Dreizehntes Capitel: Aby. — Norrköping. — Eskio. — Provinz Blekingen. — Gefahr am Berge- — Carlskrona. — Hafen.

Alte Docke. — Pyramide. — Ankerschmiede, eine Strafarbeits-Anstalt. — Neue Docke. — Modellensaal. — Arsenal. — Artllleriehof. — Fregatte Eurydice. — Scheerenflotte. — Lichten der Anker. — Preußische Prise. — Höhe von Pillau. — Ausschiffung zu Pillau. — Vom 2ten bis 11ten Mai 1803.

Der Preußische Gesandte und einige andre Herren waren schon einen Tag zuvor vorausgereiset.


Ich hatte das Glück, einen ausgezeichnet guten Kutscher zu bekommen, der früher Königlicher Reisekutscher gewesen war. Wieviel in Schweden darauf ankommt, bewies die ungewöhnliche Schnelligkeit, womit ich, trotz meines öftern Aufenthalts in Posthäusern, die Reise zurücklegte. Am 2ten Mai legte ich bis Aby 26½, am 3ten Mai über Norrköping bis Eskio 24 deutsche Meilen zurück. Die folgende Nacht fuhr ich durch, um zur bestimmten Zeit in Carlskrona einzutreffen.

Gegen Abend erreichte ich die Provinz Bekingen, welche berühmt ist durch ihre romantischen reizenden Landschaften. Nirgend auf der Welt, möchte ich fast sagen, findet sich dieser liebliche Wechsel von malerischen Prospecten auf Wald und Wiese, Wasserparthien und Felsen. Was für den Reisenden die Annehmlichkeiten vermehrt, sind die herrlichen Wege, welche hier eine größere Breite haben, als irgendwo in Schweden. Von der Schönheit der Gegend ging mir trotz meiner Nachtreise, wegen Kürze der nordischen Nächte um diese Jahrszeit, wenig verloren. Noch waren die meisten Flüsse und Seen mit Eis belegt und in den Wäldern und Abgründen schimmerte hier und dort eine blendende Schneelage, während das freundlichste Grün schon auf den sonnigen Wiesen und Berg-Abhängen zu sprossen begann.

In der letzten Nacht bewies mein Kutscher noch eine Geschicklichkeit, wobei dem geübtesten Pferdelenker in jedem andern Lande die Haare zu Berge stehen würden. Er fuhr in gestrecktem Galopp einen langen, hohen und steilen Berg hinab, dessen Straße mit vielen Krümmungen hart an einem senkrechten Abgrunde hinlief, aus dessen Tiefen herauf der Spiegel eines Landsees blitzte. Die beiden Bauern, welche hinten aufsaßen, sprangen sogar vom Wagen herab, allein der Kutscher versicherte ruhig, es habe nicht die mindeste Gefahr, denn er habe die Pferde vollkommen in seiner Gewalt und sei seiner Sache ganz gewiß. In der That führte uns auch die grausige wilde Jagd sicher hinunter in’s Thal.

So kam ich denn glücklich am 5ten Mai Morgens 5 Uhr nach Carlskrona.

Hier ist der erste Waffenplatz der Schwedischen Marine und der Sitz der Admiralität.

Carlskrona (mit 13,080 Einwohnern) hat eine ganz eigenthümliche Lage. Auf einer Anhöhe, die beinahe völlig aus nackten Felsen besteht, erheben sich die mit Epheu umrankten alten Festungsmauern auf ihren granitenen Grundfesten, die zum Theil mit senkrechten Wänden aus dem Meere aufsteigen. Es führt von der Landseite her ein langer Damm zur Festung, welcher öfters durchschnitten und mit Brücken verbunden ist. Zur linken Hand hat man die Bucht, welche einen Theil des Hafens bildet, und zur Rechten einen Fluß, der in diese Bucht sich ergießt. Die eigentliche Stadt, hart am Meere liegend, gewährt die herrlichsten Land- und Seeprospecte. Sie ist durch eine altersgraue Granitmauer vom Admiralitäts-Bezirk geschieden. Zu Diesem gehören der Hafen, die Docken, die Schiffswerften und die Admiralitäts-Gebäude.

Um sich hier umsehen zu können, bedarf man der Erlaubniß des Werft-Admirals.

