Via mala
Mit Zillis, dem letzten Ort in dem freundlichen Schamsertale, schließt dieses völlig ab. Ein furchtbar hohes Gebirge, das von dem Piz Beverin zum Mutterhorn streicht und das Schamser- von dem fruchtbaren Domleschger Tal trennt, schiebt sich plötzlich vor und sperrt dem Rheine wie dem Wanderer die Straße. Jener findet aber einen Ausweg durch eine Bergspalte, das verlorne Loch genannt, die vielleicht einst ein Erdbeben in das Gestein riss; dieser muss sich, um weiter zu kommen, der berüchtigten via mala bedienen. Letztere ist zwar seit dem neuen Wegebau vom Jahre 1817 nicht mehr gefährlich, dennoch wird sie Niemand ohne Schaudern zurücklegen. Auf einer Strecke von dreiviertel Stunden mussten die Felsen neben den tiefen Abgründen des verlornen Lochs gesprengt werden, um einen Weg zu gewinnen. Dreimal wechselt dieser auf der rechten und linken Seite der Schlucht, welche durch Brücken verbunden sind, von welchen die mittelste vierhundert Fuß hoch über dem in der tiefen Spalte kaum sichtbaren, kaum hörbaren Rhein hängt, lieber der Brücke türmen sich die Felsen noch himmelhoch, unter ihr stürzt sich der Rhein in der Bergenge, die ihn zwängt, mit Ächzen und Stöhnen von Fels zu Fels; aber auf der hochschwebenden Brücke erreicht fast kein Laut davon des Wanderers Ohr. Mit einer so gewaltigen Natur durfte es der Mensch aufnehmen! Weit gefährlicher sieht diese Brücke sich an, mehr Kunst und Kühnheit gehörte dazu, sie über diese Schlünde zu wölben, als die unter dem Namen der Teufelsbrücke verrufene über die Reuss. Und so ist auch der Galerie bei Rongella, die 216 Fuß lang, 15 Fuß breit und 10 Fuß hoch durch Felsen gesprengt werden musste, das Urneroch nicht zu vergleichen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland