Sechstes Capitel: Lund. — Universitätswesen. — Landskrona. — Helsingborg. — Der Sund. — Sturm. — Helsingör. — Cronenburg. — Copenhagen. — Rückreise nach Malmö. — Vom 13ten bis 19gten Jan. 1807.

Im Anfange des Januars erhielt ich Auftrag, den Elephantenorden, welchen der verstorbene Erbprinz getragen hatte, an das Ordens-Capitel nach Copenhagen zurück zu bringen.

Am 13ten Januar 1807 reisete ich — da der nächste Seeweg über die Meerenge wegen des Treibeises nicht zu passiren war — zu Lande über Lund, Landskrona nach Helsingborg, um von dort aus über die schmalere Stelle des Sunds zu setzen.


Lund ist eine freundliche Universitätsstadt von angenehmer Lage mitten zwischen Gärten und kleinen Kornfeldern, wovon man freilich in dieser winterlichen Jahrszeit wenig erkennen konnte. Doch machten schon die breiten und schnurgeraden Straßen, der Dom in der Mitte der Stadt, mit Alleen von hochstämmigen Linden umgeben, und unfern davon die akademischen Gebäude in ihrer reinlichen Architektur einen höchst erfreulichen Eindruck. Die Universität gedeihet hier, fern vom Geräusche der Waffen einer Garnison, vortrefflich. Die öffentlichen Gebäude enthalten die Hörsäle, und nach vollbrachter Arbeit beleben sich die Lindenalleen mit Professoren und Studenten, welche Letzteren durch feine Sitte und Anstand sich ebenso sehr, als durch die feine Carnation einer blühenden Gesundheit bei schlanken, hochgewachsenen Körperformen empfehlen.

Die Stadt zählt 3429 Einwohner, die Zahl der Professoren und Docenten betrug 61; die der Studirenden ist gewöhnlich zwischen 300 bis 600.

Der Geist auf den Schwedischen Universitäten soll überhaupt ausgezeichnet gut seyn, und könnte manchen Deutschen zum Muster dienen. Duelle sind dort unerhört, Schlägereien und Neckereien höchst selten. Alles ist auf den Zweck der Ausbildung des Geistes berechnet und die Erholungen haben den Charakter der heitern schuldlosen Jugendlust. Viel tragen zur Erhaltung des guten Geistes unter den Studirenden die öffentlich nicht nur geduldeten, sondern auch beförderten Landsmannschaften bei, welche durch Curatoren und Senioren verwaltet werden. An der Spitze einer jeden Landsmannschaft steht ein Professor. Die Landsmannschaftscasse, welche aus geringen Beiträgen besteht, wird dort nicht zu Anschaffung von Schlägern*), sondern zu Anschaffung kleiner Landsmannschaftsbibliotheken und Bezahlung der fleißig besuchten Kirchstühle benutzt. Ueberhaupt gehen die jungen Männer reifer an Jahren auf die Schwedischen Universitäten, und studiren dort länger, als in Deutschland**).

Die Tracht der Bäuerinnen in dieser Gegend von Schonen ist sonderbar verunstaltend. Auf dem Kopfe tragen sie ein weißes Tuch, welches in einer breiten Schleife den Rücken herabfällt. Brust und Leib sind mit dicken Wülsten gepanzert, über welche ein kurzes Jäckchen getragen, sich wunderlich ausnimmt. Die Männer kleiden sich vortheilhafter in schwarze Jacken mit weißem hervorstehenden Kragen. Beide Geschlechter tragen hölzerne Pantoffeln. Die meisten Bauern in dortiger Gegend sind den adeligen Höfen zu Frohndiensten verpflichtet ***). Die Schonischen Edelhöfe sind meistens noch mit alterthümlichen Wallgraben umgeben.




*) Und Paukwichs, wie nach Studententerminologie die comentmäßige Kleidung der Duellanten genannt wird. D. B.

**) Vergl. über das Schwedische Universitäts- und Schulwesen von Schubert: Schwedens Kirchen-Verfassung und Unterrichtswesen. Bd. 2. S. 486—546. D. B.

