Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Feldmarschalls Fürsten Carl zu Schwarzenberg.

Autor: Anton Freiherrn von Prokesch-Osten (1837-1919), Erscheinungsjahr: 1861

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Enthaltene Themen: Carl zu Schwarzenberg, Feldmarschall, Prokesch-Osten, Preußen, Blücher, 1815
Inhaltsverzeichnis
Vorwort

was ich damals verehrte und liebte. Die Verantwortlichkeit für die Wiederausgabe fällt der Buchhandlung anheim. Was sie dazu bestimmte, war der Wunsch durch Bilder aus unserer eigenen, noch nahen Vergangenheit auf die Gegenwart ermuthigend und stärkend zu wirken. Diesem Wunsche, auch wenn er fehl griffe, die Anerkennung zu versagen, würde nicht des Vaterlandes, nicht der Gesinnung, die uns Alle beleben soll, würdig sein.

Allerdings liegt die Besorgniss nahe, dass die Zeit von heute kaum mehr die Zeit von damals versteht. Beide Epochen haben nicht mehr dieselben Ideen zur Unterlage, und die heute sich zur Geltung drängenden sind noch zu jung, um gerecht zu sein. Aber es ist die Macht des wirklich Edlen und Ausgezeichneten so gross, dass es nie dauernd misskannt werden kann. Es gehört dem Menschen an, nicht den Umständen und Lagen, in denen er lebt. Auch gibt es Männer, welche die Vorsehung ausersehen, im Völkerleben gleichsam ewige Wahrheiten zu vertreten. Ein solcher Mann war der Fürst Karl zu Schwarzenberg. Der Glanz seines edlen Sinnes hängt untrennbar an seinem Leben und Thun, und es war ihm die erhabene Bestimmung geworden, der Welt darzuthun, was Oesterreich und Deutschland selbst nach den schwersten Niederlagen und Prüfungen gelten und vermögen, wenn sie, der inneren Zerwürfnisse ledig, in sich und unter sich einig sind.

Viele Theile dieser Denkwürdigkeiten könnten und sollten eine weitere Ausführung erhalten. Das lag aber nicht in der Absicht der Buchhandlung und sie mochte Recht darin haben. Es konnte, wie natürlich, einem so hochgestellten und hervorleuchtenden Manne an Missgunst grosser und kleiner Leute nicht fehlen; es musste, nach der Macht- und Glanzperiode der gemeinsamen Abwehr und des gemeinsamen Sieges, die Rückkehr Deutschlands zu seiner lockeren Gestaltung und zu seinen inneren Gegensätzen auch in den Urtheilen über den Feldherrn der grossen Epoche das Abbild und den Ausdruck finden; es mussten die Unwissenheit, die halbe Kenntniss, der Dünkel, die berechnende Lästerung, die politische Eifersucht und wie sie alle heissen mögen die uns anklebenden Schwächen sich gegen ihn breit machen. Das ist wohl zu beklagen, aber nicht zu hindern, noch durch Widerlegung gut zu machen; es fällt im Laufe der Zeit von selbst wieder ab wie Tünche und Anwurf. Die einzelnen aufrichtigen Streitfragen aber der Männer vom Fachs über diese oder jene geschichtliche Tatsachen mögen sich durch die Beleuchtung derer klären, welche den Zusammenhang und das Gewicht der wirkenden Ursachen zu beurtheilen im Stande sind.

Wichtiger wäre bedeutende Lücken auszufüllen, die zur Zeit der Abfassung dieser Denkwürdigkeiten, aus theilweise noch bestehenden, theilweise verschwundenen Rücksichten, offen gelassen werden mussten. Dies wäre ein Dienst der geschichtlichen Wahrheit geleistet. Ansprechend endlich dem Gesammtbilde nöthig würden Zusätze sein, welche den Menschen als solchen klarer zeichneten und anschaulicher machten. Dies würde dem Biographen insbesondere obliegen. Für beides, für das geschichtliche Verständniss nämlich und für die vollendete Darstellung des inneren Menschen, wäre keine Quelle lauterer und reicher als die der Briefe des Fürsten an seine Gemahlin, eine der begabtesten und edelsten Frauen nicht blos unserer Zeiten. Sie beleuchten mit dem vollsten Lichte des Vertrauens in das grosse Herz und in den sicheren Verstand der geliebten Lebensgefährtin die merkwürdigsten Ergebnisse der ersten zwei Jahrzehente dieses Jahrhunderts, in denen dem Fürsten eine eingreifende Rolle zu spielen bestimmt war, die Vorfälle und Zustände in Petersburg zu Anfang derselben, die Unfälle des Jahres 1805, die Machtepoche Napoleon’s vom Jahre 1809 bis zu seinem Zuge nach Russland, die Katastrophe des Jahres 1812, die Erhebung Deutschlands und die Kämpfe bis zum Sturze der Napoleonischen Macht. Menschen und Ereignisse erscheinen in diesen Briefen in ihrer wirklichen und wahren Gestalt; auf viele für die Geschichte dunkle Stellen fällt der sichere Strahl des Tages; alle, selbst die trübsten, wie die von edlem Kummer überschwellenden Briefe aus Mailand im Jahre 1816 durchwärmen Hochsinn und die edelste Vaterlandsliebe; alle geben gleichzeitig Zeugenschaft in Worten voll Seele von den schönsten Gefühlen, die ein menschliches Herz bewegen können.

Aber wer hebt diese Schätze? wer die vielen anderen die im schriftlichen Verkehr mit den leitenden Staatsmännern, mit den Führern der Truppen, mit Männern von Geist und von Wirksamkeit auf so verschiedenen Feldern verborgen liegen? Meine Kräfte und Verhältnisse erlauben mir nur die Andeutung und den Wunsch, dass sie gehoben werden mögen durch eine warme und fähige Hand zur Ehre des Mannes und seines fürstlichen Hauses, zur Klärung der Ereignisse, zum Ruhme des Vaterlandes so wie zum Trost und Vorbild aller derer, die es lieben und die, welchem Völkerstamme sie angehören, die Bürgschaft für dessen Macht und Gedeihen in der Einigung erkennen und wissen.

Gratz im August 1860.
FML. Anton Freiherr v. Prokesch-Osten.