Das jüdische Weib - Die Alten

Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Frau
Autor: Lazarus-Remy, Nahida Ruth (1849-1928) Schriftstellerin und Journalistin, Erscheinungsjahr: 1891
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Frauen, Jüdin, Jüdinnen, Ehe, Rolle der Frau, Judentum, Juden, Religion, Frauenrechte, Familie, Braut, Mutter, Liebe, Gesetz, Kulturerbe,
Will man das Weib begreifen, studiere man die Geschichte seiner Sklaverei. Um das jüdische Weib aber zu beurteilen, muss man es mit den Frauen anderer Nationen vergleichen.

Von Anfang an und überall herrscht in Stellung und Behandlung der Frauen bei den alten Völkern eine vollkommene Nichtachtung und Verkennung der weiblichen Eigenart. Von seiner Geburt an lastet auf dem Weibe die ungeheuerlichste Unvernunft und daher die naturwidrigste Ungerechtigkeit. Das Weib erscheint als ein Haustier, bestimmt zur Arbeit und Fortpflanzung; ein niederes Geschöpf, von dem keine Sitte und Sittlichkeit verlangt, sondern nur Gehorsam gefordert wird, und das, wenn es den Mann (gleichviel ob den Vater, Gatten oder den eigenen Sohn) nicht zufrieden stellt, nachdrücklich mit Schlägen und Hunger bestraft wird. Oft wird es zum Zeichen seiner Knechtschaft verstümmelt, wie bei den Australiern, welche dem Mädchen einen Finger der linken Hand kürzen. Doch bedeutsamer als jede körperliche Verstümmelung ist seine geistige Verstümmelung; seine angeborene Schwäche lässt es glauben, dass ihm Recht geschähe und mit tierischer — nicht doch! mit blödsinniger Stumpfheit (denn das Tier wehrt sich) erduldet es seine Leiden und sieht in sich selbst nichts Anderes als die Lastträgerin des Mannes; da es sich nicht wehren kann, wird es verachtet, auch einfach verjagt oder getötet, wenn es dem Manne keinen Nutzen mehr bringt. Daher lässt sich das unglückliche Geschöpf die härteste Arbeit aufladen, wenn ihm nur gestattet wird, leben zu bleiben, so lange ihm die Verzweiflung nicht den Selbstmord lehrt. Der Kindermord ist jedoch sehr häufig, d. h. der Mord der neugeborenen Mädchen. Hottentottinnen wie Indianerinnen, Amerikanerinnen und Australierinnen töten ihre neugeborenen Mädchen, um sie von dem drohenden Schicksal zu befreien, das ihrer harrt, würden sie Sklavinnen wie ihre Mütter. Und gerade dann, wenn das gemisshandelte Weib am meisten der Schonung bedarf, in der Zeit ihrer Schwangerschaft, ist sie dem Manne am verhasstesten . . . nicht nur, weil sie sich — obwohl bis zur Stunde der Geburt und bis wenige Stunden nachher arbeitend und schaffend — schwächer, langsamer, also unfähiger zeigt, als sonst, sondern auch, weil die äußerlichen Kennzeichen ihres Zustandes dem Manne widerwärtig waren. Viele alten Gesetze und Gebräuche orientalischer Völker, Inder, Perser, Türken, Ägypter, Neger, später auch der Griechen u. s. w. lassen sich auf Antipathie gegen die Schwangerschaft zurückführen. Der wunderbarste Vorgang im Naturleben, die geheimnisvolle Erschaffung eines neuen Menschen im zarten Weibe wird als „Unreinheit" in religiösen Vorschriften gebrandmarkt! Ein Rest dieser altbarbarischen Auffassung hat sich noch bis in unsere Tage erhalten; man denke an das katholische Fest „Maria Reinigung" und an den Kirchgang der Kindbetterinnen; natürlich wird derselbe jetzt als ein Dank- und nicht mehr als ein Sündopfer betrachtet.

