Das jüdische Weib - Christliche Auffassung von Weib und Ehe

Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Frau
Autor: Lazarus-Remy, Nahida Ruth (1849-1928) Schriftstellerin und Journalistin, Erscheinungsjahr: 1891
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Frauen, Jüdin, Jüdinnen, Ehe, Rolle der Frau, Judentum, Juden, Religion, Frauenrechte, Familie, Braut, Mutter, Liebe, Gesetz, Kulturerbe,
Um später in ununterbrochener Folge Stellung und Entwicklung des jüdischen Weibes von den biblischen Zeiten an bis auf die Gegenwart entwerfen zu können, sei hier noch vorerst eine flüchtige Skizze der christlichen Auffassung von Weib und Ehe versucht.

Wenn die ersten Kaiser noch Belohnungen auf Heiraten und Kindererzeugung, Vermögensnachteile auf die Ehelosigkeit, ja auf das Witwertum setzten, so haben die christlichen Kaiser alle diese Vorteile wegen Heiratens und Bestrafungen wegen Ehe- und Kinderlosigkeit wieder aufgehoben. Denn das Christentum war nie der Ehe geneigt. Es duldete dieselbe, damit neue Christen geboren wurden und weil sich das in der Ehe legitimierte Element der „natürlichen Lebendigkeit" (um mit Hegel zu reden) schlechterdings nicht unterdrücken lies. Nachdem gar Christus in Bezug auf die Geschlechtsverhältnisse den Satz ausgesprochen hatte: „Es sind aber Einige, die sind verschnitten um des Himmels willen", seitdem verlor die Verehelichung ihren letzten Rest von Ansehen. „Maria und Christus, die Jungfernschaft und das Zölibat" waren die Bestimmung der Auserwählten.

Apostel und christliche Moralprediger sind mit den griechischen Philosophen einer Meinung, dass es, um des Himmels willen. tugendhaft und nützlich sei, sich des Weibes und der Ehe möglichst zu enthalten, nur dass die Griechen ihren Himmel auf der Erde suchten und die Christen im Jenseits. Weib und Ehe sind höchstens als notwendige Übel zu betrachten. Derjenige, der seine Tochter verheiratet, begeht gerade keine Sünde, sagt Paulus, aber derjenige, der sie nicht verheiratet, tut ein gutes Werk. Aber er verheirate sie dennoch, wenn sie nicht Enthaltsamkeit üben kann, „denn besser ist's, verheiratet sein, als Brunst leiden." Hiermit ist der Kerngedanke des heiligen Mannes enthüllt: die Ehe ist nicht der vollkommenste Zustand des Menschenpaares, sondern ein Notbehelf wegen der Bedürfnisse der rohen Natur. Man hungert, also esse man, man dürstet, also man trinke, man schmachtet, also heirate man. Dennoch wünscht Paulus auf seinen und seiner Genossen Kreuz- und Querzügen die Begleitung von Weibern, als Schwestern im heiligen Geist, als Bräute Christi. Der kluge Menschenkenner wusste wohl, dass das für eine Idee entflammte Gemüt des Weibes mit unwiderstehlicher Zauberkraft ausgestattet ist zur Bekehrung zweifelnder oder ungläubiger Geister, zur Anspornung lässiger Seelen. Er bildet einen gewissen Korpsgeist aus unter den Frauen und gestattet ihnen manche Gunst und Freiheit. Besonders die Witwe, wenn sie sich nicht wieder vermählte, erfreute sich einiger Privilegien. Das christliche Gesetz befahl ihr nicht, wie die Lehre des Manou, zu sterben, wenn ihr Gemahl gestorben war, zwang sie nicht zur Schwagerehe, wie Mosis Gesetz es vorschrieb, sie konnte nicht mehr wie eine Sache testamentarisch Anderen vermacht werden. Sie gewann eine Individualität. Aber bei alledem ertönt stets von neuem der ängstliche Ruf des um sein „Seelenheil" besorgten christlichen Wanderpredigers: nur nicht heiraten! Paulus ist unermüdlich, den Witwen die Entsagung eines neuen Liebesbundes zu empfehlen und entwirft ihnen folgendes Idealbild der „wahrhaften" Witwe. „Die Witwe ist ein verlassenes Wesen auf der Erde. Tage und Nächte verbringt sie im Gebet, mit der Asche ihres Gatten hat sie jede menschliche Neigung begraben; wenn sie sich noch des Lebens freuen wollte, sie wäre eine lebendige Tote" (vivens mortua est).

