Viertes Capitel: Blicke in die Zeitgeschichte. — Ausgang der Schlacht von Auerstädt. — Blüchers Retirade. — Herzog von Oels. — Capitulation von Lübeck. — Besuch des Herzogs Friedrich Wilhelm zu Ottensen am Todtenbette seines Vaters. — Dessen Bestattung zur Erde. — Uebergabe der Preußischen Festungen. — Braunschweigs Besitznahme. — Zeitraum: vom 14ten Octbr. bis zum 15ten Novbr. 1806.

Kaum hatte der unglückliche Feldherr schwerverwundet das Schlachtfeld von Auerstädt verlassen, so entwickelte sich die Schlacht von allen Seiten. Drei blutige Gefechte entschieden die Niederlage des Fürsten von Hohenlohe. Zuerst wurde der Preußische Vortrab unter Tauenzien geworfen, dann das Hohenlohesche Hauptcorps bei Vierzehnheiligen und endlich bei Kapellendorf der rechte Flügel des Heers unter General Rüchel, dessen Niederlage seinem Eigensinn und Ungehorsam Schuld gegeben wird.

Bei dem Hauptcorps war durch des Herzogs Verwundung Einheit und Oberleitung verloren. Der greise Feldmarschall Möllendorf hatte vom Könige den Oberbefehl erhalten und ordnete den Rückzug an. Da aber die abziehenden Corps mit den heranziehenden sich verwickelten, so entstanden daraus Unordnungen, welche der Feind nur, benutzen durfte, um die Niederlage der Preußen zu vollenden. Das Corps des Herzogs von Weimar war schon über die Gebirge gegangen, und hatte deshalb keinen Theil an der Schlacht genommen. Auch das Blüchersche Reservecorps war, außer einem zurückgeschlagenen Cavallerieangriff, nicht zum Schlagen gekommen. Blücher folgte dem Fürsten Hohenlohe mit dem größesten Theile seiner Cavallerie, auf der linken Flanke desselben marschirend bis Prenzlau. Als aber hier Fürst Hohenlohe mit 17,000 Mann capitulirte und Blücher sich von Stettin abgeschnitten sah, wendete er sich zurück in’s Mecklenburgsche, in der ganz richtigen Ansicht, die Streitkräfte der Franzosen dadurch von der Oder abzuziehen.


Bei Dambeck vereinigte sich mit ihm das Corps des Herzogs von Weimar, welches jetzt der Herzog von Oels befehligte.

Beide Corps zusammen waren jetzt 2l,000 Mann stark, aber von den forcirten Märschen erschöpft, oft ohne Fourage und Lebensmittel, mit zerrissenen Kleidungsstücken und Schuhen konnte das vereinigte Corps dem Andrangen von Mürat, Soult und Bernadotte nicht Widerstand leisten. Blücher und der Herzog warfen sich am 5ten November nach Lübeck hinein. Die Thore von Lübeck und die Trave von Travemünde bis da, wo sie die Dänische Grenze berührt, wurden besetzt. „Die Armee,“ sagte Blücher in dem amtlichen Berichte an den König: „war in dieser Position auf ein paar Tage im Stande, der größten Uebermacht zu widerstehen, wenn Jeder seine Schuldigkeit that; dies war aber leider nicht der Fall, der Feind drang den 6ten durch das Burgthor von Lübeck, auf welches 16 Kanonen gerichtet waren, und das von 3 Bataillons vertheidigt wurde, und es gelang ihm, das Eindringen nur deshalb, weil jene Kanonen wider den Befehl zum Theil zurückgezogen wurden, und daher grade im entscheidenden Augenblick dem Feinde keinen Schaden mehr zufügten. Ich führte, als ich dieses mir ganz unerwartete Ereigniß wahrnahm, die Truppen, deren ich habhaft werden konnte, dem Feinde in den Straßen entgegen. Der Kampf dauerte eine Zeitlang und war blutig; die Stadt wurde am Ende mit Feinden angefüllt, und es war nicht mehr möglich, der Uebermacht zu widerstehen. Die Regimenter Tschammer, Ovstien, der größte Theil des Regiments Braunschweig-Oels u. s. w. wurden meistentheils aufgerieben oder gefangen. — Die Truppen haben eine Beharrlichkeit, Treue und Bravour gezeigt, die meine Erwartungen übertrafen, und die sie unter andern Umständen unsterblich gemacht haben würden. Obgleich mein Corps über drei Wochen im ununterbrochnen Rückzuge war und taglich forcirte Märsche von 5 — 7 Meilen machte und von allen Bedürfnissen entblößt, keine angemessene Kleidung, zum Theil keine Schuhe mehr hatte, seit drei Wochen überall kein Brod, seit 14 Tagen keine Besoldung erhielt; so hatte dennoch ein jedes Regiment immer willig dasjenige gethan, was von ihm gefordert wurde.“
Daß also auch der Herzog von Oels bei dieser Gelegenheit tapfer gefochten hatte, bedarf keines weitern Beweises.

Nach dem Verlust von Lübeck zog sich Blücher nach Ratkau zurück und capitulirte hier, von allen Hülfsmitteln entblößt, auf eine ehrenvolle Weise. Er selbst, so wie der Herzog von Oels, wurden Kriegsgefangne, aber bald darauf wurde Jener gegen den Französischen Marschall Victor ausgewechselt und nahm Dieser seinen Abschied, den er auch vom Könige in den ehrenvollsten Ausdrücken erhielt.

Der Herzog von Oels eilte, sobald es ihm die Ehrenpflicht als Krieger erlaubte, der kindlichen Pflicht zu genügen.

Mit banger Vorahnung traf er am 12ten November Abends zu Ottensen ein und fand den hochverehrten Vater bereits entschlafen. Eingetretene Entzündung hatte die Bemühung seiner Aerzte, der Doctoren Völker, Heuer und Spangenberg, vergeblich gemacht. Am 10ten November 1806 Nachmittags 52 Minuten vor 2 Uhr hatte der hohe Kranke sanft seinen Geist aufgegeben.

Auf Befehl des nunmehrigen Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig und Oels wurde die Leiche des Verewigten einbalsamirt. Das Heldenherz des edlen Fürsten wurde in einer silbernen Capsel verwahrt, auf welcher die kurze Lebensgeschichte des Vollendeten gestochen war. Am 24sten November frühmorgens wurde in aller Stille die Herzogliche Leiche in der Kirche zu Ottensen zu derewigen Ruhe bestattet. Friedrich Wilhelm folgte im tiefsten Schmerz dem Sarge des theuren unglücklichen Vaters; auch Graf Hallemont, Graf Montjoy und der Adjutant des Verewigten, Obrist von Kleist, nebst dem geheimen Secretair Eschenburg leisteten dem Verewigten die letzte Pflicht der Grabesfolge.

Dort ruhte der edle Fürst, der wohlwollende Vater seiner ihm geraubten Unterthanen, fern von der Heimath seines schönen Wirkens, fern von den Seinigen, fern endlich von der Ahnengruft Heinrichs des Löwen.

Und dürfen wir aus zufälligen Umständen ein sinniges Prognostikon stellen, so war es gewiß der Umstand, daß draußen unter der hohen Linde auf dem Kirchhofe zu Ottensen gleichsam ein Auferstehung verkündender Dichtergeist des Christus-Sängers die Grabeswache hielt. Dort ruhte Klopstock — der Sänger des Messias — neben seiner Meta — „Saat von Gott gesäet, dem Tage der Garben zureifen,“ — wie des Dichters sinnvolle Grabschrift für seine Geliebte lautet.

Doch dem Gemüthe bleibt kein Raum im Dornenfelde der Politik.

Unaufhaltsam vorgedrungen waren die leichtfüßigen Sieger. Ein Corps der zersprengten Preußischen Armee nach dem andern hatte sich ergeben. Die bestürzten Festungs-Commandanten übergaben ihre Plätze und ihre Ehre an den Feind und brandmarkten ihre achtbaren Namen mit Schande und beluden sich mit dem Fluche der Nation. So übergab von Romberg Stettin am 29sten Oktober, von Ingersleben Küstrin am 31sten, von Schöler Hameln am 19ten November, von Strachwitz Nienburg am 25sten; General von Kleist, der schmachvollste von Allen, übergab das Bollwerk von Preußen, die mit allem Nothwendigen wohlversehene Festung Magdeburg, ohne auch nur einen Schwertschlag zu versuchen, an ein fliegendes Corps unter Ney auf die schimpflichste Weise und setzte dadurch Napoleon in den Stand, die dem Abschlusse schon nahen Friedens-Unterhandlungen plötzlich abzubrechen, seine Waffen über die Oder zu tragen, Polen aufzurufen, den zu spät heranschreitenden Russen entgegen zu gehen und im Besitz des ganzen nördlichen Deutschlands (mit Ausnahme Colbergs) zu Tilsit einen Frieden zu dictiren, welcher die Preußische Monarchie der Hälfte ihres Areals beraubte, und aus der Reihe der Mächte vom ersten politischen Range ausstrich, zugleich auch alte Fürstenhauser gewaltsam ihrer angestammten Länder beraubte.

So war denn auch Braunschweig schon am 26sten October ohne Widerstand erst von einem leichten Corps der Französischen Avantgarde besetzt, dann erklärte am 28sten der Französische Commissair Malraison feierlich im Namen des Kaisers der Franzosen und Königs von Italien das neutral gebliebene Braunschweig für ein erobertes Land. Durch ein Publicandum vom 30sten war befohlen, alle Fürstlichen Wappenschilder abzunehmen. — Napoleon hatte decretirt: „Das Haus Braunschweig hat aufgehört zu regieren“ und im Tilsiter Friedenschluß war Braunschweig seinem Schicksal überlassen — aus dessen Drangsalen es erst nach sieben verhängnißvollen Jahren, verjüngt und gereift durch die Zeit der Prüfungen, in erneuter Liebe zu seinem Fürsten hervorgehen sollte.

So war die Zeit des Fallens des Braunschweigschen Hauses, des Verblühens aller Hoffnungen, wahrlich nicht geeignet, das Gemüth der jugendlichen heimathlosen Herzogin unter so kriegerischen Umgebungen zu erheitern.

Nur über Schweden und Dänemark war unter jetzigen Zeitverhältnissen ein Wiedervereinigen mit ihrem hohen Gatten möglich, und die bereits tief vorgerückte Jahrszeit schreckte die edle Gattin nicht, noch weiter nach Norden hin sich zu begeben, um dieses ihr schönstes Ziel zu erreichen.