„Der Vater des Hottentotten freut sich über den Knaben, der seine Mutter misshandelt, indem er dadurch zuerst seine höhere männliche Natur an den Tag legt. — Das Weib gilt für unrein, den Göttern verhasst; sie darf nicht essen von der Speise des Mannes, nicht ruhen auf seinem Sitz, nicht die Gefäße berühren, deren er sich bedient. Sie muss bei vielen Negerstämmen ihn kniend bedienen und sogar der christliche Morlakke erwähnt gegen Vornehmere nie sein Weib, ohne hinzuzusetzen: „Mit Respekt zu melden". Ein Weib, das geboren hat, darf sogar bei den sonst milderen nordasiatischen Völkern nicht auf die Seite des Feuers kommen, wo der Mann seinen Sitz hat und muss stets um diesen im Gehen einen weiten Kreis beschreiben."
(G. Jung.)

Charakteristisch ist folgendes Bild.*) „Der junge Wilde wählt unter den Weibern der feindlichen Stämme sich eine aus. Er erwartet den Augenblick, wo diejenige, nach der er verlangt, allein und ohne Beschützer ist; er schleicht unbemerkt heran, betäubt sie mit Schlägen seiner Keule oder seines Schwertes aus hartem Holz. Er schlägt sie auf Kopf, Schultern, Rücken so hart, dass nach jedem Hiebe Blut fließt. Nachher trägt er sie durch den Wald nach dem Ort, wo sein eigener Stamm haust. Dort wird nach vielen anderen barbarischen Handlungen das eib als sein Eigentum anerkannt und selten verlässt sie nachher ihren neuen Herrn. Die Verwandten der Frau rächen diese Beleidigung nicht, außer dass sie bei Gelegenheit Repressalien anwenden, indem sie ihrerseits die Weiber ihrer Feinde stehlen."

*) Collins: Description de la nouvelle = Galles = Meridionale.

Da das Weib Eigentum des Mannes ist, kann er es verborgen, verschenken, aus Gastfreundlichkeit fremden Reisenden zum Gebrauch anbieten und wo letzteres Anerbieten ausgeschlagen wird, gilt es, wie bei den bereits einigermaßen zivilisierten Kamschadalen als Beleidigung. Die Neger vermieten auch zeitweise oder verpfänden ihre Frauen. Etwas besser ist die Lage der Weiber bei den Hirtenvölkern, deren Sitten und Lebensbedingungen weniger rohe Gewalt voraussetzen als bei den Jägerstämmen. Hier wird das Mädchen nicht wie ein wildes Tier zu Boden geschlagen und geraubt, sondern es wird gekauft oder vielmehr eingetauscht. Daher auch schon eine Art Wertschätzung und Erziehung des Weibes, denn es ist ja eine Ware, welche Abnehmer anlocken soll. Sie gehört dann zum Vermögen des Mannes und geht nach seinem Tode an seine Erben über. So übernimmt (nach Herodot) der Usurpator Smerdes sämtliche Weiber des Cambyses und nach jenem Darius. Allmählich erscheint die Ware immer wertvoller, immer seltener wird sie verworfen und vernichtet; man verfeinert sie, schmückt sie aus. Dennoch bleibt das Weib ein Wesen letzter Klasse. Wäre ihr Mann auch noch so schlecht, er steht dennoch so weit über ihr, dass sie verpflichtet ist, ihn unter allen Umständen „wie einen Gott zu verehren", so schreibt das tausendjährige Gesetz Manous den Hindus vor, und es gilt noch heute; nicht bloß bei den Hindus. —