Noch härter wird jeder edle Frauensinn von folgenden Stellen aus Paulus Briefen berührt werden, wo er sich über die zugestandene Notwendigkeit der Eheschließung ausspricht. So heißt es Corinther Cap. 7, vom Schluss des ersten Verses an: „es ist dem Menschen gut, dass er kein Weib berühre", — bis zum fünften Vers: „und kommt wiederum zusammen, auf dass der Satan Euch nicht versuche um Eurer Unkeuschheit wegen" — was dazwischen liegt, ist hier wörtlich nicht wiederzugeben; es entkleidet die Ehe alles Sittlichen und Idealen und macht sie, wie schon vorhin bemerkt, zum Abzugskanal für unreine Säfte. Was ist in dieser Auffassung aus dem heiligsten Verbande, aus der göttlichsten Gemeinschaft, die es auf Erden gibt, geworden! — Paulus fährt dann fort: „Solches sage ich aber aus Gunst, nicht als Gebot; ich wollte lieber alle Menschen wären wie ich, (ledig)" — und später folgt das berühmt gewordene Wort: „Heiraten ist gut, nicht heiraten noch besser." Und endlich im Briefe an die Galater heißt es: „Sei fröhlich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst und komm hervor und rufe, die du nicht schwanger bist, denn die Einsame hat viel mehr Kinder, denn die einen Mann hat."

Indem Christus und die Apostel die Ehe als ein notwendiges Übel hinstellten und fortdauernd auf die Löblichkeit und Seligkeit des Zölibats hinweisen, ist es den Kirchenvätern nicht zu verdenken, dass sie auf dem vorgezeichneten Wege weiter gingen. Vorerst waren sie darin einig, ohne Ausnahme, die zweite Ehe als einen „ehrsamen Ehebruch" zu brandmarken und sie den Geistlichen zu verbieten; wer zuwiderhandelte, auch die Laien, die zum zweiten Mal heirateten, wurden bestraft und öffentlich beschämt. Ein Patriarch von Konstantinopel wagte es sogar, den Kaiser Leo, den „Philosophen", der wegen Kinderlosigkeit zum vierten Mal heiratete, zu exkommunizieren. Welcher Inkonsequenz sie sich schuldig machten, indem ja der christlich anerkannte Grund zur Ehe, das gemeine Bedürfnis fortbestand, — bedachten sie nicht. Je weiter wir kommen, desto mehr Verleumdung und Verachtung der Ehe. Die Heiligen Hieronymus, Justinus, Augustinus, Chrisostomus und viele Andere bezeichneten die Ehe als einen unreinen Zustand, als eine Folge der natürlichen Verderbtheit der menschlichen Natur — und nun muss begreiflicherweise der „Sündenfall Adams und Evas" als verhängnisvolle Voraussetzung herhalten. Ja, wenn die Fortpflanzung nicht aus Liebe der Geschlechter zu einander, sondern als Ergebnis kalten Pflichtgefühls (damit die Welt nicht aussterbe) — vor sich gehe! Dann hätte sie Gnade vor den Augen der heiligen Eiferer gefunden! Dann konnte man sie als Ergänzung zum allgemeinen Märtyrertum auf die Conduitenliste einschreiben, welch o zur Aufnahme ins Paradies berechtigen, — aber so! — Welcher Verletzung der Ehrfurcht vor Gottes Naturgesetzen sich diese Heiligen schuldig machten, ahnten sie ja nicht.