Der Hafen ist einer der bequemsten und sichersten Kriegshäfen in Europa. Die schöne tiefe und sichere Hafenbucht ist fast ganz umgeben mit senkrechten Felsenufern der verschiedenen Inseln und des festen Landes. Von der 1500 Fuß langen Brücke aus, an welcher in majestätischer Reihe die Linienschiffe mit 74 Kanonen und mehrern Fregatten und kleinern Fahrzeugen liegen, genießt man eine köstliche Aussicht. Selbst eine Fregatte von der Scheerenflotte war hier, welche durch einen flachen Boden geeignet ist, auf den Untiefen zwischen den kleinen Inseln gebraucht zu werden. Die Schiffe von der Schwedischen Marine zeichnen sich aus durch einen leichten zweckmäßigen Bau, und wahre Kunstwerke in ihrer Art sind die aus Holz geschnitzten Bilder, welche den Namen des Schiffs bezeichnen, die am Schiffsschnabel angebracht sind. Der Schiffsbildhauer Tönnström in Carlskrona, dessen Werkstatt zu besuchen der Mühe werth ist, hat bewiesen, daß sich auch diese sonst gewöhnlich so grotesken Figuren veredlen lassen.

Der Hafen hat drei Einfahrten: vorn zwischen den Inseln Aspö und Tjurkö, die von Bastionen vertheidigte Haupteinfahrt für Linienschiffe, dann im Westen die Einfahrt Arpösund für Fregatten, und im Osten den Skätlesund, als Einlauf für kleinere Fahrzeuge und Boote.

Die verschiedenen kühnen Gestalten der Inseln, welche den Hafen umgeben, gewähren äußerst malerische Ansichten. Vom Hafen aus führt eine schwankende Hängebrücke zu der Felseninsel Lind Holm, welche dem Hafen vorzüglichen Schutz gewährt.

Hier befindet sich das äußerst merkwürdige Riesenwerk, eine ganz in den Felsen gehauene Docke von 180 Fuß Tiefe und über 290 Fuß Länge. Durch Schleusen werden die Schiffe in die gefüllten Docken hineingelassen, alsdann wird ein Pumpenwerk in Bewegung gesetzt, welches sie alsbald trocken legt.

Unfern dieser alten, schon unter Carl XII. begonnenen Docke erhebt sich eine steinerne Pyramide, welche als Wahrzeichen für die Seefahrer dient.

Einen ergreifenden Anblick gewährt die Ankerschmiede, in welcher an Ketten geschmiedete Verbrecher angehalten werden, die Bootsanker zu schmieden. Diese anstrengende Cyklopenarbeit gehört wahrlich zu den infernalischen Strafen der menschlichen Richtergewalt. Es sind die Galeerensclaven Schwedens, die hier arbeiten.

Ein noch schöneres Werk, als die alte Docke, ist die neue Docke, welche vom Director Thunberg unter Gustav III. im Jahre 1775 angefangen wurde. Die Schleusen sind ungleich größer und kunstvoller, als bei der alten Docke, und das ganze Werk ist mit einem kupfernen Dache überwölbt, so daß an dem völlig trocken liegenden Schiffe bei jedem Wetter gezimmert werden kann. Auch diese Docke ist theils in den Felsen gesprengt, theils wasserdicht mittelst eines Mörtels von Porzellanerde (terra di Puzzuola), die aus dem mittelländischen Meere herbeigeschafft werden mußte, ausgemauert.

Der Modellensaal, welchen Capman, der berühmte Viceadmiral unter Gustav III., eingerichtet hat, enthält eine Menge sehenswerther Modelle von Schiffen aller Gattung, jeder Bauart und jeder Nation. Seine Büste von Carrarischem Marmor, mit einer bedeutsamen Inschrift befindet sich mitten zwischen den Modellen, die meist Alle von seiner Hand herrühren.

Merkwürdig ist das Arsenal mit einer großen Mannigfaltigkeit von Seewaffen, die in einem langen Saale aufgestellt sind, dessen Hintergrund mit Trophäen geschmückt ist. Das Ganze gewährt eine architektonisch-malerische Perspective

Der Artilleriehof (Artillerie-Gärder), mit einer großen Mannigfaltigkeit von Geschütz, enthält auch manche historische Merkwürdigkeit, z. B. Altgothische Schwerter von 4 Zoll Breite, von welchen Jedes die Reliquie eines namentlich genannten Helden ist. Im Hofe sind die Schiffskanonen aufgefahren, deren Jede den Namen des Schiffes trägt, zu welchem sie gehört. Im Arsenale hat jedes Schiff seine eigene Kammer, in welchem die demselben gehörigen Waffen aufbewahrt werden.