Aus dieser Leibeigenschaft der Frauen erklärt sich die Sitte des Verbrennens der Witwe mit anderen Lieblings- und Bedürfnisgegenständen des verstorbenen Mannes. Ein englischer Reisender, Colonel Sleeman, berichtet in seinen „Rambles and recollections of an Indian official", dass er alle Mittel anwandte, um im Distrikt von Jubbulpore eine Witwe zu verhindern, sich mit ihrem verstorbenen Gatten zu verbrennen. Erst als sie nach tagelangem Widerstände gegen die auf sie eindringenden Vorstellungen, von Todesschauern ergriffen, begeistert ausrief: „Ich sehe schon meine Seele da oben sich verschmelzen mit jener von Omed Sing Opuddea!" da gab er jeden Widerstand auf, denn dass sie es wagte, den Namen ihres Gatten auszusprechen, bewies, dass sie schon völlig mit dem Leben losgelöst sei und dessen Satzungen nicht mehr anerkannte. In Indien nämlich verbietet die Ehrfurcht vor dem Manne dem Weibe dessen Namen auszusprechen. So geschehen nicht etwa in grauer Vorzeit, sondern am 24. November 1829. Was eine andere große Anzahl Leidensschwestern im Nachbarlande China betrifft, so ist das Wort der chinesischen Schriftstellerin Pan-hoei-pan, das G. Klemm in seinen Schilderungen über: Die Frauen zitiert, kennzeichnend genug: „Wir Frauen nehmen die letzte Stelle im menschlichen Geschlecht ein; wir sind der schwache Teil desselben. Die niedrigsten Verrichtungen sollen sein und sind auch unser Los. Das ist eine Wahrheit, von welcher wir durchdrungen sein müssen — wir dürfen nicht warten, bis uns eine traurige Erfahrung mit Gewalt belehrt, was wir eigentlich sind. Wenn in alter Zeit ein Mädchen auf die Welt kam, so bekümmerte man sich drei Tage lang gar nicht um dasselbe; man lies es auf der Erde auf ein paar alten Lumpen beim Bette seiner Mutter liegen und das Familienleben hatte seinen Fortgang, als wäre gar nichts vorgefallen. — Das Stillschweigen, womit ein neugeborenes Mädchen in der Welt aufgenommen wird, die laute Freude dagegen bei der Geburt eines Knaben, die Verachtung, die man dem ersten beweist, deuten genugsam an, für wie viel geringer man sie ansah. Ihr Lager auf den Lumpen am Boden zeigt an, dass sie den niedrigsten Platz im Vaterhause einnehmen muss und dass sie nur Nichtachtung im Leben zu erwarten hat." Mütter, welche die Zukunft der neugeborenen Tochter nicht gesichert glauben, setzen dieselbe aus. „Für diesen Fall bestehen in den größeren Städten eigene Findelhäuser, in welchen die ausgesetzten Mädchen erzogen werden. Allmorgendlich fahren mit Ochsen bespannte Wagen durch die Straßen. Jedermann kennt die Signale, welche ihre Ankunft melden und die Eltern eilen herbei, ihre Kinder abzuliefern." Auch hier arbeitet das Weib aus dem Volk über ihre Kräfte und Verachtung ist ihr Lohn.

Bei alledem singen die chinesischen Dichter sowohl wie die indischen, arabischen, persischen u. A. das Loblied des Weibes und erheben es in Sagen und Liebesgeschichten bis in den Himmel. Es scheint, als ob bei allen, besonders den älteren Nationen das Bestreben herrscht, durch Märchen und Sagen im Dienst eines ausgleichenden Idealismus das Fehler- und Lückenhafte der gemeinen Wirklichkeit zu übertünchen und durch Erfindung und Darstellung besserer Zustände gewissermaßen gut zu machen; doch werden im Gegenteil die Gegensätze zwischen Leben und Dichtung dadurch nicht versöhnt, sondern verschärft. Wie ist es möglich, dass eine „Sakuntala" entstehen konnte aus einem so geknechteten Geschlecht? Und welche Würde und Macht rührender Frauenliebe in „Nal und Damajanti"!

Dieser Widerspruch zwischen Poesie und Leben findet sich auch bei anderen Völkern. Freilich standen Frauen wie Semiramis oder Tamyris gleich der Königin von Saba hoch über ihre Mitschwestern, aber übten sie einen praktischen und befreienden Einfluss auf das Schicksal ihres zu Boden getretenen Geschlechts aus? — Und Arete, Penelope und Helena blieben auch sie nicht, trotz des weit vorgeschritteneren Bildungsstandes der Griechen unerreichte Ausnahmen, sagenhafte Vorbilder weiblicher Macht und weiblichen Zaubers?