Der heil. Ambrosius meint, Eheleute müssten vor einander erröten (obwohl ,,den Reinen Alles rein ist", Paul, an Tit. 1 — 15, und „wo wenig Jungfrauen seien, auch wenig Menschen, hingegen an den Orten, wo mehr Eifer für den Stand der Jungfrauschaft vorhanden, weit Mehrere geboren würden." Der Sinn ist dunkel.

Die Ehe der Geistlichen ward immer mehr bekämpft. Es entschlossen sich jetzt viele, mit ihren Schwestern in Christo eine „geistige" Ehe zu schließen, aber — die verleumdete und verachtete Natur rächte sich. Die geistlichen Gefährtinnen verwandelten sich allmählich in ganz gewöhnliche Konkubinen und Scham und Reue zeitigte erst ein Heuchelsystem und endlich eine trotzige Frechheit, welche einen so schamlosen Unfug veranlasste, dass die Kaiser Honorius, Theodosins und Justinian mit Gesetzesschärfe dagegen einschreiten mussten. Trotz der immer zunehmenden Ausschweifungen der unverheirateten Priester erhob Gregor VII. das Zölibat zum Gesetz — und es ist in der römisch-katholischen Kirche bis heute Gesetz. Das arme Weib musste nun dafür büßen, dass es so reizvoll war! Es wird gelästert, verfolgt mit glühenden, schwülen Ausrufungen des Hasses.

„Auch der Hass ist Liebe
Schöpfend mit dem Siebe
Statt der Schal' im Born. . ."*)

*) Rückert: Waldstille.


Eine Seuche, eine giftige Schlange, eine Torheit, welche die Vernunft zur Unzucht verführt, sei das Weib. „Faul, geil, geschwätzig und vorwitzig." Die Unterordnung des Weibes wird gepredigt in einer Derbheit, gegen welche Plutarch elegant erscheint. Der Hass des heiligen Tertullian hat fast etwas Rührendes. „O Weib!" ruft er aus in seinem Tractat über den „Schmuck der Frauen", „Du müsstest immer in Trauergewändern oder in Lumpen gekleidet sein, den Blicken eine Reuige zeigend, schwimmend in ihren Tränen und büßend für das Verbrechen das menschliche Geschlecht verdorben zu haben! Weib, du bist die Eingangstür des Teufels! Du bist es, welche zuerst von der verbotenen Frucht gegessen, die das göttliche Gebot übertreten, die den Mann, dem Satan selbst nicht gegenüber zu treten wagte, verführte! Deinetwegen, o Weib, ist Jesus Christus gestorben!" Ein Dämon ist das Weib für Tertullian. Mit einer Art von Entsetzen wirft er ihr den Schleier auf das Antlitz. Sie soll ihre Stirn verbergen, überall, immer, zu jeder Zeit! Tochter — ihres Vaters wegen, Gattin — des Mannes wegen, Schwester — der Brüder wegen und — Mütter — aus Scham vor den Söhnen!" Letzteres berührt wie Gotteslästerung. Im zehnten Kapitel werde ich mich bemühen zu zeigen, wie bei den Juden die Mutter geehrt wurde.

Doch freilich — fragte nicht Jesus, als seine Mutter ihm mit einer Frage nahte: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?“ — Das Wort ist ebenso unbegreiflich, wie sein Verfluchen des Feigenbaumes, der, „weil noch nicht die Zeit der Feigen war" (Marc. 11, 13), ihm auch keine gewähren konnte, und nun dafür verdorren muss. Wenn Jesus weiter sagt: „so Jemand nicht hasset seinen Vater, seine Mutter", u. s. w. „der kann nicht mein Jünger sein", (Luc. 14, 26) so kann das allerdings nur symbolisch gemeint sein, aber die Kühnheit dieses Ausspruches ist doch charakteristisch für den mangelnden Familiensinn und das Streben nach Auflösung aller durch Liebe und Anhänglichkeit geknüpften verwandtschaftlichen Verhältnisse zu Gunsten der rein abstrakten Lehre. Als rechte Jüdin zeigt sich aber Maria, seine Mutter, die still und liebevoll des Sohnes Worte „im Herzen bewahrt“ und es ihm nicht nachträgt, dass er sie — als ihm gemeldet wird, seine Mutter und seine Brüder ständen draußen und wollten ihn sprechen, fast verleugnet mit der Frage: „Wer ist meine Mutter? Wer sind meine Brüder?" und auf die Jünger deutend, fortfährt: „Dies ist meine Mutter, und dies sind meine Brüder".

