Tolstois Plan, Offizier zu werden

Er schreibt da von seiner Absicht in Hinsicht auf den Feldzug in Österreich — ins Garde-Kavallerie-Regiment als Junker einzutreten. So hoffe er noch zu einem anständigen Menschen zu werden. Tolstoi ist überhaupt voller Reue und bittet den Bruder, ihm nicht zu zürnen, der habe zwar durchaus recht, wenn er ihn den „allernichtigsten Burschen“ genannt habe. Er fühle aber selber seine Nichtigkeit.

Bald wird indes auch dieser Plan fallen gelassen: Tolstoi will, so schreibt er dem Bruder, nur dann Soldat werden, wenn er im Examen durchfalle, und das Vaterland in Gefahr sei. Dabei geht er aber gar nicht einmal zur Schlussprüfung, kehrt vielmehr noch im Frühling nach Jasnaja Pol Jana zurück — in Gesellschaft eines verbummelten deutschen Musikers — und gibt sich leidenschaftlich der Musik hin. Diesen armen Musikanten hat Tolstoi bekanntlich später verherrlicht in seiner Novelle „Albert“, das hohe Lied auf die unzerstörbare Harmlosigkeit und die ewige Unschuld des Künstlers. Die Musik ist übrigens immer Tolstois Leidenschaft geblieben, ohne dass er sonderlich begabt gewesen zu sein scheint für sie. (Tschaikowsky war in den siebziger Jahren peinlich davon berührt, als Tolstoi ihm nachweisen wollte, Beethoven sei kein Genie gewesen, und er, Tschaikowsky, findet diese Neigung, große Männer herabzusetzen, sonst nur beschränkten Menschen eigen.) Nachher hat dann Tolstoi die Musik als die verführerischste aller Künste besonders verfolgt, sie aber persönlich immer gern gehabt. Musiker gehörten bis an sein Lebensende zu seinen nächsten Freunden.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das heutige Russland 1 - Tolstoi