Davout in Hamburg

Ein Beitrag zur Geschichte der Jahre 1813—1814.
Autor: Holzhausen, Paul 1860-1926, Erscheinungsjahr: 1892
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Davout, Hamburg, Geschichte Hamburgs, Paul Holzhausen, Marschall Davout
Vorwort zu Davout in Hamburg

In einer Zeit, in welcher die Wogen des nationalen Hasses und Kampfes höher gehen und wilder schäumen als lange zuvor, ist dieses Büchlein geschrieben, nicht um irgend jemanden anzugreifen oder herauszufordern, wohl aber um dem Andenken eines viel verleumdeten großen Kriegsmannes die Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, welche man ihm Dreivierteljahrhunderte lang schuldig geblieben ist.

Die letzten Jahrzehnte haben uns eine Menge von wichtigen historischen Arbeiten der verschiedensten Art über die Zeit der französischen Revolution und des ersten Kaiserreiches gebracht. Es ist eine große Anzahl von Quellen veröffentlicht worden, Aktenstücken, Korrespondenzen und Memoiren; aber auch an darstellenden Werken, sei es einzelner Jahre, sei es größerer Abschnitte der genannten Zeit hat es nicht gefehlt. Sie sind so zahlreich, dass eine auch nur einigermaßen vollständige Aufzählung derselben viele Seiten in Anspruch nehmen würde.

Es ist nicht überraschend, es ist vielmehr natürlich und notwendig, dass die napoleonische Legende als solche durch diese Veröffentlichungen größtenteils zerstört worden ist: So haben, um nur eine Thatsache anzuführen, die (im Jahre 1879 von ihrem Enkel herausgegebenen) Memoiren der Frau von Rémusat denjenigen, welche das erste Kaiserreich immer noch ausschließlich im Staatsgewande zu betrachten gewohnt waren, dasselbe auch im Alltags- und Familienkleide zu sehen gegeben, mit allen Petitessen, welche dieser großen Zeit, so gut wie jeder andern, anhaften. Auch ist man sich z. B. heutzutage längst darüber klar, dass der von manchen Zeitgenossen der alliierten Parteien hochgepriesene „edle Bernadotte“ nicht allein ein prahlerischer, windbeutliger Gascogner, sondern auch ein völlig charakterloser Intrigant und Verräter gewesen ist.*)