***) Daß in andern Provinzen Schwedens die freien Bauern, welche Sitz und Stimme auf dem Reichstage haben, ein kräftiger gebildeter Menschenschlag sind, der, wohlhabend und stolz auf seine Vorfahren, einen sehr achtbaren Stand bildet, ist bekannt. D. B.




Nachmittages gegen 4 Uhr kam ich in Helsingborg an. Schon war es dunkel und sehr stürmisch. Kein Schiffer wagte es, mich noch über den Sund zu setzen, welcher dort nur eine Deutsche Meile breit ist. Wir übernachteten daher in Helsingborg. Der heftigste Wind war fast zum Orkan geworden. Mit Tages-Anbruch legte sich derselbe etwas, doch blies der Wind noch sehr stark.

Ueberraschend war die Aussicht am Strande. Die hochgehenden Wogen im Vordergrunde, die sich rechts hinauf im Cattegat in immer kleiner werdenden Progressionen verlieren, gegenüber die romantisch lieblichen Küsten von Zocland und Helsingör, dann die Festung Kronenborg mit dem Mastenwalde großer Seeschiffe, links hinauf in den Sund die Insel Wehnen; lag auch Alles im Winterkleide, so war doch die Aussicht bald durch dunkle Fichten-Waldungen, bald durch die grotesken Küstenparthien und das tiefe Dunkelgrün der starkbewegten See, im Wechsel mit weißbeschneiten Höhen, äußerst großartig.

Auf einem offnen Boote mit einem einzigen Segel schiffte ich mich ein mit meinem treuen Diener Löwegrün, der mich auf allen Reisen und durch das ganze Leben mit der seltensten Treue begleitete und daher wohl einer Erwähnung in diesen Blättern werth ist.

Oft schlug eine hochgehende Woge über Bord, und Alles mußte eilen, das Wasser auszuschöpfen, um das Untersinken zu verhindern. Der Wind strich dabei so kalt und scharf, daß unsere Kleider, die nicht selten durch eine Sturzwoge von oben bis unten begossen wurden, auf dem Leibe zu Eis erstarrten. In siebzehn Minuten war die kurze, aber höchst beschwerliche Fahrt einer Deutschen Meile beendigt und wir traten zu Helsingör auf der Insel Zoeland, von Nässe und Kälte durchschauert, an’s Ufer.

Hier lagen einige Englische Kriegsschiffe und Fregatten, nebst mehreren bedeutenden Kaufmannsschiffen auf der Rhede. Es war das erste Mal, daß ich solche schwimmende Festungen von dieser Größe nicht ohne Erstaunen erblickte.

Dicht neben Helsingör liegt die Dänische Festung Kronenborg. Es waren unzählige Menschen mit der Ausbesserung der in das Meer hineingehenden Basteien beschäftigt, da diese beim letzten Sturm (am 3ten Weihnachtstage) sehr gelitten hatten.

Helsingör ist nicht groß, aber von reichen Kaufleuten bewohnt und gut gebaut. Der geräumige und wohl eingerichtete Gasthof der Madame Suel nahm uns auf, und ein gut zubereiteter Punsch trug nicht wenig dazu bei, uns steifgefrorne Eismenschen wieder aufzuthauen.

Neu belebt, fuhren wir um 10 Uhr ab nach Copenhagen. Die Kälte wurde fast unerträglich. Die breiteste und schönste Chaussee, welche mir jemals vorgekommen ist, führte durch eine reizende Gegend, welche Dörfer und Städtchen belebten, an dem reizend belegenen Lustschlosse Sorgenfrei vorüber, nach Copenhagen. An dem lebhaftern Verkehr der stärker werdenden Bevölkerung erkennt man bald die Nähe der bedeutenden Residenz- und Handelsstadt.

Um 4 Uhr Nachmittags trafen wir dort mit der tiefen Abenddämmerung ein und stiegen in dem Müllerschen Gasthofe auf des Königs Neumarkte ab.

