Das Ende der kapitalistischen Willkürherrschaft

Das ist alles richtig. Ist es aber genügend für das Meer einer 100 Millionen großen Bevölkerung, die in der Knechtschaft des Grundbesitzers, des Beamten und der Polizei erzogen ist, einer Bevölkerung, die durch den ökonomischen Druck einer ihre Kräfte übersteigenden Steuerlast, und einer durch keine Schranken gemäßigten kapitalistischen Willkürherrschaft in die Armut hinabgestoßen ist, eines Volkes, das künstlich gegen das Eindringen jeglicher Bildung und Aufklärung durch ein ganzes Netz beschränkender Gesetze und eine Horde unwissender Geistlicher bewacht wird, die die Seele, mit Bewußtsein durch die Predigt des Aberglaubens und der Unterwürfigkeit zugrunde richten?

Nein, es ist nicht leicht, dies Meer zu bewegen. Die Bauern werden nicht so bald begreifen, dass ihr Hauptfeind nicht der Gutsbesitzer ist, von dem der unmittelbare Druck ausgeht, sondern die herrschende Ordnung, die den Gutsbesitzer stützt, nicht die Polizei ist, die da quält und peinigt, sondern jene, die sie dazu veranlaßt. Nur die Oberfläche des Meeres hat sich geregt und nicht einmal an allen Orten.


Aber — „so kann man nicht weiter leben“. Die Unruhen haben schon begonnen. An einem Orte hat man den Lehrer geprügelt und die Schule zerstört, an einem anderen die Schüler geschlagen, hier werden die Ärzte von denen bedroht, die sie heilen . . . Das alles ist ein Resultat der Polizeitätigkeit und der Geistlichen, die die Bauern gegen die „Feinde des Zaren“ hetzen. An anderen Orten schlägt man die Gutsbesitzer, raubt ihre Scheunen und Wälder aus, brennt ihre Zuckerfabriken und Häuser nieder. Das ist vielleicht schon die Tätigkeit der Bauern unter dem Einfluß einer falsch verstandenen Propaganda.

Und beide Erscheinungen werden immer und immer häufiger. So kann man nicht weiter leben!

Eins scheint wahrscheinlich: Das Volk wird sich erheben und für den Zaren, im Namen des Zaren, die Gutsbesitzer, die Intellektuellen, die Polizei erschlagen . . . Viel Blut wird fließen, viel gutes und schlechtes Blut.

Ein Meer von Blut werden auch die Bauern vergießen im Kampf gegen das Heer des Zaren. Dann aber werden sie verstehen, dass sie vom Zaren nichts zu erwarten haben. Es wird ihnen gehen, wie es den russischen Arbeitern ergangen ist. Der Glaube an den Zaren wird sterben.

Oft wiegen Stunden Jahre auf. Die Bauern erwachen; immer lauter ertönt die Stimme der gebildeten Klassen. Und man fängt an, auf sie zu hören. Und von neuem fließen Ströme von Blut!

Aber die Bauern erwachen zum Bewusstsein . . .

Ohne Blutvergießen ward noch nie eine große Tat vollbracht . . .


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das russische Dorf