So hat auf der einen Seite manches, was einst über Sternenhöhe erhaben schien, seit es dem Auge des Betrachters näher gerückt wurde, geringere und menschlichere Verhältnisse angenommen — wobei allerdings zu erwähnen sein dürfte, dass auch der historische Napoleon trotz allem, was die Charras, Lanfrey und Taine, die Böhtlingk, York und Fournier über ihn geschrieben haben, noch gerade groß genug bleibt, um die Riesen der Geschichte um Haupteslänge zu überragen. Anderseits konnte es aber auch nicht ausbleiben, dass gewisse Charaktere und Ereignisse, welche die politische und menschliche Parteilichkeit einer leidenschaftlich erregten Zeit in einem entschieden ungünstigen Lichte gezeichnet hatte, durch die Eröffnung frischer Quellen, die auf Handlungen und Motive neue Schlaglichter warfen, in eine günstigere und freundlichere Beleuchtung gerückt wurden. Zu diesen Charakteren gehört der Marschall Davout, zu den historischen Begebenheiten jener Art die von ihm geleitete Verteidigung von Hamburg. Der Marschall hatte bekanntlich von seinem Kaiser die Aufgabe bekommen, die Stadt Hamburg, welche sich der allgemeinen Bewegung des Frühjahrs 1813 angeschlossen hatte, aber von den Franzosen wieder eingenommen worden war, für ihre Erhebung zu bestrafen. Er hatte ferner den Befehl erhalten, diese trotz ihrer mittelalterlichen Festungswerke so gut wie offene Stadt den Anforderungen der Neuzeit entsprechend zu befestigen. Er war endlich durch den Verlauf des Feldzugs gezwungen worden, sich mit seiner ganzen Armee in die neugeschaffene Festung hineinzuwerfen, welche er, als echter General der napoleonischen Schule, unter der Entfaltung einer rastlosen Tatkraft und mit dem Aufgebote aller ihm zur Verfügung stehenden Machtmittel verteidigte. Die Energie des Marschalls und zugleich sein humanes Gefühl wurden aber auf eine um so härtere Probe gestellt, als der Verteidiger von Hamburg nicht allein mit seinen militärischen Gegnern, sondern auch mit einer Reihe ganz besonders misslicher Verhältnisse zu kämpfen hatte, unter ihnen mit der entschieden feindseligen Haltung der Hamburger Bevölkerung. Nach dem Gesagten dürfte es einleuchten, dass die Aufgabe Davouts keine angenehme sein konnte, dass sie im Gegenteile höchst misslich und gefährlich gewesen sein muss. Die Leiden der Bevölkerung, während des lang andauernden Blokadezustandes, waren große und so fielen begreiflicherweise, nach dem Abzuge der französischen Truppen, die Hamburger Schriftsteller - darunter eine Anzahl der elendesten Skribenten — massenweise über den Marschall her, den sie aller und jeder Niederträchtigkeit beschuldigten und den sie, in blinder Wut und in kritikloser Verkennung des Zusammenhanges der Tatsachen, nicht allein für die von dem Kaiser und der kaiserlichen Regierung gegen Hamburg erlassenen Verfügungen, sondern auch für jegliche von Seiten seiner Untergebenen begangenen Ausschreitungen verantwortlich machen wollten. Noch heute ist es in Deutschland Mode, vor der lebendigen Phantasie unserer Jugend das Sehreckgespenst des Marschalls Davout wie eines jener fratzenhaften Bilder aus der Laterna
magica erscheinen zu lassen — Hannibal ante portas!

Die Hamburger Affäre bot übrigens auch den royalistischen Gegnern des kaiserlich gesinnten Marschalls eine erwünschte Gelegenheit zu Geschrei und Verleumdung, und König Ludwig XVIII lies im Juni 1814 durch den neuen Kriegsminister Dupont an den Fürsten von Eckmühl die Aufforderung ergehen, sich wegen der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen zu verantworten, ein Befehl, dem dieser in dem bald darauf erschienenen, „Mémoire de M. le Maréchal Davout, Prince d’ Eckmühl, au Roi“ auch bereitwillig nachkam.

Das Geschrei gegen den Marschall Davout wegen der angeblich von ihm in Hamburg verübten Grausamkeiten ist seit jener Zeit — in Deutschland wenigstens — nicht ganz verstummt; wohl aber hat der Angegriffene das gewiss außerordentliche Glück gehabt, in seinen Töchtern Verteidigerinnen zu finden, die, mit seltenen Geistesgaben ausgestattet, auch der Energie des Vaters nicht ermangelten, um dessen Andenken gegen so viele und so ungerechte Anklagen in Schutz zu nehmen. Von diesen hat die Gräfin Cambacérès die Herausgabe der militärischen Korrespondenz ihres Vaters veranlasst, während die Marquise de Blocqueville dem Andenken des großen Marschalls die beiden, in der literarischen Einleitung eingehender besprochenen, bedeutenden Werke gewidmet hat.