Je höher die Phantasie gespannt ist die Mutter Jesu zu verherrlichen, desto stolzer können die Juden sein die sanfte stille Maria aus ihrem Volk entstammen zu sehen. Die Geschichte zwar weiß merkwürdig wenig, fast nichts über sie zu berichten, als dass sie das Weib des Zimmermanns Josef und Haarflechter in gewesen ist. In ihrer absoluten Farb- und Tatenlosigkeit, erscheint ihre endliche Vergötterung vollkommen rätselhaft, mochte man ihr, dem Heiland zu Ehren, immerhin die „Jungfrauschaft" andichten, hatten doch auch andere Völker, die Inder, die Perser usw. ihre „Jungfrauen". Maria wurde eben nicht ihrer selbst willen (wie etwa die Prophetinnen), sondern als Mutter des angekündigten und mit Sehnsucht erwarteten Messias verherrlicht und dann vergöttert. Man wusste dadurch den ritterlichen Frauenkultus, der allmählich emporwuchs, mit dem Geist der Kirche zu vereinen und die Notwendigkeit, die Masse der Frauen für die Kirche zu gewinnen, zeitigte den Marienkultus, der noch heute das stärkste Reizmittel der katholischen Kirche ist. Der skeptische Südländer, der bereits an allem zweifelt, betet doch (wenn er noch betet!) immer noch und schwort bei der Modanna! Ja selbst die kühlen, verständig kritischen Protestanten vergessen völlig, dass die „Mutter Gottes" eine einfache arme Jüdin war. — Sie bietet so wenig zur anschaulichen Charakterdarstellung dar, dass selbst Ernest Renan, der eine so farbenreiche Palette für seine Schilderungen besitzt, nichts, so gut als nichts über sie zu sagen weiß. Mit einer Sicherheit, als habe er ihn selbst gesehen und gesprochen, erzählt er von der entzückenden äußeren Schönheit Jesu, des „liebenswürdigsten" Rabbi, von dem unendlichen Zauber seiner Person, vom Strahl seines Blickes, von der ungewöhnlichen Milde seiner Stimme. Ja, selbst der Maulesel, der ihn trägt, erfährt eine Beschreibung als „eines Tieres, dessen großes, schwarzes, von langen Wimpern verhülltes Auge einen so sanftmütigen Eindruck macht". Aber der Mutter des göttlichen Mannes gegenüber, verlässt ihn sein Ahnungsvermögen. Selbst A. H. Niemeyer in seiner mit hinreißender Wärme geschriebenen: „Charakteristik der Bibel" vermag der anspruchslosen Maria von Bethlehem nicht mehr als drei Seiten seines fünf Bände starken, umfangreichen Werkes zu widmen. Und diese drei Seiten enthalten nichts als huldigende Vermutungen. Doch hier und auch anderwärts, nirgends trifft man so auf die natürliche Frage, wo blieb Maria bei der Hinrichtung ihres Sohnes? — Fremde Frauen waren ihm nach Jerusalem gefolgt und bei der Kreuzigung standen sie in einiger Entfernung „und wandten die Äugen nicht von ihm ab".

Er scheint schon bei Lebzeiten eine Zahl treuer Anhängerinnen an sich gefesselt zu haben. „In der Tat nahmen ihn die Frauen mit Vorliebe auf. Er hatte gegen sie jenes zurückhaltende Wesen, das eine süße Ideengemeinschaft zwischen beiden Geschlechtern möglich macht. Die Scheidewand, die im Orient den Verkehr der Geschlechter unterbricht und ohne Zweifel die Entwicklung vieler zarterer Geistesblüten erstickt, wurde damals wohl wie heutzutage auf dem Lande und in kleineren Orten mit geringerer Strenge als in den großen Städten aufrecht erhalten. Drei bis vier treue Galiläerinnen begleiteten stets den jungen Meister und wetteiferten um das Vergnügen, ihn zu hören, und abwechselnd Sorge für ihn tragen zu dürfen. Sie führten in die neue Sekte jenes Element der Schwärmerei und des Wunderglaubens ein, dessen Wichtigkeit man begreift. Eine von ihnen, Maria von Magdala, die den Namen ihres kleinen Dörfchens so berühmt gemacht hat, scheint besonders begeistert gewesen zu sein. Wie es in der Sprache jener Zeit hieß, war sie von sieben Teufeln besessen, d. h. wohl mit ebenso vielen damals schwer heilbaren Nervenübeln behaftet gewesen. Die reine und sanfte Schönheit Jesu gab ihrem beunruhigten Geiste den Frieden wieder. Magdalena war ihm treu bis zu Golgatha und spielte noch am Tage nach seinem Tode eine Rolle von erster Bedeutung; denn sie war das Hauptwerkzeug zur Begründung des Glaubens an die Wiederauferstehung. Johanna, Frau des Chouza eines Verwalters des Antipas, Susanna, und andere unbekannt gebliebene Frauen folgten Jesu unablässig und dienten ihm. Einige waren reich und setzten durch ihre Mittel den jungen Propheten in die Lage, ohne das Handwerk, das er bis dahin getrieben, leben zu können." (Renan.)

Außer den genannten traten noch drei Frauen aus der Umgebung Jesu hervor, Salome, die Mutter des Jakobus und Johannes, auch bei seinem Tode und seinem Begräbnis gegenwärtig, die ihn einst gebeten hatte, dass doch ihre Söhne ihm zunächst in seinem himmlischen Reiche sitzen sollten, und das Schwesternpaar Martha und Maria, jene die emsig Geschäftige, diese zu den Füssen des Lehrers Sitzende und Zuhörende. Sie werden zum ersten Mal mit wenigen aber charakterisierenden Worten bei Lucas erwähnt, dann von Johannes beim Bericht über die Erweckung ihres verstorbenen Bruders. Als diese dann später mit Jesus und den Schwestern zu Tisch sitzen, (d. h. „Martha dienete") „da nahm Maria ein Pfund Salbe von ungefälschter köstlicher Narde und salbte die Füße Jesu und trocknete mit ihrem Haar seine Fasse, das Haus aber ward voll vom Geruch der Salbe." (Ev. Johann. 12.) Beide Situationen sind zu einem Lieblingsgegenstand der Malerei geworden. Dies sind die Freundinnen Jesu, dies die Anhängerinnen einer neuen Sekte, wenn es ihnen auch wohl kaum bewusst wurde, dass sie es nicht Mos mit einer Persönlichkeit, sondern mit einem Prinzip zu tun hatten. Alle diese Frauen zeigen eine gewisse Beschränktheit des Geistes in der wortlosen Willfährigkeit, mit der man sie kommen und gehen sieht; sie scheinen sämtlich gut und sanft, hingebend und lenksam, nichts desto weniger fahren die Evangelisten fort, das ewig Weibliche als ein sowohl gefährliches wie minderwertiges Element im Haushalt der Natur zu behandeln. Ihre Abneigung gegen die Ehe ist begreiflich, wenn man bedenkt, dass sie die Freuden des Jenseits, die Seligkeit des Himmels priesen und die mutlose und entmutigende Ansicht vorbereiteten, die Erde sei ein Jammertal und das Leben nicht wert gelebt zu werden. Habt nicht lieb die Welt, noch was in der weit ist; So Jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. (Johannis 1. 2,15.) Wie konnten sie es gern sehen, dass so und so viel Menschen in innigster Gemeinschaft des Leibes und der Seele, schon hier auf Erden glücklich wurden und ihren Frieden fanden, und so gewissermaßen ihre drohenden Worte Lügen straften?

Christus zwar wiederholt gelegentlich die Worte der Genesis und sagt den Pharisäern, die ihn „versuchen" wollten, und denen er durch Moses Worte am schlagendsten zu entgegnen vermochte: „Habt Ihr nicht gelesen, dass der im Anfang den Menschen gemacht hat, der machte, dass ein Manu und ein Weib sein sollte und sprach: darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hängen und werden die zwei ein Fleisch sein? So sind sie nun nicht zwei sondern ein Fleisch — Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden." Es handelt sich an dieser Stelle um die Ehescheidung. Christus verwirft dieselbe, obwohl der Frau oder dem Manne Befreiung von dem drückenden entsittlichenden Joch eines körperlichen Zusammenseins, ohne innere seelische Gemeinschaft gerade im Geist der Moral und der Religion wohl zu gönnen ist, aber er verwirft die Scheidung, „um das fatale Geschlechtsverhältnis in einer einmaligen Ehe zu beschränken." — Theologische Dialektik hat das Wort: „Was Gott zusammenfügt, das soll der Mensch nicht scheiden", gerade im umgekehrten Sinn im Volke populär gemacht, als ob es nämlich bedeute, dass Liebende sich auch besitzen sollen, — während an dieser Stelle nicht von Liebenden, sondern im Gegenteil von Nichtliebenden die Rede ist. — Theologische Dialektik hat indessen noch viel mehr an absichtlicher Umdeutung zu Stande gebracht und nur dem vollkommen unbefangenen Leser der Bibel wird es möglich sein, den klaren und wahren Sinn dos Wortlautes zu erkennen. So enthält das neue Testament nichts das die verbreitete und stets mit Emphase wiederholte Redensart: das Christentum habe das Weib befreit, und das Christentum habe die Ehe veredelt, oder dergl. — bestätigt; Im Gegenteil wird die Liebe, das Weib und die Ehe fort und fort zurückgesetzt vor der „Liebe zu Gott" — als ob nicht diese Liebe zu Gott in einem liebevollen Eheleben ganz besonders und. vorzugsweise gepflegt werden könne!*)

„So Ihr liebet, die Euch lieben, was werdet Ihr für Lohn haben? Tun dasselbe nicht auch die Zöllner?“

„Und wer verlässt Häuser, oder Brüder, oder Schwestern, oder Vater und Mutter, oder Weib oder Kinder oder Acker um meines Namens willen, der wird es hundertfältig nehmen und das ewige Leben erwerben."

(Zum Glück hat alle kirchliche Beschönigung nicht zu hindern vermocht, dass derartige Handlungen durch das Strafgesetz gebührend geahndet werden.)

„Die Kinder dieser Welt freien und lassen sich freien. Welche aber würdig sein werden, jene Welt zu erlangen, und die Auferstehung von den Toten, die werden weder freien, noch sich freien lassen."

*) Wer indessen der landläufigen Meinung huldigt, dass nämlich das Christentum das Weib „befreit" und „erhöht" habe, wird u. A. von der phantasievollen Schilderung von Dr. A. Wünsche: „Jesus und die Frauen" sehr erbaut sein.

„Doch werden solche (die freien) leibliche Trübsal haben. Ich verschonte aber Eurer gern." (Paulus.)

Allein ist diese Geringschätzung des wichtigsten und heiligsten Verhältnises auf der Welt nicht ganz natürlich in einem System, das den Menschen, trotz aller ihm verliehenen Geistesgröße und Gemütsinnigkeit, die Aussicht gibt, nur erst „im Jenseits" reif, glücklich und vollendet werden zu können? — Dennoch gab es verhältnismäßig immer nur wenige Säulenheilige und die Frommen rächten sich für die unabweisbare Institution der Ehe an dem schwächeren Teil derselben, an der Frau.

„Der Mann ist für den Staat, die Frau für das Haus bestimmt. Gott hat, für den Frieden sorgend und die schickliche Ordnung betrachtend, das Leben in diese beiden Teile zerspalten; den notwendigeren und nützlicheren dem Manne, den geringeren und mangelhafteren der Frau übergeben." (D. heil. Chrysostomus.)

Also der geringere und mangelhaftere Teil der Frau, dem Aschenbrödel. Nur leider kann der „notwendigere und nützlichere" Teil nicht ohne den Geringeren sein, durch den er entstanden ist. Man kann sich wohl ein Haus ohne „Staat" denken, aber keinen Staat ohne „Haus".

Charakteristisch für diese Missgunst der Ehe erscheint auch jene von christlicher Seite stammende sonderbare Ungerechtigkeit im Erbrecht, nach welcher der überlebende Ehegatte erst nach den Seitenverwandten siebenten Grades (die dem Ehepaar vielleicht ganz fremd, vielleicht feindlich gegenüberstanden!) erbberechtigt ist. So viel ich weiß, besteht diese Abnormität noch heute im Erbrecht. Ebenso ist es eine kluge Benachteiligung der Ehe, dass die Scheidung nicht nur in den Äußerungen des n. Testaments, sondern in der Gesetzgebung der christlichen Kaiser förmlich erschwert wurde. Sie bestimmten mit Strenge harte Strafen des schuldigen Teils, setzten die Ursachen fest, aus denen allein eine Scheidung stattfinden dürfe und hoben sogar die Befugnis auf, sich in gütlicher gegenseitiger Einwilligung zu trennen. Erst ein allerdings von keinen dogmatischen Bedenken angekränkelter heidnischer Nachfolger hob dieses Gebot wieder auf, in der richtigen Erkenntnis, dass „Hass und Antipathie oft stärker seien als die menschliche Vernunft." Dabei hielt die römisch-christliche Gesetzgebung an dem berühmten Satz fest:

„Die Ehe ist eine Vereinigung zwischen Mann und Frau, eine Gemeinschaftlichkeit des ganzen Lebens, des menschlichen und göttlichen Rechts."

Wenn man recht hinsieht, traut man seinen Augen kaum. Wie? Wirklich, eine Gemeinschaftlichkeit? Also die Frau kann ebenso wie ihr Mann Ämter oder Ehren bekleiden, im öffentlichen Dienst als Staatsbürgerin neben ihrem Gatten Pflichten erfüllen? Wenn sie kinderlos ist, oder die Kinder verheiratet, in Stellung sind, könnte die Frau allerdings ihre Kräfte, wie ihr Mann, dem Vaterlande weihen —

Nicht doch! Davon kann keine Rede sein, da die Frau nur im Hause und in der Familie wirken darf.

So! Nun dann wird sie über ihre Kinder bestimmen, wird selbständige Rechte im Hause ausüben.

Nein, das ist ihr auch nicht erlaubt. Der Mann allein hat Rechte und Bestimmungen.

Ah! also bleibt nur die rein materielle Verwaltung ihres Besitztums. ihres Vermögens?

Gott bewahre! Das ist ihr erst recht vorenthalten. Der Mann ist fast ganz alleiniger Herr des Vermögens.

Ja, was bleibt ihr denn da übrig? — und trotzdem ihr alle Rechte und jede Selbständigkeit und Ebenbürtigkeit neben dem Gatten vorenthalten ist, redet man von einer „Gemeinschaftlichkeit?"

Es ist eben diese „Gemeinschaftlichkeit" eine Redensart wie tausend andere, die die Welt beherrschen.

Vielleicht ist es mit dem „menschlichen" Recht des Weibes besser bestellt. Doch ach! sie konnte nicht Vormund, nicht Zeuge, nicht Schiedsrichter sein, sie konnte nicht adoptieren, — kurz sie blieb das Mündel ihres Mannes.

