Hexenprozesse

Bei der allgemeinen Verbreitung des Glaubens an überirdische Wesen guter und böser Art außer einem höchsten Wesen erhielt sich der in dem geistlichen Ketzerverfahren des Mittelalters als eine Hauptgattung ausgebildete Hexenprozess fast überall in Europa, auch nach Erfindung der Presse, und nach der Reformation, ja derselbe ist seitdem in manchen protestantischen Ländern häufiger und missbräuchlicher vorgekommen, als in einzelnen altkatholischen. Die Reformatoren und die sonst gelehrtesten Zeitgenossen waren selbst noch befangen in Teufels- und Hexenglauben. Viele Gebildete geben sich in noch späterer Zeit den magischen und astrologischen Künsten hin. Selbst einige Mecklenburgische Fürsten trieben diese Künste, wie die von Lisch mitgeteilte Korrespondenz zwischen den Herzogen Johann Albrecht, Ulrich und Christoph von Mecklenburg und Leonhardt Thurneysser, während der Jahre 1576 — 1583 (Mecklenb. Jahrb. ßd. XV. 1850), dartut. Die uralte, auf Unwissenheit oder doch auf mangelhafter Kenntnis beruhende Neigung der germanischen Stämme, manche Naturerscheinungen als Teufels- und Hexenwerk zu betrachten, so wie die Ansicht, nach welcher die Frauen, als das schwächere Geschlecht, der Verführung böser Geister besonders zugänglich seien, mögen diese an sich sehr merkwürdige Tatsache erklären.

Auch in Mecklenburg kommen im Laufe des Mittelalters Ketzer- und Hexenprozesse vor; frühzeitig sehen wir solche in der Nähe von Klöstern, wie z. B. Doberan im Jahr 1336 (Mecklenb. Jahrb. VII. S. 41. 42.), dann in Form von Verfolgungen der Juden, wie zu Güstrow 1330, und Sternberg 1492 (Mecklenb. Jahrb. XII. S. 208. 211. etc.), im 15. Jahrhundert schon häufiger als eigentliche Hexenprozesse in den beiden Seestädten Rostock und Wismar, namentlich 1403, 1417, 1496 (Krug Beiträge Bd. I. 339. Bd. II. 21. Bd. III. 3.; Rudloff mecklenb. Geschichte Bd. II. 704.; Schröders Beschreibung von Wismar, S. 240. 242.; Ernst Bolls Geschichte von Mecklenburg I.). Auf der hohen Schule zu Rostock gab es unter den Lehrern der Theologie besondere Wächter der Rechtgläubigkeil, inquisitores hereticae pravitatis. Entschieden überhand nahmen aber die Hexenprozesse in Mecklenburg, zuerst in der 2. Hälfte des 16. Jahrh. Die hierüber vorliegenden und umfänglich vorliegenden Akten ergaben nach Glöcklers Resume (Mecklenb. Jahrb. 1850. XV. p, 137.) dass diese Prozesse häufig aus üblen Nachrichten und Pöbelgerüchten entstanden, in den Städten öfter auch aus besondern böswilligen Anklagen durch Einzelne, und dass sie im letzten Grunde teils auf dem schändlichsten und abgeschmacktesten Aberglauben, teils auf Neid, Habsucht und Unzucht beruhten, ferner, dass in ihnen schon mehr oder minder entschieden inquisitorisch und oft mit leichtfertiger und grausamer Tortur, besonders in der Zeit von 1560 — 1590 zumal bei den Niedergerichten verfahren ward, und endlich, dass die Entrüstung und der Eifer edler und gebildeter Staatsmänner, wie der Räte Bouke, Husan, Krause, Helbag, Sieben, u. A. gegen dieses Unwesen von nur geringem Erfolge war. Besonders einige kleine Landstädte, wie z. B. Sternberg und Crivitz, zeigten ihr sonstiges Elend auch in der schmutzigsten Hexenverfolgung, gewöhnlich unter Sorge und Streit über die Hinrichtungskosten. In der Regel waren Weiber die Angeber und Weiber die Beklagten; der Feuertod war die gewöhnliche Strafe; zu Rostock worden im Aug. und Sept. 1584 siebenzehn Hexen und nur ein Zauberer verbrannt. (Rostocker Nachrichten und Anzeigen v. J. 1840, Nr. 52.). Eine Nachweisung des auf solche Weise immer häufiger werdenden peinlichen Verhöres und der Anwendung der Tortur konnte in Mecklenburg nicht ausbleiben. Dieselben Richter der Hexenprozesse leiteten ja auch das Verfahren in andern peinlichen Fällen; über dies spielten Aberglaube und irgend eine Abart von Hexerei fast in jedem Kriminalprozess jener Zeit eine Rolle mit. Wie diese Hexenprozesse sich noch bis in die neuere und selbst neuste Zeit ausdehnen, habe ich gelegentlich der Ball'schen Geschichte von Mecklenburg in Troschels med. Zeitung 1856. Nr. 5. näher mitgeteilt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das medizinische Mecklenburg