Der Verfasser hat sich eine weit bescheidenere und auf das engste umgrenzte Aufgabe gestellt. Er will „Davout in Hamburg“ und nur Davout in Hamburg behandeln d. h. das Verfahren des Marschalls gegen diese Stadt in den Jahren 1813-1814 zum Gegenstande seiner Untersuchung machen; denn als Beitrag zur Geschichte dieser Jahre ist sein Büchlein geschrieben. Der Verfasser übergeht also einerseits die frühere Tätigkeit Davouts als Generalgouverneur von Hamburg in den Jahren 1811 — 1812**), und vom Jahre 1813 schildert er wiederum nur das Verfahren Davouts gegen die eine Stadt Hamburg, ohne selbst auf Harburg und Altona mehr als gelegentlich einzugehen, was er sich für eine spätere Gelegenheit vorbehält. Hamburgs Erhebung im Frühjahr 1813 und die wichtigsten Begebenheiten in der Stadt vor dem Einzüge des Marschalls werden nun zwar im I. Kapitel kurz besprochen, um dem Ganzen eine entsprechende Einleitung zu geben, aber, wie der Leser ersehen wird, in abrissweiser Kürze und ohne auf eine erschöpfende Behandlung auch nur im entferntesten Anspruch machen zu wollen; ebenso wird der von dem Marschall während der Herbstmonate des Jahres 1813 geführte Feldzug an der Niederelbe nur insoweit herangezogen, als dieses zum volleren Verständnisse der sich innerhalb der Stadt Hamburg abspielenden Vorgänge unerlässlich erscheint, wobei der Verfasser, als nicht berufsmäßiger Soldat, sich einer Beurteilung rein militärischer Dinge möglichst zu enthalten gesucht hat.

Bei der Abfassung und Veröffentlichung dieses Werkchens ist der Verfasser lediglich von dem Streben nach historischer Wahrheit ausgegangen, unbekümmert um die literarisch oder mündlich geäußerten Ansichten von Partei-, Zunft- oder Stammesgenossen. Doch glaubt er in betreff der letzteren noch eine Bemerkung machen zu müssen: Der vorliegende Aufsatz wird in deutscher und französischer Sprache, also für Deutsche und Franzosen, erscheinen. Sollten einige der letzteren meine Arbeit lesen, so werden sie, hoffe ich, auch als überzeugte Republikaner, in dieser Rechtfertigung eines großen Vertreters der kaiserlichen Herrschaft nichts Befremdendes finden; was aber die Deutschen anbelangt — das Häuflein an der Alster allenfalls ausgenommen — so kann auch ihnen die Verteidigung ihres großen Gegners, nach meiner Ansicht, keineswegs unwillkommen sein — denn je höher die physische, geistige und sittliche Größe unseres Gegners war, um so höher ist auch die unsrige, wenn wir mit ihm in die Schranken treten konnten. Es gilt mehr, mit dem Löwen als mit der Hyäne gerungen zu haben.

Der Verfasser




*) Man vergl. über ihn die treffliche Charakteristik in den neu erschienenen „Mémoires du Général Bon de Marbot,“ Paris, Plon, 1891, insbes. das 17. Kap. des 1. Bandes.

**) Gegen Davouts Auftreten in dieser Zeit hat H. C. Krüger eine Broschüre geschrieben: „Davouts Gewaltthätigkeiten als General- Gouverneur von Hamburg in der ersten Periode von 1811 und 12.“ Hamburg 1814. Es handelt sich darin in erster Linie um die Baumhauersche Angelegenheit, eine Geschichte, welche übrigens auch von Th. von Haupt in seinem weiter unten zu nennenden Pamphlete besprochen wird.




„Auch in Feindes Munde fort
Lebt ihm seines Namens Ehre.“

Schiller. „Siegesfest“, Str. 10 Z. 11— 12.


„Il y a un mêrite plus rare et plus digne
de tenter les grands coeurs que la terrible
gloire acquise sur les champs de bataille: ce
grand mérite consiste à savoir rendre justice
à ses ennemis.“

Mse de Blocqueville an den Feldmarschall
Grafen Moltke, 31. Mai 1890.

Hamburger Börse

Hamburger Börse

Lagerhäuser im Hamburger Freihafen

Lagerhäuser im Hamburger Freihafen

Hamburger Hafenbilder

Hamburger Hafenbilder

Hamburg Hafenpartie

Hamburg Hafenpartie

Hamburg Hafen mit Uferpromenade

Hamburg Hafen mit Uferpromenade

Hamburg Zollenbruecke 1888

Hamburg Zollenbruecke 1888

Hamburg Rathaus

Hamburg Rathaus

Hamburg Jungfernstieg 1830-1855

Hamburg Jungfernstieg 1830-1855

Davout, Louis-Nicolas (1770-1823) Marschall von Frankreich

Davout, Louis-Nicolas (1770-1823) Marschall von Frankreich