Griechen und Römer behandeln das Weib äußerlich weniger roh als die erwähnten wilden, halb- und dreiviertel wilden Völkerschaften. Der herrschende Bildungsstand der Männer hatte die Sitten gezähmt, den Geschmack verfeinert. Auge und Herz des Mannes waren längst gewöhnt, im Weibe etwas mehr als ein Haustier zu sehen. Aber gerade bei dieser Entwicklung einer menschlicheren Auffassung des anderen Geschlechts erscheint bei tieferer Prüfung die Gesinnung des Mannes gegenüber dem Weibe, will sagen: dem Eheweibe — fast noch niedriger als bei den Wilden. Der naive Naturmensch, der sich ein Weib durch Keulenschläge erbeutete und nach Hause schleppte, verstand es nicht besser. Der feine, gebildete Grieche aber, der in seiner Frau nur ein Gefäß zur Fortpflanzung erblickte und allenfalls eine „Bewahrerin des Heimgebrachten" mutet uns noch viel kälter und härter an, als jener Naturbursche des Urwaldes.

Dem modernen gebildeten Menschen, der in der hergebrachten Bewunderung der „alten Griechen" auferzogen ist und der berühmte Zeitgenossen kennt, deren bester geistiger Lebensinhalt darin besteht, die Liebe und Begeisterung für das Griechentum zu pflegen und in Schrift und Rede zu verbreiten, kann sich kaum vorstellen, dass der klassische Grieche sein vielgerühmtes genussreiches und feingeistiges Dasein nur auf Kosten der Sklaven und der Frauen führte. Zweck der Ehe war nicht gottgefällige Gemeinsamkeit zwischen Mann und Weib und Vermehrung des allgemeinen Wohlgefühls durch das Glück der Einzelnen, sondern Zweck der Ehe war Kindererzeugung für den Staat, nicht mehr und nicht weniger, als gerade passend erschien, um die Staatsmaschine in Gang zu erhalten und die Sklaven auszunutzen. Je nach der Menge derselben war man den Heiraten geneigt oder nicht, wurden der Kinder zu viele, entledigte man sich ihrer durch Aussetzung der schwächlichen und unschönen oder zwang die Mütter zum abortieren.

Die für unsere Auffassung unzüchtige Art der Erziehung der Mädchen in Sparta, ihre öffentlichen gymnastischen Spiele und Ringkämpfe mit Knaben, die Art ihrer Verheiratung ist bekannt; die Ehegesetze Lykurgs sind, wie G. Jung sich drastisch aber anscheinend sehr treffend ausdrückt, von den Anordnungen eines Gestütdirektors um wenig oder nichts verschieden. „Man lese nur die Betrachtungen, welche Plutarch diesen Gesetzgeber anstellen lässt. Er hält es für anmaßend, eine Frau für sich allein haben zu wollen, da man doch aus der Zucht der Hunde und Pferde sehen könne, wie vortrefflich das entgegengesetzte System sei".

So erschreckend und empörend dieser Ausspruch unserem Gefühl nach ist, er gehört als wissenschaftliches Zeugnis für die Rohheit damaliger Gesinnung inbetreff des Weibes durchaus hierher. Damit sei jedoch die spartanische Denkweise genugsam gekennzeichnet; minder allgemein bekannt als diese „spartanische" Erziehungsmethode ist die geistige Gefangenschaft, in der die verheiratete Athenerin ihr Dasein hinschleppte. Familie, Weib, Kind waren mehr oder minder abstrakte Begriffe für den Athener. Indem jedes ethische Sonderinteresse vor der Staatsrücksicht zurücktrat, wurden Generationen höherer Egoisten erzogen, die nach Erfüllung ihrer Bürgerpflichten dem Sinnengenuss außer dem Hause lebten, — denn ihr Haus war ihnen kein Heim. Die darin eingeschlossene Gattin erschien ihnen als die verkörperte Prosa, die legitimierte Langeweile, die altbackenste Borniertheit. Die Wohnung selbst war — die Gesetze enthielten besondere Vorschriften darüber — mehr als anspruchslos; oft dürftig und mangelhaft. Der Mann lebte meist außerhalb seiner vorgeschriebenen engen und begrenzten Räumlichkeiten in den lichten Hallen und Säulengängen, wie sie in fast allen griechischen Städten, besonders an den Märkten, Toren u. s. w. für Spaziergänge, Disputationen und gesellige Unterhaltungen aller Art einen den Geist anregenden und das Auge entzückenden Aufenthalt boten. Während hier und an ähnlichen freien, schönen Orten die Männer durch schöngeistige und philosophische Gespräche, durch heitere Gastmähler und mancherlei anderen Unterhaltungen mit Freunden und Freundinnen dem Genuss des Daseins lebten, hockte die Athenerin daheim, hinter vergitterten Fenstern, allein oder mit ihren Dienerinnen; schlafend, träumend, kochend oder spinnend, das Urbild der einstigen gelangweilten, gedankenöden „guten Hausfrau", die in unseren geistesfrischen, bewegten Tagen kaum mehr irgendwo existieren dürfte.

