Der Weinbau
Aus der unmenschlichen Zerstörung Speiers ist uns kaum eine kostbarere Reliquie erhalten, als die Ruländer Traube, und die wollen wir am Rheine pflanzen und pflegen. Schon der Name Ruland, deutsch für Roland, empfiehlt sie, ob sie gleich an Roland, den Paladin, nicht mahnt, sondern an einen ehrlichen speierer Bürger des Namens. Als Speier zehn Jahre lang in seinem Schutte gelegen hatte, und man jetzt anfing, es wieder aufzubauen, ließ sich auch Ruland dort nieder und kaufte eine Brandstätte mit einem Garten. Der frühere Besitzer, ein Reichskammergerichtsassessor, hatte daselbst aus heimischen Reben gebaut. Als Ruland den Schutt wegräumte, waren einige Stöcke unbeschädigt geblieben, welche im Herbste voller Trauben bingen. Diese drückte er in ein kleines Fässchen aus, welches er mit Rebenlaub zuspundete und in dem noch vorhandenen Kellergewölbe aufbewahrte. Den Winter über vergass er darnach zu sehen ; als er aber im Frühjahr im Garten war, besuchten ihn einige Männer und Frauen und verwiesen es ihm scherzhaft, dass er ihnen bei so heißer Witterung nicht einen Trunk anbiete. Nun fiel Ruland sein Fässchen im Keller ein: er entlieh vom Nachbar ein Schoppenglas, ließ es voll laufen und brachte es in den Garten. Der Erste trank es rein aus, der Zweite blieb nicht dahinter: so ging es Reih herum und Männer und Frauen kamen angetrunken nach Hause. Dies erregte Aufsehen, die Angesehensten der Stadt versuchten und rühmten diesen Wein als vinum bonum. Jedermann suchte Ableger davon und Ruland verkaufte zuletzt einen fingerlangen Schnittling um einen Thaler. So verbreitete sich diese edle Rebe unter verschiedenen Benennungen, als Rulander, Speiermer, Viliboner (vinum bonum) u. s. w. am Rhein und am Neckar. Ihr wissenschaftlicher Name ist roter Clävner, von Chiavenna oder Cläven in Oberitalien, ihrer ursprünglichen Heimat. Wir empfehlen beiläufig ihren Anbau besonders auf wenig sonnigen Hügeln, wo sie doch jährlich reift und einen äußerst feinen, angenehmen Wein liefert. Wer diesem Rate folgt, sei es an den Ufern des Rheins, oder in andern Flusstälern, die der Sonne Zutritt gewähren, der wird uns danken; und hätte er dann auch nichts weiter aus diesem Buche gelernt, seine Anschaffung nicht bereuen.
Der Weinbau leitet uns schicklich hinüber nach Worms, dessen wir schon oben gedachten. Bei welchcm Zipfel wir diese uralte Stadt zuerst erfassen, immer ist sie anziehend und bedeutend. Und der Weinbau ist uns keine so unwichtige Sache, als dass mich meine Landsleute wegen dieser Anknüpfung schelten sollten. Bei der zweiten Teilung des Frankenreichs unter die Söhne Ludwig des Frommen bekam bekanntlich Lothar mt Italien und der Kaiserwürde jenen schmalen Landstrich zwischen Rhein, Maass und Saone, welcher nach ihm Lothringen genannt wurde. Ludwig des Deutschen Anteil war das ostrheinische Deutschland, jedoch wurde ihm von dem westrheinischen noch der Speier-, Worms- und Nahegau zugelegt, welche eigentlich zu Lothringen gehört hätten. Die Annalisten sagen uns, diese Gauen seien dem Erbteile Ludwig des Deutschen wegen der Fülle des Weins beigefügt worden, der vielleicht damals am Rheine nur hier gedieh. Dies lehrt uns der König Ludwig als einen ächten Deutschen kennen, der seinen Beinamen nicht umsonst führte.
