Vierzehntes Capitel: Frankfurt am Main. Am ersten September.

Frankfurt am Main erblickt man nicht aus weiter Ferne. Einige über den Horizont hervorragende Thurmspitzen lassen dort eher zerstreute Dörfer vermuthen, als eine so bedeutende Handelswelt.

Ich habe Frankfurt am Main oft noch auf spätern Reisen und erst ganz neuerlich gesehen. Welch ein Unterschied zwischen damals und jetzt!


Damals umgaben noch Wassergraben mit grünlichem Schlamm und hohe Wälle die Stadt und dunkle Thore mit drohenden Thürmen schlossen den finstern Eingang — große burgartige Hauser im Altgothischen Geschmack füllten zwischen den engen Gassen der Altstadt ganze Quadrate, und die überfüllte Judengasse mit ihren sieben bis acht Stockwerk hohen Häusern und Thoren an beiden Seiten erschien als eine Dunsthöhle, in welcher verpestete Luft sich entwickelt. Wie ganz anders, wie unendlich freundlicher ist heute die Physiognomie von Frankfurt a. M.! — Reizende Gärten und Landhäuser mit einer fortlaufenden öffentlichen Promenade zwischen lieblichen Blumenparthien umgeben die Stadt; die neuen Thore sind wahre Modelle der Griechischen Architektur aus ihrer höchsten Blüthenzeit. Hier sieht man, statt des alten Beckenheimer Thors die beiden Tempel der ungeflügelten Victoria, hier wird man an die Propyläen von Athen, die den Eingang der Akropolis bilden, erinnert, dort am Allerheiligen-Thore erblickt man Hallen, die von Pilastern im Italienischen Style getragen werden; das alte Obermainthor ist den Hallen des Campus militum in Pompeji gewichen, das Avethor, welches die korrumpirende Volkssprache komisch genug zum Affenthor macht, erinnert an die Toskanische Bauart des 15ten Jahrhunderts.

So auch haben sich besonders die Straßen der Neustadt mit palastartigen Privatwohnungen im großartigen Styl geschmückt und ein reichgallonirter Portier unter dem antiken Säulenportale eines solchen Privatpalastes, mit dem Heere von Bedienten, vor welchen zahlreiche Carossen auffahren, deutet nichts weniger, als auf einen Fürstlichen Besitzer, sondern auf einen der zahlreichen Millionairs, welche Frankfurt unter seinen Banquiers und großen Kaufleuten besitzt. Elegante und prachtvolle Landhauser mit lieblichen Parkanlagen schmücken die reizenden Umgebungen der Stadt, unter welchen die Villa des jetzt verewigten kunstsinnigen Bethmann wohl zu den ausgezeichnetsten gehört. Unter den Kunstschätzen desselben gebührt der reizenden Ariadne von Dannecker der erste Rang. Aus dem feinsten Carrarischen Marmor gebildet, ruhet sie auf ihrem Panther im rosigen Dämmerlichte einer künstlichen, durch Vorhänge gemilderten Erleuchtung in der ihr allein geweihten Tempelhalle und ein ätherisches Leben strömt aus von diesem Götterbilde.

Welche Erinnerungen der Vergangenheit und Gegenwart knüpfen sich an Frankfurt a. M.! Ich erwähne nur die Kaiser-Krönung und Göthe. Hier war der Dichter geboren, welcher durch eine nie erreichte Universalität alle Dichtungsgattungen und alle Geschmacksperioden umfaßte und in seiner poetischen Objectivität das Leben über das Ideal zu stellen wußte, indem er die Tiefe des Lebens zur Poesie erhob.