Da ich später noch zwei Mal nach Copenhagen zurückkehrte, so kann ich die Beobachtungen der drei Reisen hier zusammenfassen.

Schon die Lage von Copenhagen, besonders von der Seeseite her, ist ungemein schön. Reizende Dörfer, Villen und Lustschlösser, auf Höhen belegen, überragen die niedrig am reichbelebten Strande sich ausbreitende Stadt. Aus der Mitte des Hafens erblickt man daher ein reizendes Amphitheater, belebt von Hunderten von Schiffen, aller Nationen, umgeben von der lebendigsten Regsamkeit des Handels und der Schifffahrt. Gegen Abend erblicktman die Neustadt mit ihren schöngebaueten dreistöckigen Häusern, die in breiten schnurgraden Straßen, von Kanälen durchschnitten, die Schifffahrt bis vor die Waarenhäuser der Kaufleute gestatten; dann gegen Morgen die noch alterthümlich gebaute Altstadt mit ihren krummen engen Gassen und gothischen Gebäuden, und gegen Mittag endlich die Insel Amack, welche zugleich die gewaltige Schutzmauer des Hafens bildet und den dritten Stadttheil, Christianshafen genannt, enthält. Gern vergißt man die dunkle Altstadt über die palastartige Bauart des Christianshafens, und das Auge ermüdet nicht, über die Menge von Festungswerken, Thürmen, Palästen und prachtvollen öffentlichen und Privathäusern umher zu schweifen.

Achtzigtausend Menschen füllen die Stadt mit Handel, Gewerbsfleiß und Schifffahrt, außer der Regsamkeit, welche durch die Hofhaltung des Königs, durch den begüterten Adel und das zahlreiche Personal der höchsten Landescollegien dort erhalten wird. Wie in Amsterdam und Venedig, so ruhen auch hier die meisten Häuser auf eingerammten Rosten von unvergänglichen Eichenstämmen, weil das Meer von der einen Seite, ein süßer Landsee von der andern und zahlreiche, die Stadt zum Vortheil des Handels durchschneidende Kanäle den Boden sumpfig gemacht haben.

Damals lagen einige zwanzig große Dänische Kriegsschiffe im Hafen von Copenhagen, welcher zum Unglück für die Stadt *) eine Station der Dänischen Flotte bildete. Die Schiffe waren abgetakelt, in den Arsenälen befanden sich die Depots am Material, sowohl für die Flotte im Ganzen, als für jedes Kriegsschiff besonders. Der ausgezeichnet schöne Hafen, von gehöriger Tiefe, mit gutem Ankergrunde, gegen alle Winde geschützt, der, mit einer sichern Einfahrt versehen, im seltensten Grade Alles vereinigt, was von dem Zwecke eines Hafens nur erwartet werden kann, hat Raum für 400 große Schiffe und wird durch die Citadelle Friedrichshafen beschützt.

So ausgestattet, ist denn auch Copenhagen der Mittelpunkt des gesammten Dänischen Handels geworden. An 5000 Schiffe laufen jahrlich ein; 80 große Handelshäuser besitzen gegen 340 eigne Schiffe; große Handelsinstitute, z. B. die Königliche Bank mit 2,400,000 Species Capital, die Seeassecurationsgesellschaft, die Ost- und Westindischen privilegirten Handelsgesellschaften, haben zwar nicht mehr ihre frühere Bedeutung auf dem Weltmarkte, sind aber noch immer sehr geachtete und nützliche Institute.

