Drittes Capitel: Holweß. — Insel Alsen. — Sonderburg. — Der kleine Belt. — Fingshoff. — Insel Fühnen. — Faaborg. — Trunnerup. — Nyborg. — Der große Belt. — Corsoe. — Staggelsee. — Ringstadt. — Roschild. — Friedrichsberg. — Copenhagen. — Vom 31sten December 1807 bis 5ten Januar 1803.

Es war der 31ste December, als ich bei Holweß in einer Segelbarke über den Flensburger Meerbusen schiffte. Bei gutem Wetter und scharfem Winde flog unsre Barke über den tiefblauen Spiegel an einem malerischen Wechsel von heitern Winterlandschaften vorüber.

Von Holweß ging es weiter bis zu der Insel Alsen, die am kleinen Belt liegt. Bei Sonderburg wurde ich auf einer Fähre über den schmalen Wasserarm gefetzt. Sonderburg, ein freundliches Stadtchen, liegt auf der einen Seite der Insel; auf der andern Seite liegt Fingshoff. Auf dem Wege dorthin öffnete sich links über den See hinaus die reizende Aussicht auf das Schloß Augustenburg, die Residenz des Herzogs von Holstein-Augustenburg. Schon dämmerte der Abend. Kein Schiffer wagte es mehr, mich so spät über den kleinen Belt, der hier drei Meilen breit ist, zu setzen. Ich mußte daher zu Fingshoff übernachten.


Am andern Morgen — es war der Erste des Jahrs 1808 — fuhr ich in einer offenen Segelbarke über diese Meerenge. Wind und Wetter waren günstig, die Fahrt ging im Fluge; um 11 Uhr stieg ich an’s Land bei Faaborg — einer kleinen Stadt auf der Insel Fühnen. — Mein Wagen, der sich für die kurze Wasserreise eine Section hatte gefallen lassen müssen, wurde wieder zusammengesetzt. Rasch war angespannt und ich fuhr weiter über Trunnerup nach Nyborg, am großen Belt.

Die stürmische Nacht blieb ich im Posthause, wo freundliche Menschen, ein warmer Ofen und glühender Punsch die schlechten Wege bald vergessen machten. Der heulende Sturm draußen vor den wohlverwahrten Fenstern machte das Gefühl der Sicherheit noch behaglicher.

Als aber am folgenden Morgen (den 3ten Januar) der beinahe stürmende Wind von Seeland herüber uns entgegenwehte und die Wogen immer höher schlugen, die Brandung immer wilder am Ufer herauf sprühte und immer weißer schäumte, als selbst den erfahrensten Schiffern der Muth verging, in solchem Wetter den heimtückischen Belt zu durchschneiden, weil aber meine Reise keinen Aufschub litt, es mir endlich gelang, eine sogenannte Schmake (Segelbarke mit einem Verdeck) zu miethen, welche sich denn auch bald mit Passagieren füllte — als sodann die Reise fortging, durch Sturm und eisige Hagelschauer der Windsbraut lavirend, indem wir ihr mühevoll die zürnend ertheilte Gunst abgewinnen mußten, da war es wahrlich nicht mehr so gemüthlich, als Abends zuvor im Posthause zu Nyborg. Das Schiffchen schlenkerte bald von vorn nach hinten, bald, durch das Laviren von einer Seite auf die andre geworfen; die langen Segel peitschte der Wind; unten in der Cajüte war Alles seekrank. Die bleifarbigen würgenden Menschengesichter trieben mich hinaus aufs Verdeck. Sechs Stunden lang stand ich da auf dem schwankenden Boden, oft genöthigt, mich anzuhalten, oft von einer über das Verdeck hin schlagenden Rollwoge begossen, dann in eine Säule von Eis verwandelt, indem die dicke durchweichte Wildschur von Rennthierpelz ganz steif gefroren war. So, durchkältet und durchfroren langte ich endlich an im Gasthofe zu Corsoe. Die heftige Erkältung hatte mir ein Fieber zugezogen; allein entkleidet, in warme wollene Decken gehüllt, von Innen mit heißem Thee und Rum erwärmt, half sich meine Natur und der drohende Sturm einer schon heftig beginnenden Krankheit ging glücklich vorüber.

Nur zwei Stunden dauerte diese wohlthätige Erholungsrast, während der Wagen wieder zusammengesetzt wurde. Gegen 4 Uhr Nachmittags fuhr ich neu belebt wieder ab über Stagelsee und Ringstädt — die Nacht hindurch während des heftigsten Schneegestöbers nach Roschild, wo mich mit Tagesanbruch ein wärmender Kaffee belebte. Unaufhaltsam ging es bei dem Königlichen Schlosse Friedrichsberg vorbei — immer lebhafter wurde die Straße, und die Residenz des Dänenreichs entstieg dem unabsehbaren Schneegefilde mit ihren Palästen und Thürmen. Ich befand mich in Copenhagen.

So majestätisch der Anblick aus der Ferne war, so betrübend trug Alles in der Nähe das Brandzeichen der Englischen Seeherrschaft.

Bekannt ist das Ereigniß, welches Dänemarks schöne Flotte im tiefsten Frieden durch Englische Kanonen mitten im Hafen zerstörte und einen Theil der herrlichen Residenz und reichen Handelsstadt in Asche legte.

Durch Ruinen und Brandschutt von der einst so herrlichen Vorstadt, deren massive Häuser die Bomben der Englischen Flotte niedergeworfen hatten, deren schöne Frauenkirche sogar ein ausgebrannter Schutthaufen war, fuhr ich tief ergriffen in den verschont gebliebenen Theil der Stadt. Doch einen Blick warf ich noch auf den geräumigen Hafen, welchen ich ein Jahr früher, belebt von Linienschiffen und Fregatten, starrend von Masten an Masten mit spielenden Wimpeln aller Farben gesehen hatte. — Leer war er jetzt — in den Grund gebohrt oder hinweg geführt waren alle diese Seeriesen, gebrochen vielleicht für immer war Dänemarks Seemacht und damit zugleich seinem Handel ein tödtlicher Schlag gegeben.

Hatte das Englische Cabinet geglaubt, ohne vorgängige Kriegserklärung Dänemarks Seemacht zerstören zu müssen, um es zu hindern, Frankreich zu unterstützen, so hatten die Politiker des Englischen Ministeriums wohl nicht daran gedacht, daß es damit die Vormauer gegen Rußlands wachsende Seemacht über den Haufen werfen und Rußland die Pforten der Nordsee öffnen würde.

Noch mit Entsetzen sprachen die Menschen, welche durch das Englische Bombardement alle ihre Habe verloren hatten, von diesen Stunden des Schreckens. Die meisten Häuser waren massiv; allein die Furcht vor den fallenden Bomben verhinderte das Löschen der Feuersbrunst, welche bei einiger Hülfe unmöglich so weit hätte um sich greifen können.

Am 5ten Mittags verließ ich die so schrecklich verwüstete Stadt und ihren verödeten Hafen und trat auf einem offnen Schwedischen Boote, welches nach Malmö zurückkehrte, meine Reise nach Schweden an.