An Göthe’s Hand muß man die stummen Denkmäler der alten Kaiserpracht bei den Krönungs-Ceremonien durchwandern. In dem ersten Theile seiner Biographie begleitet er uns zu dem Römer, dem alten Rathhause, zu Frankfurt, in welchem die Kaiserwahlen vollzogen wurden. Wer gewohnt ist, das geschichtlich Großartige nur im großartigen Raume zu denken, der wird es kaum glauben, daß das wenig ansehnliche Gebäude, dessen Hauptfronte sich in ein Seitengäßchen versteckt, mit seinen hohen Altfränkischen Giebeln von Außen, und seiner ungeregelten Bauart im Innern, mit dem verhältnißmäßig kleinen Marktplatz, welcher der Römerberg genannt wird, würdig genug gewesen sei, den Churfürsten des Reichs zur Wahl eines Römisch-Deutschen Kaisers als Versammlungsort zu dienen, den neugekrönten Kaiser im Ornate Carls des Großen dem Volke zu präsentiren und die goldne Bulle aufzubewahren. Doch hat sich erst das Auge daran gewöhnt, den kolossalen Anforderungen der Phantasie zu entsagen, so erblicken wir in einem leisen Schauer der Ehrfurcht diese stillen Räume, welche in hoher Einfalt noch immer den Charakter vergangener Jahrhunderte an sich tragen, mit den Geistern der Geschichte belebt.

Zuerst öffnet sich das stattliche Wahlzimmer, in welchem die Churfürsten und ihre Botschafter sich versammelten. Götter und Genien von Colomba in manierirtem Geschmack seiner Zeit, doch mit Geist und Leben gemalt, blicken von der Decke herab, und Kaiserliche und Churfürstliche Wappen verzieren wunderlich diesen Götterhimmel. Von hier aus treten wir in den Kaisersaal. Wir sehen im Geiste den gekrönten Kaiser unter dem Thronhimmel, auf einer Stufenerhöhung Schaugerichte und selbst zur Schau gestellt allein speisen, von Reichsgrafen und den bekannten Erzämtern bedient. Von den Mauerblenden herab schauen ernst und todt die Bildnisse der Kaiser, welche sich Conrad I. anreihten, so wie Dieser selbst herab. Einen sonderbaren Contrast mit dieser großartigen Bestimmung des Kaisersaals mußte es machen, wenn noch bis an das Ende des vorigen Jahrhunderts zur Meßzeit die Abgeordneten mehrerer vom Meßzoll befreiter Städte hier vor dem wohlweisen Pfeifergericht erschienen, geführt von Pfeifern mit einer Schalmei, einem Basset und einem Pommer, um die üblichen Geschenke, als etwas Pfeffer, einige Handschuh, hölzerne Becher und einen Goldgulden zu überreichen, dagegen aber Erneuerung ihrer Privilegien zu erhalten.

Doch wer wollte den Römer verlassen, ohne die goldene Bulle des Kaisers Carl IV. vom Jahre 1356 gesehen zu haben? Diese merkwürdige Urkunde besteht aus 43 Pergamentblättern, welche mit seidenen Fäden zusammengeheftet sind. Die Enden derselben vereinigen sich in einer Capsel, in welcher das mit Goldblech überzogene Kaiserliche Siegel befindlich ist, welches der Urkunde den Namen Aurea bulla gegeben hat. Auf diesem Siegel erblickt man den Kaiser im Ornat mit der Umschrift: Carolus quartus, divina favente clementia romanorum imperator, semper augustus et bohemuiae rex. Auf der andern Seite erscheint eine Burg mit drei Thürmen; in der Mitte die Worte:


A U K
E A R
O M A


und um den Rand: Roma caput mundi regit orbis frena rotundi. Neben der Lateinischen Urschrift liegt eine Deutsche Uebersetzung, welche der Schuldheiß Seifried von Marburg verfertigt hat. Das Ganze befindet sich in einem mit Elfenbein, Perlenmutter und Schildpatt künstlich ausgelegten Registraturfache.

Doch treten wir hinaus auf den Altan. Dort unten jener kleine unregelmäßige etwas abhängige Marktplatz, das ist der Römerberg; dort war der Haferhaufen aufgeschüttet, in welchen der Erz-Marschall hineinritt, um den silbernen Becher für den Kaiser zu füllen und dann dem Volke preis zu geben; dort warf der Erzschatzmeister seine Silbermünzen aus, mitten unter das über einander herstürzende Volk; dort sprang der Brunnen mit weißem und rothem Wein und dort wurde der ganze Ochse gebraten, der dann in der ungeheuren Bratpfanne in der Stadt umher gefahren wurde.

