Tolstois Ahnen mütterlicherseits

Tolstois Ahnen mütterlicherseits, die Fürsten Wolkonsky, führen ihr Geschlecht auf Rurik zurück. Fürst Iwan Jurjewitsch, in der dreizehnten Generation von Rurik abstammend, erhielt zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts das Wolkonskysche „Teilfürstentum“ (am Flusse Wolkon gelegen, der das jetzige Kalugasche und zum Teil auch das Tulasche Gouvernement durchfließt). Daher stammt der Namen Wolkonsky. Tolstois Urgroßvater, Fürst Fjedorowitsch Wolkonsky, diente im Siebenjährigen Krieg als Generalmajor und starb im Jahre 1784. Sein jüngster Sohn, Nikolai Sergejewitsch (geboren 1753) war Tolstois Großvater von mütterlicher Seite. Er ist bekanntlich das Vorbild für den alten Fürsten Bolkonsky in „Krieg und Frieden“. Als General der Infanterie befand er sich in der Gefolgschaft der Kaiserin Katharina II. bei deren erster Zusammenkunft mit Josef II. in Mohileff ( 1780), er begleitete dann auch die Kaiserin 1786 auf ihrer Reise nach Tauris und war 1793 außerordentlicher russischer Gesandter in Berlin aus Anlass der Vermählung des nachmaligen Friedrich Wilhelm III. Nikolai Sergejewitsch Wolkonsky fiel dann in Ungnade, weil er sich geweigert hatte, die Nichte und Geliebte Potemkins, Warwara Engelhardt, zu heiraten. Nikolai Sergejewitsch ward als Woiwode ins Archangelsche Gouvernement versetzt, nahm aber bald darauf seinen Abschied, heiratete die Fürstin Katharina Dimitrjewna Trubezkoi und ließ sich auf seinem Stammgut Jasnaja Poljana nieder. Sehr früh verwitwet, widmete er sich bis zu seinem Tode (1821) der Erziehung seiner einzigen Tochter Marie, Tolstois Mutter. Fürst Nikolai Sergejewitsch galt als ein strenger, aber nicht grausamer Gutsherr, der zwar unbedingten Gehorsam von seinen Leibeigenen verlangte, dafür aber auch unaufhörlich auf ihr Wohlergehen bedacht war: sie sollten nicht bloß satt zu essen haben und gut gekleidet sein, auch ihr Vergnügen sollten sie haben. Der alte Fürst führte musterhafte Wirtschaftsbauten auf und hinterließ bei seinen Hörigen das Andenken eines sehr gescheiten Menschen und vortrefflichen Landwirtes. Zu erwähnen ist noch, dass dieselbe Warwara Engelhardt, derentwegen der Fürst Wolkonsky seinen Abschied hatte nehmen müssen, später den Fürsten Sergej Fjedorowitsch Golizyn heiratete, mit dem der alte Fürst Wolkonsky sich derart befreundete, dass seine Tochter, Tolstois Mutter, von Kindheit an mit einem der zehn Söhne Golizyns (Leo) verlobt war, der indes kurz vor der Hochzeit starb.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das heutige Russland 1 - Tolstoi