Arboga. — Lislena. — Nationalmiliz. — Ankunft in Stockholm. — Vom 5ten bis 21sten April 1803.

In der Nacht vom 5ten auf den 6ten April verließ ich London. Um 6 Uhr Nachmittags war ich in Harwich. Der Wind war gut. Alles drängte zur schleunigsten Abfahrt. Kaum hatte ich Zeit, mich einschreiben zu lassen, etwas zu essen und das Benöthigte einzukaufen, da befand ich mich am Bord des Paketboots The Lark und um 5 Uhr Abends wurden die Anker gelichtet.


Bei lebhaftem Winde und einbrechender Dämmerung verloren wir die weiße Küste von England bald aus den Augen und steuerten Nord-Ost hinauf wieder dem Cattegat zu.

Das Paketboot, an dessen Bord ich mich jetzt befand, war lange nicht so schön und zierlich gebauet, wenn auch großer, als die Lady Francis, auf welcher ich die Herreise gemacht hatte. Das Unangenehme des Schmutzes und Theergeruchs wurde noch durch die Unannehmlichkeit einer mir nichts weniger als zusagenden Reisegesellschaft vermehrt. Ein Englischer Kaufmann, kalt und abstoßend, ein Holländer, derb und platt, waren noch zu ertragen; allein ein windiger Franzose und ein schmutziger übelriechender Jude, der nicht aus seinem Bette kam, die Notwendigkeit mit Diesem und drei Bedienten in der kleinen unsaubern Kajüte zubringen zu müssen, die schlechte Kost, veränderlicher Wind und häufiger Regen bildeten die Schattenseite einer Seereise, welche, bei verhältnißmäßig weniger Beschwerden, doch zu der unangenehmsten meines Lebens gehörte.

Die Reise war übrigens sehr einförmig. Am 8ten wurde der Wind so ziemlich gut. Wir segelten so nahe an drei Schiffen vorüber, welche eben beigelegt hatten, daß wir die Flaggen als Englische unterscheiden konnten. Es war ein Linienschiff mit der Admiralsflagge, eine Fregatte und ein Kutter, welche ihre Bestimmung hatten, in die Nordsee zu kreuzen. Unangerufen kamen wir vorüber und erreichten am 10ten den mir schon bekannten nordischen Ermel, das Skaggerak.

Wind und Wetter war hier sehr launig, aber selbst diese Aprillaune sollte uns einer großen Gefahr entreißen.

Am 11ten des Abends 10 Uhr entdeckten wir plötzlich bei heiterm Himmel und hellem Mondschein eine Brigg, welche ihren Cours grade auf uns zunahm. Nach allen Umstanden konnte dieses nur ein Dänischer Caper sein. Wir setzten alle Segel auf, um ihm zu entkommen, doch die Brigg schien ein guter Segler zu seyn; sie kam uns näher. Plötzlich trat eine Windstille ein. Der Caper stand wie angewurzelt. Wir hatten noch etwas Luft und gewannen dadurch einen Vorsprung, der uns rettete. Denn als am andern Morgen der Wind sich wieder aufmachte, hatte der Caper die Hoffnung, uns einzuholen, aufgeben müssen. Er steuerte der Norwegischen Küste zu.

Am 13ten mit Tagesanbruch erblickte ich den Skag (die Nordspitze von Dänemark), die Schwedische Küste und Maistrand. Beim Skag kreuzte eine Engl. Kanonen-Brigg und ein Kutter. Wir steuerten ohne Aufenthalt dem Vingo zu. Zwischen den Scheeren lag es voller Schiffe, unter welchen wir viele Englische Kauffahrer, Linienschiffe, Fregatten und Kanonen-Briggs erkannten. Von dem Verdecke eines derselben — an welchem wir vorbeifuhren — rief man uns zu, daß der Stadly das Dänische Linienschiff Prinz Christian zerstört habe. So existirte denn von der ganzen dänischen Flotte nur noch ein einziges Schiff in dem nordischen Meere.

Auf den Kuppen der Felsen lag noch Eis und Schnee. Endlich gingen wir um 1 Uhr Mittags bei Masthugen, dem Hafenplatze von Gothenborg, vor Anker. Erst um 7 Uhr Abends erlaubte uns die unbeschreiblich langsame Accise, jedoch ohne alles Gepäck, an’s Land zu gehen und nur nach vieler vergeblichen Mühe erhielt ich so spät noch ein kleines Zimmer in dem, wie die meisten Schwedischen Gasthäuser, ziemlich unreinlichen Gasthofe des Herrn Söderlin. Erst am 14ten Nachmittages konnten wir von den langsamen und nichts weniger als höflichen Accise-Officianten die Durchsicht unserer Effecten erlangen, und am 17ten April ging ich von Gothenborg nach Stockholm ab.

Um einen Begriff zu geben von dem schnellen Reisen in Schweden, sei es mir erlaubt, die Zahl der Meilen, welche ich täglich ohne Nachtreisen zurücklegte, anzuführen. Am 17ten bis Molby machte ich 18 Deutsche Meilen, am 18ten von Morgens 7 Uhr an bis Abends 19 Deutsche Meilen und zwar bis Bodarne — am 19ten bis Arboga 22 Deutsche Meilen — am 20sten bis Lislena 18 Deutsche Meilen.

Von hier an wurde ich auf einigen Stationen mit den Pferden lange aufgehalten, weshalb ich auch Beschwerden in das Posttagebuch schrieb. Ja zuletzt half weiter nichts, als — nach vierstündigem Warten — Bestechung des Holkarl, worauf in einer Viertelstunde Pferde da waren; dadurch verrieth sich die Nähe der Residenz, die ich denn auch am 21sten Nachmittags um 4 Uhr erreichte.

Noch traf ich unterweges dieselben Schnee- und Eisbahnen, auf welchen ich im Februar Schweden verlassen hatte. Auffallend war es mir, zwischen Lislena und Stockholm einem Regimente Cuirassier von der Schwedischen Nationalmiliz zu begegnen, welche weder in Reihe und Glied, noch schwadronenweise marschirten. Jeder Einzelne hatte auf solchem Marsche keine andre Verpflichtung, als sich Abends im bestimmten Quartierorte einzufinden, und konnte übrigens den ganzen Tag reiten, wie und wo es ihm am bequemsten dünkte — ein Beweis von der großen Zuverlässigkeit dieser angesiedelten Nationaltruppen. Am Listen Abends erreichte ich Stockholm.