Doch es wird Zeit, das Volksgetümmel zu verlassen und den ehrwürdigen Dom zu betreten. Hier war es, in diesen Altgothischen Hallen der Bartholomäusstiftskirche — so heißt der Dom — wo die Krönungsfeierlichkeiten der Deutschen Kaiser sich begaben. Auf den Hochaltar warfen die gemalten Fenster ein gefärbtes Dämmerlicht und darüber hinaus schaut die Himmelfahrt der heiligen Jungfrau mit Rubens Kraft und Farbenpracht gemalt, mildlächelnd auf die Betenden herab, doch war es nicht der Meisterpinsel dieses Malerfürsten von Antwerpen, der das Bild schuf, sondern der Pinsel eines glücklichen Nachbildners.

Aus dem Schiff der Kirche traten wir in die Wahlcapelle, deren langes schmales Gewölbe, ohne äußern Zierrath nichts von ihrer ehemaligen hohen Bestimmung verräth. — Doch hinauf zu dem 260 Werkschuh hohen, noch unvollendeten Pfarrthurm. — Welch eine herrliche Aussicht öffnet sich hier ringsum auf die Stadt, auf das üppige Mainthal, auf den Fugelisberg im Morgen, auf die Höhen des Odenwaldes im Mittage, auf den Donnersberg und die Berge des Rheingaus im Abend und auf das dunkle Taunusgebirge nach der Mitternachtseite hin! Wie schwindet vor der schönen lebendigen Gegenwart die todte dunkle Vergangenheit!

Wir wandeln durch die Stadt. Es ist ein schöner Abend. Manches alte Gebäude mit seinem Gerämse erinnert noch an die gute alte Zeit. Gerämse heißt nämlich die fast südliche Einrichtung der Häuser, wo man durch Glasthüren sogleich von der Straße aus dort ein Fami- lienstillleben, hier auf der erleuchteten Hausflur fröhliche Frankfurter bei dem goldglänzenden Rheinweinglase erblickt. Allein bei weitem die meisten Häuser und ganze Stadttheile haben das geleckte Aeußere des neuern Geschmacks und manche großartige architektonische Palastfronten fesseln das Auge des Fremden.

Da ist z. B. der prächtige Palast des Fürsten von Thurn und Taxis mit 140 geschmackvoll glänzenden Gemächern und zwei achteckigen Sälen. Dieser kostbare Bau ist besonders in neuester Zeit diplomatisch merkwürdig geworden, denn dort residirt der Kaiserlich Oesterreichische Präsidial-Gesandte des Bundestages und dort werden seit dem 5ten November 1816 die Deutschen Bundestagessitzungen gehalten.

Sehenswerth ist auch das Alessina-Schweizerische Haus auf der Zeile. Es ist im großartigsten Style aufgeführt, mit ausgezeichneten Bildsäulen von Carrarischem Marmor in den Nischen der Prachtsteigen und Vorplätze geschmückt. Die Plafonds sind gut gemalt und köstliche Marmorbäder würden dem Luxus und der Ueppigkeit eines Lucull entsprechen?).

Ueberhaupt ist die Zeile die schönste Straße von Frankfurt, mit welcher man die enge Judenstraße mit ihren thurmhohen Häusern vergleichen muß, um zu sehen, wie in großen Städten die Extreme vom höchsten Wohlleben und der niedrigsten Dürftigkeit sich berühren. Jetzt wird doch die Judengasse nicht, wie ehemals, an beiden Enden durch Thore verschlossen und bei der fortgeschrittenen Humanität werden die Jüdischen Millionaire nicht mehr mit den unreinlichen Betteljuden zusammengepfercht, sondern wohnen zwischen Christen in prächtigen palastartigen Gebäuden, alle Vortheile der Gesittung genießend.

Ueber 5200 Israeliten sind in der 42,000 Seelen haltenden Bevölkerung des Stadtgebiets begriffen. Doch eine nicht viel geringere Anzahl armer Schacherjuden strömt mit Tagesanbruch in die Stadt und vertheilt sich in die Straßen, welche einem Jeden von ihnen nach einer stillschweigenden Uebereinkunft, die Keiner zu verletzen wagt, als Handelsgebiet angewiesen sind und schreit dort von Haus zu Haus ihr Klägliches: „Nix zu Schachern?“

Ueber die Mainbrücke geht es nach Sachsenhausen. Die Mainbrücke ist ein herrlicher Bau, der schon seit fünf Jahrhunderten auf seinen 14 gewölbten Bogen unerschüttert steht. 950 Fuß lang, 27½, Fuß breit mit 3 Fuß breiten Trottoirs versehen, gewährt sie den Standpunkt für eine entzückende Aussicht. Den Main hinauf überblickt man links die nach dem Obermainthore sich ziehende Straße, welche den Namen: „die schöne Aussicht“ mit der That führt. Gegenüber reihen sich auf einer malerischen Hügelkette bis hinauf zu dem Flecken Oberrad reizende Landhäuser und Gärten. Weiter hinauf blickt Ossenbach mit den Thürmen des alten Schlosses Birgel über den Horizont und selbst Rumpenheim wird sichtbar. Wendet man sich aber ab von diesem freundlichen Stillleben und schaut den rinnenden Wellen des Mainstromes nach, so erscheint ein wahres Panorama eines reich bewegten Lebens. Dort zur Rechten im weiten Halbkreise dehnt sich die reiche Stadt mit ihren Wasserthoren und Wasserstraßen aus und umschließt den silbernen Busen des Mainstroms, auf welchem Hunderte von langen Flußschiffen theils ruhen, theils zwischen den langen Holländerflößen hindurch gleiten, die, aus kolossalen Baumstämmen gezimmert, schwimmenden Inseln mit einer belebten zahlreichen Bevölkerung gleichen.

In der alten und unregelmäßig gebauten Vorstadt Sachsenhausen wohnt der derbe und kraftvolle Menschenschlag der Schiffer und Schiffbauer. Höflichkeit ist eben ihre Sache nicht und der feine heitere Frankfurter könnte diese Schiffercolonie ganz füglich sein Bdotien nennen. Indeß mag immerhin der Main- und Rheinschiffer gegen die Elbschiffer noch als polirt gelten. Der Weingeist giebt überhaupt dem Süddeutschen leichteres Blut als der Bierdunst dem Norddeutschen.

Doch zurück nach Frankfurt, welches ein blühender Kranz von Blumen und Weingärten aus den Armen der Mainnymphe empfängt.

Welch ein heiteres Leben lacht hier — besonders dem Norddeutschen entgegen? Der Frankfurter ist im allgemeinen frisch und gesund an Leib und Seele, Frohsinn und Lebenslust sprechen sich in einer derben Natürlichkeit, ohne Rückhalt aus. Das Werthgefühl eines durch praktischen Lebenssinn gewonnenen Wohlstandes giebt dem Mittelbürger jene entschiedne selbstständige Haltung, die leicht auf den Fremden imponirt; dagegen zeichnen sich die höhern Stände durch eine feine Weltbildung aus und mehr die Kunst als die Literatur findet dort ihre krösusreichen Mäcenaten.

Die Bühne, als eine wandelbare Erscheinung im Kunstleben, läßt schon die Nähe Frankreichs ahnen, im hochtrabenden Pathos der Declamation des Tragischen und im leichtern und raschern Zusammenspiel des Lustspiels, während die Norddeutschen Bühnen mehr auf Feinheit und Wahrheit der Charakteristik hinstreben. — Die Tonkunst findet durch die einzige vom Staate erhaltene Capelle in der Lutherischen Hauptkirche von St. Katharinen unter dem Kapellmeister Wolareck eine treffliche Stütze. Der Cäcilienverein giebt der Vocalmusik eine mächtige Aufregung und ausgezeichnete fremde Künstler finden in Frankfurt ein gebildetes und dankbares Publicum.

Für den plastischen Kunstsinn giebt der Bethmannsche Antikensaal, welcher außer Danneckers Ariadne im Nebenzimmer die gelungensten Gipsabdrücke von den berühmtesten Statuen des Alterthums, von dem Antinous, der Diana, dem Laokoon, dem Apoll von Belvedere, dem Borghesischen Fechter, dem Eros, Achilles Germanikus, Silon mit dem jungen Bacchus, Kastor und Pollux, Apoll mit der Eidechse, Venus von Medicis u. a. m. enthält, ein kostbares Zeugniß. Die Malerei findet in dem Zeichnungsinstitute ihre Vorbildung und im Städtischen Kunstinstitute ihre weitere Ausbildung. Das Letztere giebt den ehrenwerthen Beweis, wie der einmal geweckte Gemeingeist unter wohlhabenden gebildeten Bürgern eines kleinen Freistaats wieder veredelnd auf das Ganze zurückwirkt.

Der 1816 verstorbene Wechselherr I. Fr. Städel schenkte der Stadt sein Haus, seine Kunstschätze und ein Vermögen, welches auf 1,200,000 Gulden geschätzt wird, mit der Bestimmung, daß von den Zinsen dieses Capitals die Sammlung von Oelgemälden, Kupferstichen und Handzeichnungen vermehrt werden solle. Dort bewundert der Kenner schon jetzt die herrlichen Bilder, unter welchen die von Snyders, Rembrandt, Bega, du Jardin, Wyck, Ricard, Honthorst von Walscappel, v. Everdingen, Hobbema, R. de Vries, Ruysdael, Joh. von Hugtenburg, Rachel Ruysch, Ph. Wouwermann, de Heus, I. Both, Cornel. de Hartem, Victor, Sagtleeven, Rubens, Dievenbeck, Franz Mals, Guido, Pannini ausgezeichnet werden. Die Galerie steht zum Studium und zum Besuche für Kenner unentgeltlich offen und eine Zeichenschule für junge Leute, die sich den Künsten oder einem Bauhandwerke widmen, so wie Fonds zur Unterstützung ausgezeichneter Talente sind damit verbunden.

Ueberhaupt ist Frankfurt reich begabt an Stiftungen zur Beförderung der Künste und Wissenschaften, welche aus dem Privatvermögen ihrer Bürger hervorgegangen sind. Wer kennt nicht die Senkenbergschen Stiftungen? Zwei Theile seines großen Vermögens bestimmte der edle Senkenberg für das medicinische Institut und den dritten dem Bürgerhospital. Um die wissenschaftlichen Zwecke dieser Schenkung zu entwickeln, bildete sich 1817 die Senkenbergsche Gesellschaft. — Das Museum, welches an 200 Gelehrte, Maler, Tonkünstler und kunstliebende Bürger Frankfurts vereinigt, gewahrt in den Versammlungen, welche mit Ausnahme der Sommermonate alle 14 Tage gehalten werden, eine hochgeistige Unterhaltung, die wohl in keiner Stadt ihres Gleichen finden möchte. Das Museum besitzt ausgezeichnete Sammlungen von Gemälden, Kupferstichen, Büchern und Musikwerken. Einen ganz besondern Werth bekommen aber diese Sammlungen durch die reichen Sendungen des kühnen Reisenden Rüppel aus dem Innern von Afrika, welcher eine Menge von unschätzbaren naturhistorischen Seltenheiten hier zusammen getragen hat. Mehrere Gelehrte haben sich in dem mühsamen Geschäft der Anordnungen dieser Sammlungen getheilt, welches über Frankfurt ein wissenschaftliches Streben für die höchsten Interessen der Menschheit verbreiten wird.

Noch andere neuere Vereine haben praktischen Werth für die Ausbildung der Gewerbtreibenden, für die Niederlegung von Ersparnissen, für die Deutsche Geschichtskunde, Deutsche Sprache, Meteorologische Beobachtungen, Rettungsanstalten, Bekehrung der Juden, Verbreitung der Handwerke unter den Israeliten und Ausbreitung der Bibel u. s. w. Die Stadtbibliothek von 60,000 Bänden, in ihrem schönen Local am Obermainthore, besitzt viele Incunabeln und 250 Handschriften. In dieser letztern Hinsicht ist auch die Dominicaner-Bibliothek werthvoll.

Bei einem solchen Geist der Frankfurter läßt es sich denken, daß auch die Wohlthätigkeitsanstalten der Stadt reichlich begabt und zweckmäßig geleitet sind. Eine wohlgeordnete Armenanstalt, 6 Hospitäler, eine überaus zweckmäßige Irrenanstalt, — in welcher das Princip anhaltender und angemessener Beschäftigung mit Glück als Heilmittel angewendet wird, so daß von 60 Irren in der Regel 8 — 10 jährlich als geheilt entlassen werden können — das allgemeine Waisenhaus, welches 100 Knaben und 60 Mädchen erzieht, auch an 50 Lehrlingen Sonntags freien Unterricht gewährt, und nur beklagen läßt, daß außerehelich geborne Kinder weder dort, noch anderwärts ein Unterkommen finden (so wie es denn zur Zeit noch in Frankfurt an einem Findelhause fehlt), das Versorgungshaus für alte Gebrechliche, in welchem brodlose Menschen Arbeit finden, das Zucht- und Arbeitshaus, der Frauenverein, welcher in den Kriegsdrangsalen von 1813 entstanden, jetzt eine segenvollere Richtung für das Wohl der leidenden Menschen im Innern der Stadt genommen hat, sind nur die öffentlichen Zeugnisse der Humanität und Wohlthätigkeit der Bürger Frankfurts, an welche Zeugnisse sich jedoch noch eine Menge kleiner Privatstiftungen für einzelne Familien oder überhaupt engere Zwecke anschließen.

Großstädter pflegen eine gutbesetzte Tafel zu lieben. Machen auch die Frankfurter damit nicht so viel Aufwand, als die Hamburger, und treiben sie auch nicht, wie die Wiener, das Essen als Hauptbeschäftigung ihres Lebens, so möchten sie doch leicht in Hinsicht der Feinheit der Genüsse und Mannigfaltigkeit der Genußgegenstände Beide überbieten. Dem Frankfurter Feinschmecker liefern seine zahlreichen Gewächshäuser auch im Winter die feinsten Gemüse und südliche Früchte; liefert der Rhein und Main, die Lahn und Nidda, nebst unzähligen Teichen, Seen und Bächen die schmackhaftesten Fische vom fetten Salm (Lachs) bis zu der feinsten Forelle; die Wiesengründe geben Aale, die Taunusgebirge bringen die großen Krebse; der Odenwald und Spessart sendet Roth- und Schwarzwild; Fasanen, Schnepfen, Drosseln, Feldhühner und Lerchen bringt die Umgegend zur Stadt; das feinste Rindvieh wird aus Baiern und Schwaben herbei getrieben; Westphälischer Schinken, gemästete Kälber aus der Wetterau, köstliche Butter vom Vogelsberg fehlt auch nicht und selbst die fernen Küsten des Brittischen Kanals führen auf dem Rheinstrome herauf Thun- und Schellfische, Kabliau, Steinbutten und Austern. Die beste Würze der leckern Speise bleibt aber immer das köstliche Naß vom Rhein und Main, der Johannisberger, Hochheimer, Rüdesheimer, Markebrunner u. s. w., womit jedes Haus in Frankfurt das Recht hat zu handeln — welches man hier freilich an der Quelle nicht immer von der Güte empfängt, als aus manchem Keller des fernen Auslandes.

Doch es wird Zeit, von Frankfurt zu scheiden. Noch einen Blick werfen wir auf die von der schönen Welt belebten herrlichen Promenaden, die sich besonders an den Ufern des Mains herauf ziehen und eine reizende Aussicht auf die vom Abendgolde beleuchtete Gebirgskette des Taunus gewähren, und eilen weiter.




*) Dieses Haus wollte ein Israelit kaufen fur 100,000 Gulden. Allein der verstorbene Besitzer hatte ausdrucklich zur Bedingung gemacht, daß es an keinen der Krösus des Mosaischen Glaubens verkauft werden sollte; deshalb wurde es später (im Jahre 1827) einem reichen Fleischer für 80,000 Gulden zugeschlagen und dieser will es zum Gasthofe umwandeln. D. B.