Das Wormsfeld, zu dem früher auch Mainz und das Nahgau gerechnet wurde, ist selbst in dieser seiner weitesten Ausdehnung an guten Weinen nicht so ergiebig, als das Speiergau, es bringt aber einige hervor, die den Rheinweinen beigezählt werden. Wenige Stunden oberhalb Mainz beginnt das Gebirge sich näher an den Rhein zu ziehen und von Oppenheim abwärts bis dahin reifen die sogenannten kleinern Rheinweine, unter welchen der Niersteiner den ältesten Namen hat. Wenn aber schon Worms durch seine Liebfrauenmilch, durch seinen Luginsland berühmt ist, so werden diese doch nicht eigentlich zu den Rheinweinen gerechnet, so wenig als der Rheinfaller bei Schaffhausen, das Schweizerblut bei Basel, der Markgräfler bei Badenweiler, der Affenthaler bei Baden, oder die Hardt- und Bergstrasserweine. Erst wo die Nebel des Rheins und die vom Spiegel des Stroms zurückgeworfenen Sonnenstrahlen die Zeitigung der edelsten Bergtrauben begünstigen, spricht man von Rheinweinen, ja Einige wollen diesen Namen keinem Gewächse zugestehen, das nicht im Rheingau gewonnen worden.
Die Liebfrauenmilch wächst bekanntlich in dem Garten des Liebfrauenstifts, welches vor dem Mainzer Tore, in der ehemaligen Mainzer Vorstadt lag, welche nach der Zerstörung durch die Vandalen 1689 nicht wieder aufgebaut wurde, wie denn das heutige Worms im Vergleich mit seinem Umfange vor jenem Mordbrande nur ein Flecken ist. Von der Mainzer Vorstadt blieb nur die Kirche des Liebfrauenstifts stehen, deren Umgebung allmählig zu Weingärten angelegt wurde. Diesen gewährt unsere liebe Frau Schutz vor Nord- und Nordwestwinden, indem sie eine hohe nördliche Wand bildet, an deren südlicher und südwestlicher Seite die beste Lage ist, denn nur soweit der Turm am Abend seinen Schatten wirft wächst nach dem Sprichwort die eigentliche Liebfrauenmilch. Auch den Boden hat sie hergegeben, indem er größtenteils aus dem Schutt der ehemaligen Klüstergebäude besteht. Die Wahl des Namens ist also ziemlich gerechtfertigt, wenn es wirklich einen Prosaiker geben sollte, bei dem ein so schöner Name einer Rechtfertigung bedürfte. Wieviel übrigens seine Poesie zu dem Genusse beiträgt, mit welchem wir dieses durch Feuer, Geschmack und Blume ausgezeichnete Gewächs schlürfen, ist unberechenbar. Die zweitbeste Weinlage zu Worms ist das Katerloch, auf der dem Liebfrauenstift entgegengesetzten Seite der Stadt, durch welche es vor den schädlichen Winden geschützt wird. Für die drittbeste gilt der Luginsland, von dem weilschauenden Turm, der sonst an der Ecke der südlichen Stadtmauer stand, so geheißen. Wer wollte aber nicht lieber Liebfrauenmilch oder Luginsland trinken, als Katerloch? Woher dieser garstige Name seinen Ursprung leitet, wissen wir nicht; wenn ihn aber ein Weinproduzent aufgebracht hat, so muss er seinen Vorteil schlecht verstanden, oder dort keine Besitzungen gehabt haben.
Der Weinbau leitet uns schicklich hinüber nach Worms, dessen wir schon oben gedachten. Bei welchcm Zipfel wir diese uralte Stadt zuerst erfassen, immer ist sie anziehend und bedeutend. Und der Weinbau ist uns keine so unwichtige Sache, als dass mich meine Landsleute wegen dieser Anknüpfung schelten sollten. Bei der zweiten Teilung des Frankenreichs unter die Söhne Ludwig des Frommen bekam bekanntlich Lothar mt Italien und der Kaiserwürde jenen schmalen Landstrich zwischen Rhein, Maass und Saone, welcher nach ihm Lothringen genannt wurde. Ludwig des Deutschen Anteil war das ostrheinische Deutschland, jedoch wurde ihm von dem westrheinischen noch der Speier-, Worms- und Nahegau zugelegt, welche eigentlich zu Lothringen gehört hätten. Die Annalisten sagen uns, diese Gauen seien dem Erbteile Ludwig des Deutschen wegen der Fülle des Weins beigefügt worden, der vielleicht damals am Rheine nur hier gedieh. Dies lehrt uns der König Ludwig als einen ächten Deutschen kennen, der seinen Beinamen nicht umsonst führte.
Das Wormsfeld, zu dem früher auch Mainz und das Nahgau gerechnet wurde, ist selbst in dieser seiner weitesten Ausdehnung an guten Weinen nicht so ergiebig, als das Speiergau, es bringt aber einige hervor, die den Rheinweinen beigezählt werden. Wenige Stunden oberhalb Mainz beginnt das Gebirge sich näher an den Rhein zu ziehen und von Oppenheim abwärts bis dahin reifen die sogenannten kleinern Rheinweine, unter welchen der Niersteiner den ältesten Namen hat. Wenn aber schon Worms durch seine Liebfrauenmilch, durch seinen Luginsland berühmt ist, so werden diese doch nicht eigentlich zu den Rheinweinen gerechnet, so wenig als der Rheinfaller bei Schaffhausen, das Schweizerblut bei Basel, der Markgräfler bei Badenweiler, der Affenthaler bei Baden, oder die Hardt- und Bergstrasserweine. Erst wo die Nebel des Rheins und die vom Spiegel des Stroms zurückgeworfenen Sonnenstrahlen die Zeitigung der edelsten Bergtrauben begünstigen, spricht man von Rheinweinen, ja Einige wollen diesen Namen keinem Gewächse zugestehen, das nicht im Rheingau gewonnen worden.
Die Liebfrauenmilch wächst bekanntlich in dem Garten des Liebfrauenstifts, welches vor dem Mainzer Tore, in der ehemaligen Mainzer Vorstadt lag, welche nach der Zerstörung durch die Vandalen 1689 nicht wieder aufgebaut wurde, wie denn das heutige Worms im Vergleich mit seinem Umfange vor jenem Mordbrande nur ein Flecken ist. Von der Mainzer Vorstadt blieb nur die Kirche des Liebfrauenstifts stehen, deren Umgebung allmählig zu Weingärten angelegt wurde. Diesen gewährt unsere liebe Frau Schutz vor Nord- und Nordwestwinden, indem sie eine hohe nördliche Wand bildet, an deren südlicher und südwestlicher Seite die beste Lage ist, denn nur soweit der Turm am Abend seinen Schatten wirft wächst nach dem Sprichwort die eigentliche Liebfrauenmilch. Auch den Boden hat sie hergegeben, indem er größtenteils aus dem Schutt der ehemaligen Klüstergebäude besteht. Die Wahl des Namens ist also ziemlich gerechtfertigt, wenn es wirklich einen Prosaiker geben sollte, bei dem ein so schöner Name einer Rechtfertigung bedürfte. Wieviel übrigens seine Poesie zu dem Genusse beiträgt, mit welchem wir dieses durch Feuer, Geschmack und Blume ausgezeichnete Gewächs schlürfen, ist unberechenbar. Die zweitbeste Weinlage zu Worms ist das Katerloch, auf der dem Liebfrauenstift entgegengesetzten Seite der Stadt, durch welche es vor den schädlichen Winden geschützt wird. Für die drittbeste gilt der Luginsland, von dem weilschauenden Turm, der sonst an der Ecke der südlichen Stadtmauer stand, so geheißen. Wer wollte aber nicht lieber Liebfrauenmilch oder Luginsland trinken, als Katerloch? Woher dieser garstige Name seinen Ursprung leitet, wissen wir nicht; wenn ihn aber ein Weinproduzent aufgebracht hat, so muss er seinen Vorteil schlecht verstanden, oder dort keine Besitzungen gehabt haben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland