Elftes Capitel: Hameln. — Fort Saint-George. — Pyrmont. — Vom 24sten Juli bis 24sten August 1807.

In der Nacht vom 24sten auf den 25sten Juli reisete ich voraus nach Pyrmont. Hameln und das Fort St. George, eine starke Bergfestung, sah ich nur in der Morgendämmerung im Vorübereilen. Gegen Mittag traf ich ein in dem damals, wegen der kriegerischen Unruhen, weniger als sonst belebten Badeorte, welcher früher unter allen deutschen Badern den ersten Rang behauptet hatte. Nachmittages langte die Königin von Baiern und die Frau Herzogin ebenfalls hier an. Der Herzog war von Hannover zu seinen Kindern auf das reizend gelegene Landhaus zu Deckenhude zurückgekehrt.
In einem freundlichen Thale, von hohen malerischen Bergen eingeschlossen, liegt Pyrmont, das Fürstlich Waldecksche Städtchen mit 2000 Einwohnern, und zwar am nördlichen Ende des Thals, an den malerischen Ufern der Emmer. Hohe Linden beschatten von zwei Seiten die Hauptstraße, welche nach der großen Allee und den Mineralquellen führt.

Diese große Hauptallee, 500 Schritt lang und 40 breit, mit fünf Reihen ehrwürdiger Linden besetzt, ist der Mittelpunkt der schönen Welt, welche dort des Morgens und Abends bei dem Schall einer guten Harmoniemusik auf- und niederwoget, um den Brunnen zu trinken. Jetzt ist Pyrmont lange nicht mehr so zahlreich besucht, als vormals. Man rechnet im Durchschnitt auf 1500 Badegaste. An beiden Seiten der großen Allee erheben sich das Schauspielhaus, das Kaffeehaus, der große und kleine Ballsaal, verschiedene Logierhäuser und Buden mit Galanteriewaaren besetzt. Am Eingange der Allee befindet sich ein Springbrunnen, das Ende derselben schmückt der achteckige Pavillon, in welchem in einem steinernen Bassin die krystallhelle Hauptquelle fließt, welche in der Vorzeit der Heiligenbrunnen genannt wurde. Das Wasser hat einen geistigen weinsäuerlichen Geschmack von berauschender Kraft, und seit Jahrhunderten vor allen bekannten Stahlwassern den Ruf der vorzüglichsten Heilsamkeit für den menschlichen Körper bewährt. Es werden jährlich an 300,000 steinerne Flaschen gefüllt und in alle Welttheile versendet, da es nur wenig von seinen flüchtigen Stoffen dadurch verliert. Die Abgaben für diese Versendung rentiren der Fürstlichen Kammer jährlich im Durchschnitte 12,000 Rthlr. Unweit davon entspringt mit großem Geräusch der Brodelbrunnen, welcher, weniger klar, zum Baden gebraucht wird. Eine dritte Quelle heißt der Augenbrunnen, welcher nur zu Augenbädern verwendet wird, eine vierte der Säuerling, die fünfte ist die Salzquelle, die für eine Saline benutzt wird; eine sechste der mineralische Salzbrunnen *).


Das große Badehaus in der Nähe enthält 140 geschmackvoll und bequem eingerichtete Logierzimmer. In der untern Etage finden sich die sehr zweckmäßig angelegten Badezimmer, in welchen man nach Gefallen die geräumigen, in den Boden eingetieften Badewannen von Marmor, Zinn, Fayence und Holz, wählen kann.

Für ganze Familien, die dort die Bäder gebrauchen wollen, ist es besonders angenehm, wenn sie in einem der vielen freundlichen, mit Blumengärtchen umgebenen Privathäuser ihre eigne kleine wirthschaftliche Einrichtung treffen können. Besonders Damen fühlen sich dadurch ungleich leichter heimathlich eingewöhnt, als in den ihnen ewig fremd bleibenden Umgebungen der großen Karavansereien, womit die Badelogierhäuser viel ähnliches haben.

Die Umgebungen von Pyrmont bieten manche herrliche Landschaftsparthie dar, deren Genuß für das ganze Leben ein freundliches Spiegelbild in der Seele zurückläßt.

Dahin gehört der Königsberg, welchen Friedrich der Große zum Lieblingsplatz erwählt hatte, um dort den Brunnen zu trinken. Unter ehrwürdigen Eichen erhebt sich das bleibende Zeugniß dieses berühmtesten aller Brunnengäste, welche jemals Pyrmont besucht haben, in der Form eines marmornen Denkmals mit der Inschrift: ,,Fridericus Maximus fonte salutifero vires restauraturus hoc secessu gaudebat.“

Auch das Schloß, welches seit 1806 wieder Fürstliche Residenz geworden ist, liegt sehr romantisch einige hundert Schritt von der Allee entfernt.

Ein Wall von Lindenbäumen und ein breiter und tiefer Graben umgeben das Schloß, dessen alter geräumiger Pulverthurm in einen freundlichen Salon umgeschaffen, durch eine fliegende Brücke mit einem anmuthigen Bosket in Verbindung gesetzt ist.

Merkwürdig endlich ist das Seitenstück der Grotta del Cane bei Neapel — die Dunsthöhle, welche sich in einem verwitterten Steinbruche befindet. Sie besteht aus einer 6 Quadratfuß an Flächenraum haltenden Grotte, die 10 Fuß hoch gewölbt ist. Hier entwickelt sich aus dem Boden eine solche Menge kohlensaures Gas, dessen erstickender Dunst bei großer Wärme und schönem Wetter, besonders wenn sich ein östlicher Luftzug verspüren läßt, die ganze Höhle anfüllt, gewöhnlich aber nur bis zu zwei bis drei Fuß hoch über den Boden steigt. Ein Mensch würde schon von einem Athemzuge schwindlig werden, und wenn er nicht sogleich davon eilte, todt zu Boden stürzen. Ein Licht brennt dort nicht. Ein brennender Strohwisch, den wir auf den Boden warfen, erlosch sogleich, und ein Pistol in die Region der Stickluft gehalten, gab kein Feuer. Nicht selten soll man hier in der Vorhalle kleinere Thiere, als Frösche, Vögel und Hasen, todt am Boden liegen finden. Ein Huhn, welches mit dem Kopfe gegen den Boden gehalten wurde, schien in wenigen Augenblicken erstickt zu seyn und kam erst, nachdem es mit Wasser begossen wurde, wieder zu sich. Dieselbe Naturerscheinung ist hier bleibend geworden, welche, wenn sie in langen verschloßnen Schachten sich findet, das böse Wetter genannt wird und in tiefen Brunnen schon manchen der Arbeiter getödtet hat.

Eine Stunde von Pyrmont finden sich die höchst merkwürdigen Erdfälle, welche durch ihre Größe und Tiefe Erstaunen erregen.

Der Aufenthalt in Pyrmont würde für mich höchst angenehm gewesen seyn, hätte ich mit ruhigem Gemüthe die täglich naher heranrückende Entscheidung über das Loos, welches meinem Vaterlande und dessen Regentenhause bevorstand, erwarten können.




*) 1809 ist noch ein Badehaus bei der Saline angelegt, um die herrlichen Soolbäder benutzen zu können. D. B.