Jetzt waren nur die Reserve-Vorräthe noch vorhanden, denn die ganze Flotte lag ausgerüstet im geräumigen Hafen.

Ich eilte sogleich nach meiner Ankunft in Carlskrona, mich an Bord der Fregatte Eurydice zu begeben, um meine Königlichen Depeschen abzuliefern. Die Fregatte lag schon außerhalb des Hafens auf der Rhede. Nach einer halbstündigen Fahrt auf einem Ruderboote kam ich dorthin. Diese Fregatte ist unstreitig die schönste in der ganzen Schwedischen Marine. Der Obristlieutenant von Nordenanker war Commandeur derselben.

Ich sah auch einen Theil der Scheerenflotte, die an der ganzen insel- und felsenreichen Küste Schwedens vertheilt ist. Sie besteht aus Kanonenbooten, Galeeren und ganz leicht und flach gebauten Schiffen. Die Seeflotte bestand aus 12 Linienschiffen, mehrern Fregatten, Briggs und kleinern Schiffen.

Am 5ten Mai Abends 6 Uhr ging Alles an Bord der Eurydice. Es bestand die Reisegesellschaft aus dem Königl. Preuß. Gesandten Herrn von Tarrach, dem Grafen von Priest, dem Russ. Legationsrath Herrn von Nicolai und verschiedenen Kaufleuten, die bei dieser Gelegenheit mit nach Preußen zurückkehren wollten.

Am 6ten Mai früh wurden die Anker gelichtet und wir gingen in Begleitung von zwei Linienschiffen unter Segel Diese Letztern waren nach Gothland bestimmt, welches sie wieder von der Besitznahme der Russen befreien sollten, ein Unternehmen, welches auch vollkommen gelang.

Wind und Wetter waren uns auf der ganzen Reise so ungünstig, daß wir erst am 11ten die Landzunge von Pillau erblickten, aber bald wieder die hohe See zu gewinnen suchen mußten. Erst am 12ten waren wir wieder auf der Höhe von Pillau. Doch war der Wind so schwach, daß wir uns dem Lande nicht nähern konnten. Da erblickten wir ein kleines einmastiges Schiff, welches von Pillau herauskam. Es mußte bei uns herankommen und ein Officier von der Fregatte wurde an Nord des kleinen Preußischen Schiffs geschickt. Es fand sich, daß dasselbe ein Colberger Schiff war, welches Hanf und Talg geladen hatte. Da dieses Material offenbar zum Schiffsbau bestimmt war, so wurde es als Prise erklärt und, mit 7 Mann besetzt, nach Carlskrona geschickt.

Der Preußische Gesandte war darüber sehr aufgebracht, daß ein Parlementairschiff, welches einen Preußischen Gesandten am Bord habe, kein Bedenken trage, ein Preußisches Schiff zu nehmen. Allein der Obristlieutenant von Nordenanker bezog sich auf seine Instruction, wonach er nicht eher, als auf der Höhe von Pillau die weiße Flagge aufziehen, bis dahin aber Alles nehmen solle, was ihm an Feindes- Schiff oder Gut vorkomme. Diese Instruction war auch, um alle Rücksichten zu beobachten, dem Herrn von Tarrach schon vor seiner Abreise von Carlskrona mitgetheilt worden.

Gegen 10 Uhr gingen wir, etwa zwei Stunden von Pillau entfernt, vor Anker. Es wurde eine Kanone abgefeuert und die weiße Flagge auf dem großen Maste aufgezogen. Zugleich schickte der Commandeur der Fregatte einen Officier in einem mit der weißen Flagge versehenen Boote nach Pillau, um die Veranlassung der Ankunft der Fregatte zu melden. Herr von Tarrach fuhr sogleich mit, wir übrigen Passagiere aber schifften uns erst aus, nachdem gegen Abend das Boot zurückgekommen war, und für uns die Erlaubniß, ans Land zu gehen, mitgebracht hatte. Etwa um 10 Uhr Abends betraten wir das Land.