Medizinische Chronik der Stadt Wismar im 17. Jahrhundert*)

1603 ist der Rechtstag, der sonst in Güstrow gehalten wurde, weil die Pest dorten grassiert, in Wismar gehalten worden auf Michaelis.

*) Die frühere medizinische Chronik der Stadt Wismar ist schon in meinen Beitr. zur Gesch d. Medizin in Mecklenb. enthalten.


1604 auf Antonii ist auch der Güstrow'sche Umschlag der Pest wegen in Wismar gehalten worden. Später kam doch die Pest nach Wismar, denn es sind in diesem Jahre 1.842 Menschen noch an der Pest gestorben.
1611 ist die Bierprobe abgeschafft worden.
1615. Von 1604 bis 1615 sind in Wismar 4.115 Personen gestorben, dagegen aber in dieser Zeit geboren 3.074 Kinder.
1625. Ist die Pest wiederum in Wismar gewesen, und es sind 3 Personen an derselben gestorben.
1628 ist der Bürgermeister an der Pest gestorben.
1630 ist wieder ein Bürgermeister an der Pest gestorben.
1637 und die folgenden Jahre ist zuerst die Pest unter dem Vieh auf dem Lande, und hernach auch unter den Menschen gewesen.
1638 kam besonders die Pest nach Wismar, wo sie anfangs gelinde, nachher aber heftiger auftrat.
1639 ist die Hauptkrankheit oder Pest wieder angegangen; im Sommer ist sie stille gewesen, aber im Herbst hat man sie in 6 Häusern heftig gespürt.
Von dieser Zeit an ist Wismar von der Pest verschont geblieben, obgleich 1709 u. ff. die Pest der Stadt sehr nahe war, so dass man auch deswegen allenthalben Pestwachen hat ausgestellt.
1638 in der Nacht vom 8. Nov. hat abermals eine Frau ein Kind mit 2 Köpfen geboren. Die Köpfe sind platt gewesen, hinten an denselben hat ein groß Stück Fleisch gehangen, zum Teil mit vielen grauen Haaren bewachsen. Der Bauch ist ungewöhnlich dick, die Schenkel und Beine sehr lang gewesen.
1647 ist zuerst ein Knecht, gleich darauf eine Magd, weiter ein Schopen-Bauer, dann ein Soldat in einen Braukeller voll frischen Biers gestiegen, die aber alle darin fast erstickt. Sie wurden endlich wieder herausgebracht, die beiden letzten bald, die Magd mit genauer Not, der Knecht aber gar nicht wieder hergestellt.
1652 ist eine neue See-Bierprobe angestellt.
1662 hat eine Frau ohnweit Wismar in der Hungersnot, weil der Winter 1661 — 1662 sehr schlecht gewesen, ihr kleines Kind gemordet und sich selbst ertränkt.
1678 hat Jemand noch die dritte Apotheke anlegen wollen. Die Apotheken, deren 2 vorhanden, die eine unten am Markt heißt Ratsapotheke, ingleichen die große; die andre unten in der Krämerstraße oder auf dem Hopfenmarkt wird auch zuweilen die kleine Apotheke genannt. Außer diesen ist circa 1330 eine in der Krämerstraße gewesen.
1691 ward eine Schiffertochter, welche ihr eignes in Unehren erzeugtes Kind gemordet, enthauptet
1693 hat sich fast eben eine solche Krankheit hier geäußert, als die so man 1590 empfunden, und haben damals in manchem Hause bis 6 Personen an derselben darnieder gelegen; in einem Hause, in welchem 13 Personen waren, blieb nur 1 Knabe gesund. Einige von diesen Patienten haben 12, einige 24, einige 36 Stunden die größte Hitze empfunden, viel aber dabei geschlafen, und sind verschiedene daran mit Tod abgegangen. — Es ist eine Menge seltsamer Fliegen in Wismar gefunden worden.
1695 ward ein gar alter Mann krank, und war dabei so glücklich, dass sein Gesicht sich gleichsam verjüngte, denn nach der Krankheit konnte er ohne Brille lesen, so es vorher nicht hatte tun können.
1699 erlebte man bei dem großen Pulverschaden, dass nicht nur einige Kranke von dem großen Schrecken wieder gesund wurden, sondern man fand auch eine ganz ledige Haut eines durch diesen Zufall getöteten Menschen.
Der Bürgermeister Dr. Engelbrecht ist 127 Jahr alt geworden.
Ein Wismar'scher Previticus, der, da er zu Hause noch in die Schule gegangen, zuweilen solche Gesetzes-Predigten gehalten, dass die Geistlichkeit selbst sich darüber verwunderte, wird in Franck de Franckenau, Satyra medica X. p. 187, and Happel Relat. Curios. p. III. p. 17. erwähnt.

In diesem Jahrhundert war es allgemeiner Glaube, dass keine Ratten auf Poel leben können, und es haben sich Leute genug in Wismar gefunden, die, wenn sie die Ratten aus ihren Häusern vertreiben wollten, etwas Erde von der Insel Poel in dieselben bringen ließen.

Es erinnert dies sehr an die Geschichte des h. Urbanus in Winkel im Rheingau, gest. 856. Die Erde aus seiner Hauskapelle hat stets und bis heute als ein vortreffliches Vertilgungsmittel von Ratten und Mäusen bei den Landleuten gegolten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das medizinische Mecklenburg