St. Petersburg. Von H. v. Lankenau

      Verscheucht vom Strahl der Frühlingssonne,
      Flieht von der Berge schräger Wand
      Der Schnee herab in trüben Strömen
      Auf überschwemmtes Wiesenland.
      Mit sanftem Lächeln grüßt der Morgen
      Des Jahrs die schlummernde Natur;
      Es grünt der Wald, die Himmel glänzen
      Bereits in dunklerem Azur.
      Die Biene eilet aus der Zelle,
      Wo sie entrichtet den Tribut;
      Die Täler trocknen ab und färben
      Sich bunter in der Sonne Glut,
      Die Herde lärmt, die Nachtigall
      Entzückt die Nacht mit süßem Schall.

                                    Puschkin

Kronstadt. Peterhof. Die Newa. Gründung von St. Petersburg. Der Kai. Wassili-Ostrow. Paläste und öffentliche Gebäude. Das Marsfeld. Newsky-Perspektive. Das Kaufhaus. Im Winter. Feste und Festlichkeiten. Volksleben. Pulkowa, Zarskoje-Sselo. Dampfschiffe.



                            Im Park von Peterhof

Auf der Fahrt von Stettin oder Lübeck nach Petersburg mit einem jener behaglich eingerichteten großen Dampfer bemerkt der Reisende, nachdem er das zur Rechten liegende alte Reval mit seinem mastenreichen Hafen und den weit hinaus ragenden Leuchtturm passiert hat, vor Allem den auffälligen Unterschied der beiden Küsten des Finnischen Meerbusens, denen er sich abwechselnd nähert. Selbst von weitem gesehen bewahrt Reval in seinen Kirchen und Häusern noch den Charakter einer alten deutschen Hansestadt. Während die linke, finnländische Seite, an welcher Abo Torwächter ist, ganz das Gepräge des nordischen Charakters an sich trägt: steile, aus dem Meer emporragende Felsen mit gigantischen Nadelholzwäldern auf ihren Gipfeln, drohend von den schäumenden Wogen umspült und umtost, — liegen die Ufer der entgegengesetzten russischen Seite flach und eben da, bieten dem mit mehr Behagen auf ihnen weilenden Auge ein friedlicheres, anheimelndes Bild in den zwar ärmlichen, aber doch freundlichen Dörfern und Ansiedelungen, grünen Wiesen und bebauten Feldern. In der Mitte des fast immer stürmischen Busens mit seinem kurzen, unruhigen Wellenschlage ragt die unwirtliche, düstere, schwer zugängliche Felseninsel Hogland aus dem Meere hoch über die Wellen hervor. Ein gefährliches Schmugglernest vor Zeiten, ist es jetzt nur einigen armen Lotsen und Fischern eine traurige Heimat. Schrecklich lauten die offiziellen Berichte über die Kämpfe zwischen den Schmugglern und den Zollwächtern, Strandreutern [Strandreiter] genannt. Um einige Fässchen schlechten Branntweins, um wenige Rollen billigen Tabaks floss viel Blut, wurde manches Menschenleben geopfert; denn die Menschen jener wilden Gegenden sind eben so rau und finster wie ihre düstere Heimat; ihre Hauptnahrung besteht in Fischen, ihr einziger Genuss ist der Branntwein und die Pfeife, oder der widerliche Kautabak.

Weiter, immer weiter hinauf bringt uns der in dem wogenden, jetzt schon engeren Meerbusen arbeitende, schwer keuchende Schraubendampfer, dessen heftigeres Schaukeln bei einigen unserer Damen, trotz des klaren, schönen Wetters, die unangenehme Seekrankheit erneuert. Da erhebt sich zu unserer Rechten der mächtige Tolbuchin-Leuchtturm, dem kundigen Schiffer ein froher Verkünder der Nähe Peterhofs. Zur Zeit des Krimkrieges hatte die englische Flotte hier einen schweren Stand; das Licht des warnenden Wegweisers war erloschen, Lampen und Wächter entfernt und kein Lotse, weder ein finnischer noch ein russischer, zu finden, welcher der feindlichen Flotte den Weg über die Untiefen zu dem mächtigen Bollwerk des Reichs hätte weisen können. So mussten sie denn hier erst Ankerplätze suchen, ehe sie sich weiter vor, nach Kronstadt, hätten wagen können, welches zum Frühstück einzunehmen und in Petersburg zu Mittag zu verspeisen Lord Napier, der Admiral, sich in London gerühmt haben soll. Der britische Hochmut wurde jedoch hier gedemütigt: weder Petersburg noch Kronstadt, noch gar die riesige Felsenfeste Sweaborg, an deren vollkommen erfolgloses Bombardement Alt-England einige Millionen nutzlos vergeudete, wurden genommen. Die traurigen halbfertigen Strandbefestigungen der Alands-Inseln allein wurden von der französischen Flotte durch eine Landung nach kurzem, aber heftigem Kampfe erobert; die Engländer begnügten sich mit kleinen Überfällen offener finnischer Städtchen, wie Hangö-Udd u. A., lagen eine Zeit lang drohend vor Reval und — zogen wieder heim.

Jetzt steigt auch, gleichfalls zur Rechten, der sogenannte rote Hügel — Kraßnaja Gorka, aus dem Wasser empor, bis wohin die Russen ihre Vorposten im erwähnten Kriege vorgeschoben hatten. Links passierten wir soeben Wyborg mit dem herrlichen, romantisch gelegenen Gute Monrepos, welches dem Baron v. Nicolay, einem Nachkommen des bekannten deutschen Dichters gleichen Namens, gehört.

Endlich nähern wir uns dem kleinen Kronstädter Meerbusen, der eigentlich nur das Übergangsbecken des Newa-Delta zum offenen Meere bildet. In der Nähe der Kesselinsel stoßen wir auf das mit Gefangenen und Soldaten bemannte Wachtschiff, das uns eine Zollwache an Bord bringt, die bis zur Stadt uns hinabzubegleiten verpflichtet ist. Wohin wir unsere Blicke wenden, starrt das Meer von steil aus demselben aufsteigenden kolossalen Befestigungen, die nach Napiers letztem unglücklichen Versuche durch den berühmten Helden von Sewastopol, den Ingenieur-General Tottleben, noch durch einige Bollwerke vermehrt sind. Namentlich ist eine neuerbaute Batterie bemerkenswert, die auf einer Düne oder Sandbank (Kossa) errichtet worden und bei deren Anlegung man auf Spuren früherer, zu Peters des Großen Zeit bereits unternommener Arbeiten stieß — ein Beweis, dass dieser umsichtige Monarch schon damals die Wichtigkeit dieses Punktes erkannt hatte.

Petersburg in der Zeit Katharinas II.

Petersburg in der Zeit Katharinas II.

Petersburg 1722

Petersburg 1722

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