Und was heißt „Gemeinschaftlichkeit des göttlichen Rechts?" Durfte die Frau das Priestertum ausüben? Nein. Selbst ihre Religionsübungen waren ursprünglich beschränkt und in Manchem von denen des Mannes als minderwertig, unheilig, ausgeschlossen oder geschieden. Kein weibliches Wesen hat je am Altar, wie der erste beste dumme Junge bei einer heiligen Handlung eine Handreichung tun dürfen.

Aber trotzalledem heißt es noch von allen Kanzeln und in allen Büchern und Reden der Kirchenlehrer: „Das Christentum hat das Weib erhoben und mit einer Glorie umgeben, denn es hat „die Gemeinschaftlichkeit des ganzen Lebens, des menschlichen und göttlichen Rechts" eingeführt."

Die Weiber seien untertan ihren Männern, als dem Herrn; denn der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Christas ist das Haupt der Gemeinde und er ist seines Leibes Heiland. Aber wie nun die Gemeinde ist Christus untertan, also auch die Weiber ihren Männern in allen Dingen . . . ein Jeglicher habe lieb sein Weib als sich selbst, das Weib aber fürchte den Mann." (Epbes. 5).

„Ein Weib lerne in aller Stille, mit aller Untertänigkeit Einem Weibe gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie des Mannes Herr sei (?), sondern sie sei stille."

„Die Weiber sollen sein „ihren Männern untertan", auf dass nicht das Wort Gottes verlästert werde." (Paul, an Tit. 1, 2.)

„Denn Adam ist am ersten gemacht, danach Eva."

„Und Adam war nicht verführet (?), das Weib aber ward verführet und hat die Übertretung eingeführt."

„Eure Weiber lasset schweigen in der Gemeine, denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt."

„Wollen sie aber etwas lernen, so lasst sie ihre Männer befragen. Es steht den Weibern übel an unter der Gemeine zu reden." (Corinth. 14.)

Freilich folgt gleich darauf: „Ist aber Jemand unwissend, der sei unwissend."

Genug der Anführungen, wird es doch deutlich gesagt:

„Der Mann ist nicht geschaffen um des Weibes willen, sondern das Weib um des Mannes willen." (Corinth. 11, 9).

(Der Mann allein ist um Gottes willen da).

Das Weib soll nach Möglichkeit (fast nach Unmöglichkeit!) tugendhaft sein, um des Mannes würdig zu werden. Dem Manne zu gehorchen ist jedoch die Hauptsache und nur insofern wird sie geliebt und gelobt, als sie sich des Mannes Zufriedenheit erwirbt. Vergeblich sucht man im neuen Testament nach einem Ausspruch, der auch dem Manne zur Pflicht macht, sich die Zufriedenheit des Weibes zu erwerben. Ein solches Unterfangen scheint undenkbar oder höchstens ein Lächeln wert.

Das arme Weib, wenn vielleicht auch noch so brav, d. h. gehorsam und untertänig, bleibt im Bann geringschätzender Gleichgültigkeit oder offenbarer Verachtung. Weib bleibt eben Weib, und selbst dass sie Mutter wird, ärgert die Frommen sehr. Eine Art Empörung ergreift Tertullian beim Anblick von Mutter und Kind.

„Keine Kinder!" ruft er aus, „die Kinder werden ein Bleigewicht sein an dem Tage, da wir freie Füße haben müssen! Wenn der Engel in die Posaune stößt, am Auferstehungstage, da werden es nur die Jungfrauen sein, die sich ungehindert auf seinen Ruf emporschwingen, denn keine eheliche Bürde bebt in ihrem Schoß, oder hängt an ihrem Busen!"

Und doch heißt es: „Gott ist aber nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen." (Moses 2, 36, Math. 22, 31).

Doch nichts kann wohl die christliche Nichtachtung des Weibes im Allgemeinen schlagender kennzeichnen als Folgendes: Tertullian in oben zitierter Schrift: de resurrectione („Von der Auferstehung", Cap. 57), glaubt, „dass die Auferstandenen alle Fehler und Mängel verlieren: Blinde werden sehen, Lahme gehen, die Weiber aber werden auferstehen als — Männer!" —