Wie? wird diese oder jene Leserin fragen, gab es denn nicht gerade in Athen jene berühmten, schönen, interessanten Frauen, welche von den Männern gesucht, geliebt und geehrt wurden, als geistesverwandte Freundinnen? Genossinnen der Aspasia — ? Ganz recht, Genossinnen der Aspasia, d. h. Hetären, Buhlerinnen auf deutsch. Diese erfreuten sich einer Freiheit und Würdigung, welche keiner Ehefrau gegönnt wurde. Denn die Ehefrau war aus Pflicht geheiratet worden und besorgte daheim ihre Schuldigkeit, Kinder zu gebären und Wolle zu spinnen, aber der Hetäre gehörte die Neigung und gesellige Unterhaltung des Atheners; ihr natürlicher und auch kunstvoller Liebreiz, ihre Welt- und Wortgewandtheit, ihre gefällige Dienstbeflissenheit und ihre oft feine und ungewöhnliche Bildung machten sie dem Manne zur wertvollen Gesellschafterin, ihrem ganzen Wesen und Benehmen nach stand sie weit über der pflichtschuldigen Ehefrau.

„Ist etwa nicht die Hetäre besserer Sinnesart
Als eine angetraute Frau? Um viel fürwahr!
Die Eine, wie verkehrt sie auch sei, schützt das Gesetz
Im Hause, die Andre weiß, dass sie des Mannes Gunst
Durch ihr Betragen kaufen, oder wandern muss."
            Amphis.


Die Geschichte lehrt, wie diese öffentlichen Frauen verwöhnt und umschmeichelt wurden, wie sie Ruhm und Reichtum errangen, wie sie die Besten und Edelsten der Nation, Philosophen und Staatsmänner zu ihren Füßen sitzen sahen und von den Dichtern in unsterblichen Liedern besungen wurden. So mochte es wohl der Wahrheit entsprechen, wenn, wie berichtet wird, bei Lucian eine Mutter, welche ihre freigeborene Tochter dem beneidenswerten Stand der Hetären widmen will, sie ermahnt, vor allen anderen Dingen die feine Lebensart ihrer „würdigen Vorbilder" nachzuahmen und niemals in die schlechten Manieren der ehelichen Frauen, in ihr lautes Schreien, unmäßiges Essen und Trinken, in ihre hässlichen Bewegungen u. s. w. zu verfallen. Auch die Satiren des Aristophanes geben zu den geschilderten Missverhältnissen drastische Erläuterungen. Nach Auslassung einiger zu starken Stellen mag hier eine Probe stehen, wie ein Athener, der als Muster eines Haus- und Eheherrn dargestellt ist, im Ökonomikus des Xenophon über sein Verhältnis zu seiner Frau und Häuslichkeit spricht. Er antwortet dem Sokrates, der ihn darum befragt, dass er vor Allem darauf bestand, dass seine Frau tüchtig Wolle weben und sich das unmäßige Essen und Trinken abgewöhnen lerne. Er halte sich übrigens nie zu Hause auf, aber am Tage nach der Hochzeit — „als sie mir nun handsam und soweit gezähmt war, dass sie mir Rede stand, fragte ich sie: sage mir, liebe Frau, hast du auch schon nachgedacht, weshalb ich dich wohl genommen und deine Eltern dich mir gegeben haben?" Nach einer Reihe sehr unzarter Bemerkungen fährt er fort: „Die Götter haben sehr weise das Paar verbunden, das wir Mann und Frau nennen, damit es sich durch die Gemeinschaft so nützlich als möglich erweise. Erstens ist jenes Paar zur Fortpflanzung des Geschlechts bestimmt, dadurch wird auch dem Menschen eine Stütze im Alter, endlich lebt der Mann nicht wie das Tier unter freiem Himmel, sondern er bedarf vielmehr eines Obdachs. Die Frau soll nur im Hause schaffen, der Mann außer dem Hause. Gott hat deshalb dem Weibe mehr Liebe zu den Kindern wie dem Manne gegeben und einen größeren Teil Furchtsamkeit um das Heimgebrachte zu verwahren".