Auch als Fabrikstadt ist (Kopenhagen bedeutend. Eine Königliche Porzellanfabrik, Tuch-, Cattun-, Seiden-, Baumwollen-, Wachstuch- und Tapeten- Manufacturen u. a. m. beschäftigen an 14,000 Arbeiter; die Eisengießerei und achtzehn Zuckerraffinerien an 520 Arbeiter. Die Universität, welche 1475 gestiftet ist, mit 20 ordentlichen und 16 außerordentlichen Professoren, ist nicht bedeutend, doch reichlich ausgestattet durch eine Bibliothek von 100,000 Bänden, einen botanischen Garten und eine Sternwarte. — Eine Königliche chirurgische Akademie mit 200 Zöglingen, eine Akademie für Land- und Seecadetten, die Classensche öffentliche Bibliothek von 25,000 Bänden, verschiedene öffentliche und Privat- Kunstsammlungen, mehrere wissenschaftliche Vereine, z. B. die Königliche Akademie der Wiffenschaften, die Königliche Akademie der schönen Künste, die Gesellschaft für nordische Sprache und Geschichte u. dergl. m., bezeugen, wie hier — ein seltner Fall neben dem Handel — auch Wissenschaften gedeihen.

Bei so vielseitigen Bildungsmitteln ist daher auch der Umgangston sehr verfeinert und hat sich fast zu sehr der Pariser Leichtigkeit und Geschliffenheit angenähert, ohne deshalb ganz den biedern, Vertrauen erweckenden Charakter des Nordländers zu verläugnen. Besonders Fremde werden sich durch zuvorkommende Gefälligkeit der gebildeten Einwohner angezogen fühlen und nicht ohne Ueberraschung oft die feinste Bildung bis in die Mittelklasse der Bürger hinab sich erstrecken sehen. Der Adel sondert sich sehr vom Bürgerstande ab.

Im Allgemeinen zeichnet sich hier das schöne Geschlecht äußerst vortheilhaft vor dem stärkern aus. Die Männer sind nicht so groß und schlank, nicht von der feinen blühenden Gesichtsfarbe, welche in Schweden fast allgemein ist, dagegen sind Frauen und Mädchen von der feinsten Carnation und den zartesten Verhältnissen des Körpers. Ihre Anmuth wird durch Geist und echte Weiblichkeit erhöhet; in der Conversation wissen sie den Ton auf das feinste in den Grenzen der Schicklichkeit zu halten. Daß unter den hochgebildeten Frauen Copenhagens Gelehrte und Dichterinnen gelebt haben, weiß Jeder, den die schöne Literatur interessirt. Wir dürfen nur an Friederike Brun, geb. Münter (Gattin des Conferenzraths Brun) erinnern, welche mit Baggesen, Matthisson, Johannes von Müller und andern Gelehrten in den innigsten literarischen Beziehungen stand. —

Doch wieder zurück auf die materiellen Merkwürdigkeiten Copenhagens, welche sämmtlich zu schildern ein eignes Buch erfordern würde. — Hier also mögen nur folgende Skizzen aus dem reichen Material ausgehoben werden.

Unter den 22 Kirchen Copenhagens, welche theils durch hohes Alter, theils durch ihre Pracht des Erwähnens werth wären, ist die sehenswertheste die Kirche der Dreieinigkeit, welche, nach der Form ihres Thurms, die runde Kirche genannt wird. König Christian IV. hat sie mit großen Kosten erbaut. In einer ganz eigenthümlichen Architektur, die den Charakter der Dauer mit dem der Eleganz und Leichtigkeit vereinigt, ruhet das hohe Gewölbe auf einer Doppelreihe von schlanken achteckigen Säulen. Der große prachtvolle Hochaltar ist mit Korinthischen Säulen geschmückt; Marmor-Monumente ausgezeichneter Männer zieren die Wände. Die Kanzel besteht aus Norwegischem Marmor. Der Thurm ist rund, oben platt und mit einer Sternwarte versehen. Statt der Treppe hat er eine Auffahrt, welche sich um die Spindel bis in die Spitze hinauf windet und einen schneckenförmigen gewölbten Gang bildet, der so geräumig ist, daß es sich wohl glauben läßt, wie die Volkssage geht, König Christian sei mit einer Carosse, von sechs Pferden gezogen, hinauf und hinunter gefahren **).