Also darum hat Gott das Weib erschaffen und ihm „mehr Furchtsamkeit gegeben", damit es dem Manne „handsam" werde, ihm Kinder gebäre und Alles im Hause wohl verwahre. Diese erbarmungswürdige Auffassung der Ehe begeistert den edlen Sokrates zu einem warmen Lobe. Xenophon lässt allerdings die Rücksicht auf den Staat bei Seite und betrachtet die Ehe als Einrichtung für den Einzelnen, aber auch er findet nur einen ökonomischen Nutzen in ihr. Pythagoras und seine Schüler stellten eine idealere Theorie von Weib und Ehe auf, aber in der Praxis blieb die Ehefrau — Ausnahmen, welche wie bekannt, die Regel nur bestätigen, abgerechnet — ein geistig gering geschätztes Inventar des Hauses, mehr Gefangene als Herrin, — wie man solche noch heute im Innern von Sizilien und wohl auch anderwärts noch antrifft. Pythagoras hatte berühmte Schülerinnen, welche seinem von ihm selbst angeleiteten Weibe Theano nacheiferten. Dennoch schien sich Theanos Anschauung über die hergebrachte Auffassung der Frauen würde nicht allzu sehr zu erheben, wenn sie auf die Frage, wie sie Ruhm zu erlangen hoffe, mit Homer antwortet:

„Den Webstuhl handhabend und mein Lager bereitend". Immerhin hatte sie, um so antworten zu können, Homer gelesen. Oder stammt diese Antwort von der gleichnamigen Dichterin aus Lokris, oder von jener jüngeren Philosophin Theano? Gleichviel, jenes Zitat ist durchaus charakteristisch, ob es aus einem jüngeren oder älteren Frauenmunde kommt. Phintys, ebenfalls eine „Pythagoräerin", philosophiert über die hochwichtige Frage, ob eine Frau das Haus verlassen dürfe? Und wenn — wie viel Dienerinnen nötig sind, um den Anstand zu wahren? Im Übrigen erklärt sie des Mannes Willen als der Frauen unfehlbares Gesetz.

Die wohlklingende und so herrlich bequeme Phrase, der Mann habe „den Mut zum Befehl" und die Frau den „Mut zur Dienstleistung" stammt von Aristoteles. Natürlich ziert den weiblichen Mund auch nichts so sehr als Schweigen, — wohlverstanden! den eheweiblichen Mund, denn die „Freundin" durfte, ja musste reden, so schön, geistreich, witzig als nur möglich. Sieht man doch in Platos Symposion ein Weib, die Priesterin Diotima, dem Fürsten der Philosophen die göttliche Wahrheit durch die Klugheit ihrer Rede vermitteln! Gesteht doch Sokrates selbst, dass er Gottheit und Leben erst in den Unterhaltungen mit der Theopompa begriffen habe!

Doch auch die Hetäre konnte sich der Liebe des Mannes nicht rühmen. Versichert doch Plutarch in seiner Abhandlung über die Liebe, durch den Mund einer seiner Figuren, dass eine wahre Liebe unmöglich sei zwischen Manu und Weib. Die Frauen hätten daran weder Teil noch Anteil und diejenigen, welche sich an Frauen anschließen, lieben sie nichts destoweniger nicht mehr, als die Fliege die Milch liebt, in welche sie eintaucht. Und während die Griechen wie die Germanen den Frauen prophetische Weisheit zuschrieben, blieb ihre Liebe dem eigenen Geschlecht vorbehalten. —

Während also die Griechen auf Kosten ihrer Sklaven und ihrer Ehefrauen Kunst und Dasein genossen, und die verheirateten Griechinnen Werkzeuge zum Kindergebären und Wollespinnen blieben, indessen den Hetären das angenehmere Amt oblag, den Mann zu erheitern und anzuregen, erschien in Rom das Weib gleich einem unmündigen Kinde. Ob erwachsen oder unerwachsen, vermählt oder unvermählt, Mutter oder unfruchtbar, sie verblieb stets unter der Vormundschaft irgend eines Mannes. Die Jungfrau war das Mündel des Vaters, die Frau Mündel des Mannes; starben diese beiden, kam sie unter die Vormundschaft des nächsten männlichen Verwandten. Verlor sie alle Verwandte näheren oder entfernteren Grades, so wurde ihr durch die zuständigen Behörden ihres Wohnortes ein Vormund ernannt. Mutter geworden, errang sie einige Freiheiten für ihre Person, aber die Selbständigkeit, ihre Kinder zu lenken und zu leiten, blieb ihr streng versagt. Immer werden in den Gesetzen die Rechte des Vaters erläutert und sicher gestellt, von einem Recht der Mutter ist nirgends die Rede ; von den Rechten der Frauen ist überhaupt kaum die Rede. Allmählich wurden jedoch die römischen Frauen besser gestellt, aber nur um die Heiraten, d. h. die Kindererzeugung, zu befördern, da der Staat bei den zunehmenden Kriegen immer neuen Nachwuchs an frischem Menschenmaterial brauchte.

Auch wurde die römische Hausfrau nicht wie die griechische als eine Art Gefangene betrachtet. Sie durfte bei passenden Gelegenheiten ungehindert kommen und gehen, an Festlichkeiten Teil nehmen, bei Gastmählern erscheinen. Dafür klagt denn auch schon L. Piso Frugi in seinen Annalen (c. 133 Jahre vor unserer Zeitrechnung), dass aller Anstand und alle Keuschheit in Rom vernichtet sei. Das wüste Genussleben, in das die Römer immer mehr verfielen, machte sie unfähig, Erzieher ihrer Frauen, Vorbilder ihrer Kinder zu werden. Eine schamlosere Sinnlosigkeit hat man vielleicht nur später unter gewissen Päpsten, von denen nur Alexander VI. genannt sei, gesehen, als in Rom unter den Kaisern. Die Schilderungen der Satiriker und Geschichtsschreiber sind erfüllt von staunenerregenden Beispielen menschlicher Verworfenheit. Properz, Horaz, natürlich auch Ovid und Juvenal, Seneca der ältere und der jüngere, Sueton, Persius stimmen besonders darin überein, die Sittenlosigkeit der Römerin zu brandmarken. Auch die bildenden Künste haben vielsagende Zeugnisse hinterlassen in Wandgemälden, Denkmälern, in den Statuen und Gebrauchsgegenständen von Pompeji. Bekannt ist der große Einfluss einzelner Römerinnen auf ihre Männer und Mitbürger und die berühmte Mutter der Gracchen wird als gebietende und geehrte Hausfrau und Erzieherin ihrer Kinder für lange Zeit noch ein imponierendes Vorbild bleiben; aber Cornelia erscheint völlig als Ausnahmecharakter; erlaubte sie sich doch, dem herrschenden Vorurteil zum Trotz, hauptsächlich mit Griechen und Schöngeistern zu leben und die Männer ihrer Umgebung zu übersehen. Unter Sulla, vor Allem unter Cäsar Pompejus, Antonius gewannen die Frauen immer mehr Unabhängigkeit; aber sie erregten auch den Hass und die Verachtung der Bürger immer mehr. Der weibliche Charakter schien sich fortschreitend zur Unnatur zu verwandeln. Wenn auch die Briefe von Plinius von edlen Frauen erzählen, die Geschichte bringt Beispiele von weiblicher Rach- und Mordlust, die grauenerregend sind. Ein Humor eigener Art liegt darin, dass der moralisierende Cicero, der so eifrig gegen die Unabhängigkeit der Frau raisonniert, schließlich über die eigene Gattin Terentia klagen muss, die sich nicht um häusliche Dinge kümmere und ihn, ihren „Herrn", sogar misshandle. — So kam auch allmählich die Ehe immer mehr in Misskredit und das Heiraten ward als ein schwerer Dienst betrachtet. Unlust und Unzucht nahmen immer mehr überhand, und als die heimische Erfindungskraft zum Bösen und Ungewöhnlichen nicht mehr in der allgemeinen Erschöpfung ausreichte, erfand man — Gottesdienste, „wobei die Frauen sich Jedem Preis geben mussten für Geld, wofür der Venus ein Opfer gebracht wurde " Man benutzte dazu den aus Ägypten und Syrien herübergebrachten Kultus der Isis und des Adonis. Dem „Tempel" der Isis gebührte in Wahrheit ein ganz anderer Name.

Von der wollespinnenden Lucretia bis zur gebietenden Cornelia liegt ein weiter Raum, ein tieferer Abgrund noch gähnt zwischen Cornelia und — Messalina. Letztere ist recht eigentlich die Verkörperung damaliger römischer Verworfenheit. Der Forscher fragt sich, wie es der Zeit möglich war, solche Unweiber hervorzubringen? — War es die Nemesis, die sich für die Unnatur rächte, welche die Ehe ihrer Heiligung durch die Liebe beraubte, und die Liebe außerhalb der gesetzmäßigen Schranke zu einem bloßen Spiel der Sinne erniedrigte?

008. Kauernde nackte Aphrodite. Vatikan

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017. Gesichtstypus der mittelländischen Rasse. 20jährige Norddeutsche

017. Gesichtstypus der mittelländischen Rasse. 20jährige Norddeutsche

027. Verschleierte Dame aus Stambul

027. Verschleierte Dame aus Stambul

031. Weißgeschminkte chinesische Dame

031. Weißgeschminkte chinesische Dame

040. Zwei Ainomädchen mit tätowiertem Schnurrbart

040. Zwei Ainomädchen mit tätowiertem Schnurrbart

137. Junge Perserin im Hause

137. Junge Perserin im Hause

138. Perserin zum Ausgehen sich rüstend

138. Perserin zum Ausgehen sich rüstend

139. Kurdinnen

139. Kurdinnen

140. Tscherkessin

140. Tscherkessin

144. Araberin mit verschleiertem Gesicht

144. Araberin mit verschleiertem Gesicht

145. Araberin mit nicht verschleiertem Gesicht

145. Araberin mit nicht verschleiertem Gesicht

151. Christliche Maurin aus Algier

151. Christliche Maurin aus Algier

150. Tunesisches Judenmädchen

150. Tunesisches Judenmädchen

149. Tunesische Jüdin

149. Tunesische Jüdin

148. Kabylin aus der Gegend von Tunis

148. Kabylin aus der Gegend von Tunis

152. Muhammedanerin aus Algier

152. Muhammedanerin aus Algier

153. Dalekarlierin

153. Dalekarlierin

154. Mädchen aus Helsingland mit Jacke

154. Mädchen aus Helsingland mit Jacke

156. Mädchen aus Bergen

156. Mädchen aus Bergen

159. Hardanger Mädchen in der Volkstracht

159. Hardanger Mädchen in der Volkstracht

163. Katholische Seeländerin aus Axel

163. Katholische Seeländerin aus Axel

181. Elsässerin

181. Elsässerin

192. Russische Amme im Sarafan

192. Russische Amme im Sarafan

184. Südtirolerin aus Gröden

184. Südtirolerin aus Gröden

194. Großrussische Mädchen bei der Arbeit

194. Großrussische Mädchen bei der Arbeit

204. Russinnen bei der Kaviarbereitung in Hosen

204. Russinnen bei der Kaviarbereitung in Hosen

205. Bäuerinnen aus Champéry in Hosen

205. Bäuerinnen aus Champéry in Hosen

202. Wäschermädel aus Wien

202. Wäschermädel aus Wien

170. Altenburger Bäuerin in vollständigem Kostüm von hinten

170. Altenburger Bäuerin in vollständigem Kostüm von hinten