Die Sternwarte ist mit kostbaren Instrumenten versehen, die zum Theil noch von dem großen Tycho de Brahe — dem Astronomen, auf welchen Dänemark noch heute stolz ist — herrühren. Unter andern ist der kolossale Himmelsglobus merkwürdig, welcher ganz mit Messing überzogen ist. Um sich von der Kostbarkeit dieses Instruments einen Begriff zu machen, dürfen wir nur erwähnen, daß allein die polirte messingene Achse von 8 Fuß Länge, an welcher die kleinsten Abtheilungen gestochen sind, an 4000 Rthlr. gekostet haben soll. Auch befindet sich dort ein überaus sinnreiches Planetarium. Ueber dem Gewölbe der Kirche ist — ein gewiß seltner Verein — die Universitätsbibliothek in großen Sälen aufgestellt.

Copenhagen war früher durch vier Königliche Paläste geschmückt. Der prachtvolleste trug den Namen die Christiansburg. Es war eins der glänzendsten Residenzschlösser in Europa, dessen Erbauung 6 Millionen Species gekostet hatte. Leider wurde es im Jahre 1794 ein Raub der Flammen und wird wohl nie wieder aufgebauet werden. Noch erkennt man an den Marmorsäulen und marmornen Krippen in den zum Theil verschont gebliebenen Pferdeställen die großartige Pracht, welche hier geherrscht haben muß.

Von den andern drei Schlössern ist die Charlottenburg jetzt der Kunstakademie und einer nicht unbedeutenden Gemäldesammlung eingeräumt, bildet die Amalienburg, aus vier nach dem Schloßbrande angebauten Palästen bestehend, jetzt die Wohnung für die Königliche Familie, und ist das alte Schloß Rosenberg mit vielen Kostbarkeiten und Alterthümern angefüllt. Im einfachen, aber reinen Styl erbaut, ist es 5 Stockwerk hoch und mit Kupfer gedeckt. Durch eine verdeckte Colonade steht es mit der Kanzlei in Verbindung, die an 200 Zimmer als Local für die verschiedenen Staats-Collegien und im feuerfest gewölbten Untergeschosse die Archive enthält.

Neben diesem Schlosse liegt der Königsgarten, welcher, als Sammelplatz der schönen Welt, von zahlreichen Spaziergängern besucht wird. Ein reicher spielender Wechsel von Alleen, Lusthäusern, Einsiedeleien, Ruinen, Thiergehegen, Wasserfällen, Springbrunnen und Statuen, jedoch mehr in dem steifern Französischen Kunstgeschmack, als nach der Idee der Englischen Landschaftsgärten angelegt, giebt den Spaziergängen eine anziehende Abwechselung, die jedoch von den köstlichsten Naturansichten am Gestade des Meeres unendlich übertroffen wird. — Man hört hier auf den Promenaden die hochdeutsche Sprache — als die Lieblingssprache der Gebildeten ? oft mit einer Reinheit und Anmuth reden, welche selbst den Deutschen überrascht. Uebrigens ist im Allgemeinen vom Volke der Deutsche gehaßt, wie das in höchster Wuth von zwei Streitenden gebrauchte Scheltwort: „Du Deutscher!“ beweiset.

Merkwürdig ist ferner die Börse — eins der bedeutendsten Gebäude dieser Art in der Welt. Das in schönen architektonischen Verhältnissen, mit reichem Bilderwerk verzierte Gebäude ist aus Quadern, welche Christian IV. von Colmar bringen ließ, aufgeführt. Bei einer Länge von 170 Schritt und verhältnißmäßiger Tiefe und Höhe enthält es außer dem großen Versammlungssaale für Kaufleute, noch eine Menge Zimmer für Notarien und Mäkler. Die beiden langen Säulengänge und die übrige Außenseite sind leider noch mit Buden und Niederlagen verunziert, sonst würde das Ganze mit dem Portal von Marmor und dem Bleidache, dessen Spitze eine Gruppe von verschlungenen Drachen sonderbar verzieren, seinen großartigen Eindruck nicht verfehlen. Da, wo die Niederlagen der Kaufleute angebracht sind, ist das Gebäude von zwei Seiten mit Kanälen umgeben.

Nicht sowohl durch Architektur, als wegen seiner Größe und ringsum freien Lage fällt das Rathhaus in die Augen. Kolossale Schlachtschwerter und andere Waffen aus dem grauen Alterthume an den Wänden befestigt, bilden einen charakteristischen Schmuck für den Eingang. Brustbilder aller Dänischen Könige zieren bedeutend die Wände des großen Versammlungssaals, an welchen die zahlreichen Gemächer zum Gebrauch des Magistrats sich anreihen. Das obere Stockwerk enthält die Sitzungszimmer und Archive der Polizei-Kammer, des Handelscollegiums und des Raths der zweiunddreißig Männer. Die Thüren des Rathhauses schmückt, als drohendes Wahrzeichen im steinernen Abbilde, Kopf und Hand des Reichshofmeisters Grafen Korfitz Uhlfeld, welcher des Hochverrats beschuldigt worden war.

Ein unbeschreibliches Volksgewühl belebt die Eingänge der Börse und des Rathhauses, in welchem alle Geschäfte der hiesigen Handelswelt sich concentriren.

Die Gebäude der Universität sind alt und unansehnlich.

Von den 230 Straßen, welche Copenhagen zählt, sind die Gothenstraße und besonders die herrliche Amalienstraße die schönsten. Von den 13 öffentlichen Plätzen ist der neue Königsmarkt, wenn auch unregelmäßig gebaut, doch der größeste, und der achteckige Friedrichsplatz der schönste. Jener ist durch das Standbild Christians V., dieser durch die Reiterstatue Friedrichs V., bei welcher die ausgezeichnete Schönheit des Pferdes fast den Reiter übersehen läßt, ein Denkmal für die große Vergangenheit geworden.

Das Schauspielhaus endlich ist von unverhältnißmäßiger Kleinheit für die große Stadt und — damals wenigstens — waren die Kunstleistungen der Bühne eben so unbedeutend, als die Ausstattung unwürdig. Doch haben die Operetten einen gefälligen Gesang unter dem Volke verbreitet, so wie denn überhaupt die Dänen nicht arm sind an zarten und bedeutenden Nationalmelodien. Schade ist es, daß die Dänen es so wenig verstehen, die echtkomischen Schauspiele ihres Holberg wiederzugeben.

Als ein Bild seiner Zeit erzählt man folgende allerdings charakteristische Anekdote. Dieser berühmte Däne hatte aus eignem Vermögen die zu ihrer Zeit große stattliche Ritterakademie zu Soroe errichtet. Im patriotischen Eifer wünschte er, daß der Konig und sein Hof das Einweihungsfest mit ihrer Gegenwart beehren möchten. Sein Wunsch wurde erfüllt. Alles wurde auf Kosten des uneigennützigen Patrioten prächtig zum Empfang und zur Bewirthung des Hofes eingerichtet. Die Mittagstafel war servirt und eben schickte sich der hochverdiente Gelehrte an, seiner Pflicht als Wirth zu genügen, als unter den Herrn vom Hofe die wichtige Frage: ob ein solcher Mann, der nicht vom hohen Adel sei, mit Sr. Majestät und dem Hofe an einer Tafel speisen dürfe? ernsthaft debattirt und verneinend entschieden wurde. Da schwelgte der Hof auf Kosten des Stifters der Ritterakademie und der edle Wirth mußte sich in ein Nebenzimmer zurückziehen und allein essen. Dieses geschah in der Mitte des 18ten Jahrhunderts!

Doch es wird Zeit, daß wir endlich auch hier auf dem Papiere Copenhagen verlassen. In der Wirklichkeit geschah es am 19ten Januar Nachmittags 4 Uhr. Bei gutem Winde segelten wir in 3/4 Stunden über den Sund zurück und kamen am 20sten Morgens 5 Uhr in Malmö wieder an.




*) In Beziehung auf das Bombardement im Jahre 1807, dessen später, in der zweiten Reise, erwähnt werden wird. D. B.

**) Ein Thurm von ganz ähnlicher Bauart findet sich bei der Stifts-Kirche in Königslutter zwischen Helmstädt und Braunschweig.